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Steuern & Recht
24. April 2018
Sturz im Linienbus: Haften Busfahrer oder Verkehrsbetrieb?

Sturz im Linienbus: Haften Busfahrer oder Verkehrsbetrieb?

Haftet der Busfahrer, wenn ein Fahrgast durch das Anfahren des Busses stürzt, bevor er einen Sitzplatz eingenommen hat? In einem aktuellen Fall verletzte sich ein gehbehinderter Fahrgast.

Das OLG Hamm hatte darüber zu entscheiden, ob ein in einem Linienbus gestürzter Fahrgast Anspruch auf Schadensersatz hat. Im konkreten Fall stürzte eine Frau im Bus, als dieser anfuhr bevor sie einen Sitzplatz eingenommen hatte. Sie brach sich den Oberschenkel. Die Frau ist aufgrund eines Hüftschadens zu 100% schwerbehindert. Ihr Schwerbehindertenausweis ist mit dem Merkzeichen G (gehbehindert) versehen. Eine Gehhilfe benutzt die Klägerin nicht.

Busfahrer muss Fahrgäste nicht besonders im Blick behalten

Der Fall landete vor Gericht. Dieses entschied, dass den Busfahrer sowie den Verkehrsbetrieb keine Schadensersatzpflicht trifft. Von einem Busfahrer, der auf andere Verkehrsteilnehmer und äußere Fahrtsignale achten muss, sei regelmäßig nicht zu verlangen, dass er zugestiegene Fahrgäste besonders im Blick behalte. Dies sei nur ausnahmsweise der Fall, wenn für den Busfahrer eine schwerwiegende Behinderung des Fahrgastes erkennbar sei, durch die dieser ohne besondere Rücksichtnahme gefährdet sei. Im vorliegenden Fall war die Frau jedoch ohne erkennbare Probleme und ohne fremde Hilfe eingestiegen. Allein aus der Vorlage des Schwerbehindertenausweises habe der Busfahrer nicht schließen müssen, dass die Klägerin ohne eine besondere Rücksichtnahme gefährdet sei.

Fahrgast muss sich im Bus selbst sichern

Ein Fahrgast hat außerdem die Pflicht, sich selbst zu sichern. Das beinhaltet laut dem Gericht, dass er sich unmittelbar nach dem Zusteigen in eine Straßenbahn oder einen Linienbus sicheren Stand oder einen Sitzplatz sowie sicheren Halt verschaffen muss. Versäumt er dies gerade beim Anfahren, treffe den Fahrgast ein erhebliches Mitverschulden. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin gegen ihre Obliegenheit zur Eigensicherung verstoßen. Sie habe keinen im Einstiegsbereich vorhandenen freien Sitzplatz eingenommen und sich beim Anfahren nicht hinreichend festgehalten. Zudem habe sie den Busfahrer auch nicht darum gebeten, mit dem Anfahren abzuwarten, bis sie Platz genommen habe.

Schwerbehindertenausweis: Keine besondere Rücksichtnahme in öffentlichen Verkehrsmitteln?

Ein Schwerbehindertenausweis besage nicht, dass auf den Inhaber beim Zusteigen in öffentliche Verkehrsmittel grundsätzlich besonders Rücksicht zu nehmen sei. Deswegen sei von einer behinderten Person, die äußerlich keine Anzeichen für eine Gehbeeinträchtigung erkennen lasse, zu erwarten, dass sie den Busfahrer auf ihre Situation aufmerksam mache und eventuell darum bitte, mit dem Losfahren zu warten, bis sie sich hingesetzt hat. (tos)

OLG Hamm, Beschlüsse vom 13.12.2017 und 28.02.2018, Az.: 11 U 57/17