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23. Mai 2018
Tödliche Legionellen-Infektion als Berufskrankheit?

Tödliche Legionellen-Infektion als Berufskrankheit?

Nicht immer kann eine tödliche Legionellen-Infektion als Berufskrankheit anerkannt werden. Im konkreten Fall eines verstorbenen Elektrotechnikers fehlt dem Landessozialgericht Baden-Württemberg der nachweisbare Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Infektion.

Damit eine tödliche Legionellen-Infektion als Berufskrankheit anerkannt werden kann, muss geklärt sein, dass die versicherte berufliche Tätigkeit mit einer abstrakten Gefährdung verbunden war und sich diese generelle Gefahr aufgrund der im Gefahrenbereich ausgeübten Tätigkeit auch tatsächlich realisiert haben kann. Das morgendliche oder abendliche Duschen während einer auswärtigen Tätigkeit im Hotel vor Berufsbeginn oder nach Feierabend steht im Regelfall nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Mit dieser Begründung hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg den Anspruch der Witwe eines Versicherten auf Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung abgelehnt (Urteil vom 16.05.2018, Az.: L 3 U 4168/17) und sich damit gegen das vorinstanzliche Urteil des Sozialgerichts (SG) Karlsruhe (Urteil vom 26.09.2017 – S 4 U 1357/17) gewandt.

Im konkreten Fall war der 58-jährige Versicherte Ende August 2014 mit Fieber und grippeähnlichen Symptomen ins Krankenhaus eingeliefert worden, wo eine Infektion mit dem Bakterium Legionella pneumophila nachgewiesen wurde. Anfang November 2014 verstarb der Versicherte. Der gelernte Elektrotechniker war zuvor langjährig als Monteur und Inbetriebnehmer unter anderem für die Automobilindustrie tätig gewesen, zuletzt im August 2014 bei Niederlassungen großer Automobilfirmen in Rastatt und Gent/Belgien. Bei keinem der dort tätigen Kollegen ist eine Legionellen-Infektion aufgetreten.

Berufsgenossenschaft bittet Behörden um Mithilfe

Die beklagte Berufsgenossenschaft Holz und Metall ermittelte sowohl an den letzten Arbeitsplätzen als auch an den Duschen im Privathaus des Versicherten. Dort konnten keine Legionellen nachgewiesen werden. Eines der beiden Hotels in Belgien, in denen der Versicherte übernachtet hatte, teilte mit, dass keine einschlägigen Vorkommnisse bekannt seien. Das andere Hotel war im Dezember 2014 endgültig geschlossen worden, weshalb nicht vor Ort ermittelt werden konnte und die Berufsgenossenschaft die belgischen Behörden um Mithilfe bat.

Keine weiteren Legionellenfälle bekannt

Das European Centre for Disease Prevention and Control teilte unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des European Legionnaires Disease Surveillance Network mit, es sei im fraglichen Zeitraum nur über einen Fall einer reiseassoziierten Legionellenerkrankung berichtet worden, nämlich über denjenigen des Versicherten. Das wissenschaftliche Institut für öffentliche Gesundheit des Königreichs Belgien erklärte, es habe in der betreffenden Zeit und Region keine Epidemien oder Gruppen von Fällen mit Legionellose gegeben. Die flämische Agentur zur Überwachung der öffentlichen Gesundheit mit der Zuständigkeit für die Kontrolle von Legionellenausbrüchen in Flandern teilte mit, im Zeitraum vom 15.07.2014 bis 30.09.2014 sei kein Anstieg an Legionellenfällen in der Region um die beiden Hotels feststellbar gewesen und es seien auch keine Probleme mit Legionellen in den beiden Hotels bekannt.

Sachverständiger weist auf abstrakte Gefahr bei Benutzung von Hotelduschen hin

Ein von der Berufsgenossenschaft eingeschalteter Sachverständiger wies darauf hin, dass die Benutzung von Hotelduschen ein Infektionsrisiko darstellen könne, da im Fall der Nichtnutzung der Zimmer das Wasser längere Zeit in den Leitungen stehe. Dies genügte der Berufsgenossenschaft jedoch nicht als Nachweis der Erkrankungsursache und sie lehnte die Anerkennung einer Berufskrankheit und Hinterbliebenenleistungen ab.

SG Karlsruhe: abstrakte Gefahr beim Duschen reicht aus

Das SG Karlsruhe hatte in erster Instanz der Witwe des Versicherten Recht gegeben und eine Berufskrankheit anerkannt. Ein konkreter Nachweis einer Gefährdung sei zwar nicht möglich, aber es habe eine abstrakte Gefahr durch das Benutzen der Hotelduschen bestanden, was vorliegend aufgrund der Schließung eines der beiden Hotels ausreichen müsse.

LSG Baden-Württemberg: Zusammenhang zwischen beruflicher Tätigkeit und Infektion nicht nachweisbar

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat dies anders bewertet und die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 3101 („Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war“) abgelehnt.

Dem Gericht fehlt der konkrete Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit des Versicherten und der Infektion. Der Nachweis, dass mit dem versicherten Tätigkeitsbereich eine abstrakte Gefährdung verbunden war und sich diese generelle Gefahr aufgrund der im Gefahrenbereich individuell ausgeübten Tätigkeiten auch tatsächlich realisiert haben kann, könne nicht erbracht werden. Es könne nicht mehr aufgeklärt werden, aus welchem Gefahrenbereich die Legionellen-Infektion kam.

Für die Tätigkeit im Bereich des Kundenservice sowie bei der Inbetriebnahme von Reinigungs-, Vorbehandlungs- und Lackieranlagen für die Automobilindustrie liegen dem LSG Baden-Württemberg zufolge keine Anhaltspunkte für eine abstrakte Infektionsgefahr vor. Am Arbeitsplatz des Versicherten in Rastatt sei er zu keiner Zeit wässrigen Dämpfen ausgesetzt gewesen. In Gent habe der Sachverständige eine Gefährdungslage bei der beruflichen Tätigkeit verneint.

Das Duschen im Hotel, auf das das SG Karlsruhe abgestellt habe, stehe im konkreten Fall schon deshalb nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, da kein Zusammenhang mit der an sich versicherten Arbeitstätigkeit bestanden habe. Die Körperreinigung des Versicherten habe vorliegend nicht wesentlich betrieblichen Interessen des Arbeitgebers gedient, sondern sei dem privaten Bereich des Versicherten zuzuordnen gewesen. Außerdem habe der Sachverständige dargelegt, dass eine Legionellen-Infektion in den beiden Hotels in Gent nicht nachzuweisen sei. (ad)