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11. Mai 2018
Solvenzquoten: Branche übererfüllt regulatorische Anforderungen

Solvenzquoten: Branche übererfüllt regulatorische Anforderungen

Die Ratingagentur Assekurata hat aus aktuellem Anlass die Solvenzquoten der deutschen Lebensversicherer unter die Lupe genommen und stellt im Vergleich zur Vorjahresbetrachtung einen Anstieg um 63 Prozentpunkte fest. Zum Aussagegehalt der Solvenzquoten weist Assekurata auf die methodische Überlegenheit der Risikomessung unter Solvency II im Vergleich zu Solvency I hin.

Wie es mit ihrer Eigenmittelausstattung und Risikosituation unter Solvency II aussieht, mussten die Versicherer Anfang dieser Woche zum zweiten Mal der Öffentlichkeit mitteilen. Viele Versicherer konnten einen Anstieg ihrer Solvenzquote bekanntgeben. Die Solvenzquote (SCR-Quote) gibt in einem modellhaften Extremszenario das Verhältnis der Eigenmittel eines Versicherers zu seinen Verpflichtungen gegenüber Versicherten und anderen Leistungsempfängern wieder. Eine Versicherungsgesellschaft hat dann ausreichend Eigenmittel, um alle Verpflichtungen in dem unter Solvency II definierten Schock-Szenario zu erfüllen, wenn die Quote stets bei mindestens 100% liegt.

Höheres Zinsniveau hebt aufsichtliche Solvenzquote

Vor allem die Lebensversicherer stehen aufgrund der Garantiezinsbelastungen im Niedrigzinsumfeld unter besonderer Beobachtung. Die Ratingagentur Assekurata hat sich die Zahlen genauer angesehen. Sie zeigen: Zum 31.12.2017 erfüllen die deutschen Lebensversicherer die aufsichtliche Solvenzquote im arithmetischen Durchschnitt zu rund 451%. Dies bedeutet einen Anstieg um 63 Prozentpunkte im Vergleich zum Jahresende 2016 (388%). Laut Assekurata ist für den Anstieg das etwas höhere Zinsniveau am Kapitalmarkt mit verantwortlich. Die Ratingagentur weist aber auch darauf hin, dass in den genannten Quoten angewendete Long-Term-Guarantee-Maßnahmen (LGT-Maßnahmen), also Übergangsmaßnahmen (ÜM) und Volatilitätsanpassungen (VA), eingerechnet sind, was ebenfalls dazu beitrage, dass die Zahlen grundsätzlich höher ausfielen.

Bei den 84 deutschen Lebensversicherern, die bis zum Stichtag 08.05.2018 ihre Daten veröffentlicht hatten, zeigt sich eine große Spannweite: Die aufsichtlichen Solvenzquoten verteilen sich im von etwas über 100% bis knapp unter 1.000%. Die höchste Quote kann mit 996,27% die EUROPA vorweisen. Den höchsten Anstieg im Vergleich zum Vorjahr (von 221,36% auf 738,11%) verzeichnet die ERGO Direkt. Trotz der branchenweiten Zunahme gibt es 20 Gesellschaften, die eine niedrigere Quote aufweisen als im Vorjahr. Der höchste Rückgang in Prozentpunkten ist bei der Sparkassenversicherung Sachsen zu beobachten, deren Quote liegt aber mit 990,30% (Vorjahr: 1.391,25%) noch immer signifikant über dem Branchenschnitt und ist nach der eben erwähnten EUROPA die zweithöchste aufsichtliche Solvenzquote. Die dritthöchste Quote findet sich mit 906,23% bei der Swiss Life, für die dies allerdings im Vergleich zum Vorjahr auch einen leichten Rückgang bedeutet (2016: 1.136,20%)

Teilweise großer Unterschied zwischen aufsichtlicher und Basis-Solvenzquote

Auch bei der Betrachtung der Basis-Solvenzquote, die die LTG-Maßnahmen unberücksichtigt lässt, zeigt sich mit durchschnittlich 268% ein Anstieg im Vergleich zum Vorjahr (199%). Laut Assekurata beträgt der Unterschied zwischen der Basis-Solvenzquote und der aufsichtlichen Solvenzquote bei einzelnen Unternehmen 200 Prozentpunkte oder sogar deutlich mehr. Die größte Wirkung erzielt hier die Sparkassenversicherung Sachsen, bei der sich die aufsichtliche SCR-Quote mit 990,30% um rund 670 Prozentpunkte von der Basisvariante (320,15%) unterscheidet.

Assekurata weist im Zuge ihrer Betrachtungen darauf hin, dass ein Vergleich der Solvenzquoten jenseits dieser unterschiedlichen Berechnungsmöglichkeiten dadurch erschwert werde, dass die Unternehmen zur Ermittlung ihrer Kapitalanforderungen neben der Standardformel auch ein (partiell) internes Modell anwenden könnten, sofern dieses von der BaFin zertifiziert worden sei. Aufgrund des dafür hohen Aufwands hätten aber nur wenige große Unternehmen diesen Weg beschritten. So hätten per Ende 2017 elf Unternehmen ein internes Modell verwendet, entweder partiell intern (8) oder vollständig intern (3). Die überwiegende Mehrheit von 73 Lebensversicherern habe demgegenüber die Standardformel benutzt. Aber selbst innerhalb der Standardformel falle die Parametrisierung des Modells anhand von Annahmen und Managementregeln oft sehr unterschiedlich aus.

 Branche übererfüllt regulatorische Anforderungen deutlich
Methodische Überlegenheit von Solvency II gegenüber Solvency I

„Bei aller Diskussion über den Aussagegehalt der Solvenzquoten sollte jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Risikomessung unter Solvency II derjenigen unter Solvency I methodisch überlegen ist“, stellt Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung der Assekurata Assekuranz Rating-Agentur GmbH fest. Dieser Effekt lasse sich beispielsweise an typischen Risikolebensversicherern festmachen, die früher unter Solvency I vielfach recht geringe Solvenzdeckungsgrade aufgewiesen hätten, nun jedoch in der risikoorientierteren Berechnung unter Solvency II zu den Profiteuren gehörten. Größere Herausforderungen hätten demgegenüber einige klassische Lebensversicherer zu stemmen, die mit einer vergleichsweise dünnen Kapitaldecke ausgestattet seien und darüber hinaus von hohen Kapitalanforderungen aufgrund ihrer Leistungsverpflichtungen aus dem Bestand betroffen seien.

Letzteres zeige sich beispielsweise bei einigen Run-off-Gesellschaften, die aufgrund des geschlossenen Neugeschäfts und der hohen Zinsanforderungen ohne Übergangsmaßnahmen auf relativ niedrige Solvenzbedeckungen kämen. „Mit Blick auf die Zukunft setzt bei Versicherern im Run-off-Stadium über die Zeit typischerweise eine bestandsbedingte Verbesserung ein, da die hohen zinsfordernden Altbestände allmählich ablaufen“, relativiert Heermann. „Jedoch hängt dies individuell stark von der jeweiligen Bestandsstruktur und den Restlaufzeiten der Verträge ab.“ (ad)