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28. Juni 2017
Startschuss: Digital will ottonova den PKV-Markt erobern

Startschuss: Digital will ottonova den PKV-Markt erobern

Mit zwei Tarifen ist vor wenigen Tagen das Start-up ottonova, ein digitaler Krankenversicherer, an den Start gegangen. Vom Vertragsabschluss bis zur Rechnung läuft alles digital, wichtiger Pfeiler des Produkts ist eine App. Was ottonova anders machen will als etablierte Versicherer, wie die Kunden erreicht werden sollen und ob eine Zusammenarbeit mit Vermittlern denkbar ist, erläutert Thilo Knaupp, Geschäftsführer der ottonova services GmbH, im AssCompact Interview. 

Herr Knaupp, seit dem 21.06.2017 ist ottonova am Start. Welche Stimmung herrscht bei Ihnen im Haus?

Wir sind pünktlich auf den Tag zum 134. Jubiläum der Einführung der Krankenversicherung in Deutschland durch Otto von Bismarck gestartet. Alle Mitarbeiter bei ottonova waren natürlich wahnsinnig gespannt und haben bis zur letzten Minute noch geprüft, ob alles sitzt und passt. Als dann der Startschuss zum „go live“ kam, war richtig zu spüren, wie die Anspannung der anderthalbjährigen Vorbereitung wich – einer Spannung, wie ottonova jetzt am Markt angenommen wird.

Erklären Sie uns kurz: Was bedeutet für Sie eigentlich eine digitale Krankenversicherung?

Digital heißt zunächst, dass die Versicherungsprozesse digital und schnell funktionieren, zum Beispiel die Einreichung von Rechnungen, Verwaltung und Rückfragen. Und wir haben Prozesse, die nicht nur „vorne“ digitalisiert sind und „hinten“ doch wieder Papier ausspucken, sondern durchgehend digital funktionieren. Ein wichtiger Pfeiler unseres digitalen Angebots ist unsere App, mit welcher ottonova den Versicherten umfassend digital unterstützt: Unser Concierge Service unterstützt von der Empfehlung eines Arztes bis zur Terminfindung, kann auch den Gang zum Primärarzt ersetzen. Wir erinnern digital an anstehende Untersuchungen, und unsere Timeline sammelt alle wichtigen Ereignisse und Dokumente. Es wird stetig neue Services geben, welche die Kundenerfahrung verbessern und helfen, gesund zu bleiben. Unser Anspruch ist, dass der Versicherte immer alles im Blick hat. Und das bequem in seiner App.

Außer dem technischen Ansatz – was wollen Sie sonst anders machen als die etablierten Unternehmen?

Uns gefällt der Begriff „Krankenversicherung“ eigentlich nicht – wir wollen Gesundheitspartner für den Versicherten sein und nicht nur Rechnungen bezahlen, die der Versicherte einreicht. Wir wollen die Plattform sein, welche die Elemente für ein gesundes Leben bündelt. Durch geringe Abschlusskosten und automatisierte Prozesse können wir unsere Kosten niedrig halten, um langfristig beitragsstabiler zu sein. Hierbei hilft uns, dass wir unsere Beiträge mit den aktuell niedrigen Zinsen kalkulieren mussten, das heißt ein weiterhin anhaltender Niedrigzins wird unsere Beiträge nicht unter Druck bringen.

Im Angebot haben Sie zwei Tarife. Mit welchen Leistungen?

Beide Tarife bieten außerordentlich gute Leistungen – wir bieten explizit keinen „Einsteigertarif“, weil wir davon überzeugt sind, dass der Versicherte eine sehr gute Leistung erwarten muss. Die Idee hinter den Tarifen war, das beste aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung zu vereinen. Es ist ja in der Tat erstaunlich, dass einige Tarife der privaten Krankenversicherung gute Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht enthalten. Das wollten wir ändern.

Beide Tarife bieten eine Erstattung bis zum 5,0-fachen Satz und haben generell besonders kinder- und familienfreundliche Merkmale. Der Tarif Business Class bietet Zweibettzimmer/Chefarztbehandlung, Primärarztprinzip und 80% Erstattung bei Zahnersatz; der Tarif First Class Einbettzimmer/Chefarztbehandlung, direkte Facharztwahl und 90% Erstattung bei Zahnersatz. Die Rating-Agentur ASSEKURATA hat unsere Tarife analysiert und mit der Topnote „sehr gut“ bewertet.

Kurz vor dem Start hat sich die Debeka an ottonova beteiligt. Schränkt Sie das nicht auch ein?

Wir freuen uns sehr, dass uns die Debeka das entsprechende Vertrauen entgegenbringt. Einschränkungen für ottonova gibt es keine, da es sich um eine reine Finanzbeteiligung handelt und kein operativer Einfluss genommen wird.

Vermittler und Berater erachten Sie bei Abschluss und Betreuung einer PKV als überflüssig. Wie passt das einerseits zu dem oft genannten RoPo-Verhalten der Kunden und wie erreichen Sie andererseits potenzielle Kunden?

Wir setzen bei der Kundengewinnung primär auf Online-Marketing und zielgruppengenaue Kundenansprache. Die Kunden, die noch ganz offline unterwegs sind, werden wir nicht erreichen – wir glauben jedoch, dass dieses Segment immer unwichtiger wird. Wir wenden uns explizit an online-affine Kunden, die auch im Internet aktiv sind.

Eine Zusammenarbeit mit Vermittlern ist generell denkbar, jedoch verzichten wir auf teure marktübliche Vermittlerprovisionen. Das kommt dem Versicherten direkt zugute – und wird im übrigen auch extrem wertgeschätzt. Was die Betreuung anlangt, sind wir davon überzeugt, dass wir als digitaler Versicherer die bessere Kundenbetreuung liefern können, da wir direkt, fair und schnell reagieren können. Es entstehen keine Verzögerung durch weitere Beteiligte im Prozess. Das erwarten die Versicherten im Übrigen auch.

Vielleicht ist es die Stärke eines Start-ups, sich nicht von Bedenken abhalten zu lassen. Trotzdem müssen wir fragen: Ist es denn wirklich ein guter Zeitpunkt, jetzt als neuer PKV-Anbieter auf den Markt zu gehen?

Die private Krankenversicherung wird ja schon sehr lange totgesagt und sie existiert immer noch. Die Daseinsberechtigung der PKV liegt ja auch darin, den Wettbewerb der Systeme zu fördern, und das dient dem Gesundheitssystem in Deutschland insgesamt – das zu einem der besten der Welt zählt. Das System der PKV abzuschaffen hätte auch eine Reihe schwerwiegender Konsequenzen: Menschen, die seit vielen Jahren eingezahlt haben, verlören den Vertrauensschutz, und die Beamtenschaft müsste im Kern die private Krankenversicherung für sich abschaffen. Von den ganzen organisatorischen Problemen und Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt abgesehen. Alles Punkte, die einem schnellen Verschwinden der PKV im Wege stehen. Wir beobachten die Entwicklungen natürlich genau und könnten uns als junger agiler Versicherer sehr schnell auf Veränderungen einstellen.

Unser Ansporn war, für das wohl wichtigste Thema im Leben, der Gesundheit, eine Versicherung und Dienstleistungen anzubieten, welche die heutigen Bedürfnisse der Menschen auch wirklich bedienen: einfach, smart und digital. Und das lässt sich im Kontext der privaten Krankenversicherung sehr gut umsetzen. Die Resonanz unserer Interessenten und des Marktes zeigen auch, dass wir einen Nerv getroffen haben. (tk)