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Management & Vertrieb
29. Juli 2016
Stress im Maklerbüro: Leistungslust statt Leistungsfrust

Stress im Maklerbüro: Leistungslust statt Leistungsfrust

Um das Phänomen „Stress“ ranken sich viele Mythen. Warum viel Arbeit nicht zwangsläufig gleichbedeutend ist mit viel Stress, dieser vielmehr vom persönlichen Empfinden abhängt, und welche Möglichkeiten es für Arbeitgeber gibt, ihre Mitarbeiter vor Leistungsfrust zu bewahren, erklärt „Stress-Expertin“ Dr. Manuela Jacob-Niedballa.

Erfolgreiche Unternehmen positionieren sich als herausragende Dienstleister für ihre Kunden. Wesentliche Grundlagen für einen langfristigen Erfolg sind darüber hinaus dauerhafte Leistungsfähigkeit und Gesundheit. Die Arbeitswelt unterliegt aktuell einer deutlichen Arbeitsverdichtung, Entgrenzung und Digitalisierung. Ein sinnvoller Umgang mit Stress ist hierbei auch für die Wettbewerbsfähigkeit und Leistungs­bereitschaft von zentraler Bedeutung.

Stress nicht ausschließlich negativ

In den neuesten Studien wurden die Wechselwirkungen zwischen Stress und beruflicher Anforderung noch detaillierter erfasst. Die Ergebnisse untermauern die Erfahrung, dass die Gleichungen „Viel Arbeit bedeutet viel Stress“ und „Wenig Arbeit bedeutet wenig Stress“ keinesfalls aufgehen. Darüber hinaus ist auch der Stress selbst keinesfalls (wie landläufig postuliert) rein negativ anzusehen. Stress ist eine normale körper­liche Reaktion, ursprünglich eine Flucht- und Kampfreaktion. Durch Stress werden kurzzeitig hohe Energien freigesetzt und so auch Bestleistungen ermöglicht. Es hat sich gezeigt, dass ein erhöhtes Stressaufkommen nicht unbedingt mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung und erhöhten Sterblichkeit einhergeht. Unter gewissen Voraussetzungen haben anscheinend Menschen mit einem deutlich höheren Stresslevel als die Durchschnitts­bevölkerung sogar eine niedrigere Sterblichkeitsrate − nämlich dann, wenn sie überzeugt sind, dass der Stress für sie keine negativen gesundheitlichen Folgen hat.

Acht Faktoren des individuellen Stressempfindens

Welche Faktoren beeinflussen, ob Stress uns beflügelt und anspornt oder überfordert und auslaugt? Was führt dazu, dass der Stress vom positiven Eustress in den negativen Disstress kippt? Unser Stressempfinden ist ein äußerst subjektives Gefühl. Im Rahmen der Prävention, der Vorbeugung negativer Effekte, ist es essenziell, die beruflichen Stressoren zu erkennen und zu gestalten. Das individuelle Stressempfinden hängt hauptsächlich von acht Faktoren ab:

  • Arbeitsaufgabe
  • Führungsverhalten
  • Gratifikation/Wertschätzung
  • Individuelle Voraussetzungen
  • Arbeitsorganisation
  • Soziale Beziehungen
  • Arbeitsumgebung
  • Situation

Je nachdem, wie diese acht Faktoren gestaltet werden, wirkt dieselbe berufliche Anforderung als Ansporn oder Überlastung. Hieraus erklärt sich auch, dass Mitarbeiter, die dieselbe Arbeitsmenge zu bewältigen haben, sich individuell völlig unterschiedlich beansprucht fühlen können. Der eine Mitarbeiter fühlt sich „im Flow“, der andere völlig überfordert und ein dritter womöglich komplett unterfordert.

Gesunder Umgang mit Stress prinzipiell lernbar

Ein wesentlicher Gestaltungsfaktor ist eine optimierte Arbeitsorganisation. In vielen Befragungen wurde nachgewiesen, dass häufige Störungen und Unterbrechungen sowie die Idee des Multitaskings klare negative Auswirkungen auf die Effektivität und das Stressempfinden haben. In diesem Zusammenhang belegen neueste Erhebungen, dass eine permanente mediale Erreichbarkeit zu einer deutlich schlechteren Arbeitsleistung und sogar zu einem (passager) verminderten Intelligenzquotienten führen kann.

Diese Erkenntnisse entkräften das häufigste Argument: „Solange wir nicht mehr Personal haben, können wir den Stress unserer Mitarbeiter nicht ändern.“ Bereits 30 Minuten störungsfreies Arbeiten pro Tag senken die psychische Beanspruchung deutlich und ermög­lichen eine wesentlich höhere Effektivität und Qualität der Arbeitsleistung. Diese organisatorischen Veränderungen sind völlig kostenfrei.

Stressprävention im Arbeitsumfeld

Neueste Erkenntnisse der Neurowissenschaft geben darüber hinaus wichtige Hinweise für eine optimierte, individuelle Arbeitsgestaltung. Durch den Einbezug dieser gehirngerechten Arbeitsweise in den Arbeitsalltag entsteht eine wesent­liche Verbesserung der individuellen Belastung bei gleichem Arbeitspensum.

Eine weitere zentrale Rolle bei der Stress­prävention bilden Führungsverhalten und Gratifikation. Diese beiden Faktoren sind eng miteinander verbunden und haben einen nachweislichen Einfluss auf das Arbeitsergebnis und den Krankenstand der Mitarbeiter.

Das Führungsverhalten selbst hat einen wichtigen Einfluss auf die Befindlichkeit und die Anzahl der Beschwerden der Mitarbeiter. In großen Studien ist belegt, dass Mitarbeiter, die sich selten oder nie von ihren Führungskräften unterstützt fühlen, deutlich mehr Beschwerden entwickeln als Mitarbeiter, die das Gefühl des sozialen Rückhaltes am Arbeitsplatz haben. Doch auch die Führungskräfte selbst befinden sich in einem starken Spannungsfeld zwischen beruflichen Anforderungen, Zeitdruck und Kundenorientierung. Führung bedeutet in diesem Zusammenhang nicht nur Mitarbeiterführung, sondern auch Selbstführung. Dies hat nicht nur etwas mit der Vorbildfunktion zu tun. Eine Führungskraft, die selbst ausgelaugt und überfordert ist, wird höchstwahrscheinlich wenig Energie haben, auf die Befindlichkeiten ihrer Mitarbeiter einzugehen.

Drei Säulen der Gratifikation

Auch die Gratifikation/Wertschätzung spielt in diesem Zusammenhang eine Schlüsselrolle. Gratifikation ist alles, wofür wir Menschen arbeiten. Prinzipiell besteht Gratifikation aus drei Säulen:

  • Finanzielle Entlohnung
  • Qualifikationsmöglichkeiten
  • Anerkennung

Diese Säulen können sich bis zu einem gewissen Grad gegenseitig ausgleichen. Der finanzielle Anreiz ist hierbei limitiert. Die Gehaltserhöhung bietet nach spätestens sechs Monaten keine wesentliche Steigerung des Wohlbefindens mehr, ab einem bestimmten Einkommen ist die finanzielle Vergütung nur ein begrenzter Motivator. Die höchsten Effekte für eine dauerhafte Motivation bietet zweifelsfrei die Anerkennung. Besonders effektiv ist ehrliches und angemessenes Lob für besondere Leistungen und in unregelmäßigen Abständen. In diesem Zusammenhang ist auch die individuelle Wertschätzung und persönliche Zuwendung besonders wichtig. In multiplen Studien sind die Zusammenhänge zwischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Depressionen und dem Auftreten von Gratifikationskrisen belegt. Gratifikationskrisen entstehen, wenn der Mitarbeiter das Gefühl hat, dass Entlohnung und sein Einsatz nicht in einem adäquaten Verhältnis zueinander stehen.

Für ein wettbewerbsfähiges Unternehmen sowie leistungsfähige und gesunde Beschäftigte ist der gesunde Umgang mit Stress von zentraler Bedeutung. Die Kenntnis beruf­licher Stressoren und der vielfältigen Gestaltungsoptionen ermöglicht optimierte Arbeitsabläufe und Ergebnisse bei deutlicher Stressreduktion.

 
Ein Artikel von
Dr. Manuela Jacob-Niedballa