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Management & Vertrieb
6. Juni 2017
Tablet statt Tabletten: So ticken die „neuen alten“ Kunden

Tablet statt Tabletten: So ticken die „neuen alten“ Kunden

Die Generation 50plus stellt einen wachsenden und bedeutsamen Faktor für die Finanzdienstleistungsbranche dar. Jedoch haben ältere Menschen besondere Bedürfnisse und Ansprüche an die Beratung. Helmut Muthers, Autor und Herausgeber von Fach- und Hörbüchern, erklärt, worauf Vermittler besonders achten sollten, um erfolgreich zu sein.

„Herr Müller, wie war denn Ihr Beratungsgespräch? Konnten Sie dem alten Meier noch ein paar Investmentfonds verkaufen?“ „Bedauerlicherweise nicht, ich weiß auch nicht so recht, was da falsch gelaufen ist. Ich habe ihm verschiedene Angebote unterbreitet, aber er ließ sich einfach nicht festlegen. Plötzlich ist er aufgestanden und einfach gegangen. Irgendwie komisch.“ So oder ähnlich könnten heutzutage Gespräche zwischen zwei Finanzberatern über ein Gespräch mit älteren Kunden ablaufen. Tatsache ist, dass die früher erfolgreichen Verkaufskonzepte heute kaum noch wirken. Wir befinden uns mitten in einem massiven gesellschaftlichen Umbruch. Wir sind Zeugen und Teil einer demografischen Veränderung, wie es sie noch nie gab. Mehr als 40% der Bevölkerung, fast 35 Millionen Menschen, gehören zur Generation 50plus und es werden immer mehr. Sie sind aber nicht nur die einzige wachsende, sondern auch die reichste Kundengruppe und stellen einen bedeutsamen Faktor für die gesamte Finanzdienstleistungsbranche dar. Um sich das wirtschaftliche Potenzial dieser Kunden zu sichern, müssen die Finanzunternehmen ihre Hausaufgaben machen und ihren Vertrieb auf die „neuen alten“ Kunden einstellen. Die Menschen sind noch nie so alt geworden wie heute. Heute 60-Jährige fühlen sich wie Mitte 40 und wollen so behandelt werden. Und: Wer 50-Jährige heute als Kunden gewinnt, kann noch 30 Jahre Geschäft mit ihnen machen. Bei den älteren Kunden öffnen sich neue Chancen und Perspektiven – die Finanzinstitute müssen sie nur rechtzeitig erkennen und entsprechend handeln.

Dabei gilt es, sich von fatalen Irrtümern schnellstens frei zu machen. Zum Beispiel der Vorstellung, dass ältere Kunden treu sind und man sich nicht weiter um sie bemühen muss. Nur mit diesem Vorurteil ist zu erklären, dass ein großer Teil der Berater und Verkäufer geringschätzig über ihre älteren Kunden redet und sie manchmal herablassend behandelt. Viele verstehen nicht, dass ältere Menschen einfach anders „ticken“, dass sie mehr Zeit für Entscheidungen brauchen und sich absichern wollen. Wer sie unter Druck setzt oder schnell die Geduld verliert, verliert sie auch als Kunden. Schließlich sind ältere Kunden Konsumprofis mit vielen Jahrzehnten Beratungs- und Kauferfahrung. Sie haben alles erlebt, sind belogen und betrogen worden, erinnern sich gut und vergessen nichts. Wenn ihre Wünsche nicht erfüllt werden oder sie sich unangemessen behandelt fühlen, wechseln sie ohne zu zögern das Unternehmen, auch wenn sie seit 30 Jahren Stammkunde sind. Sie kennen ihre Marktmacht, wissen, dass ohne sie nichts mehr läuft, und haben ihre Maßstäbe für K.-o.-Kriterien in Sachen Verkauf neu definiert. Selbst 60-Jährige unterhalten heute im Durchschnitt drei Bankverbindungen und vergleichen die Service- und Leistungsbereitschaft der einzelnen Anbieter ganz genau. Seien Sie sich Ihrer älteren Kunden nie sicher. Überzeugen und umwerben Sie sie, denn nur mit wirklich herausragendem Service können Sie bei den Generationen 50plus punkten.

Sie brauchen keine neuen Kunden. Nehmen Sie die Alten.

Bis zu 100% der vermögenden Kunden von Finanzdienstleistungsunternehmen sind älter als 50. Doch leider fehlt es vielen Beratern und Verkäufern häufig am nötigen Fingerspitzengefühl und einem engagierten Dienstleistungsverständnis. Selten sind sie ausreichend für eine angemessene Ansprache und ein passendes Verhalten gegenüber älteren Menschen geschult. Besonders junge Mitarbeiter brauchen unbedingt Unterstützung, um die besonderen Bedürfnisse, Wünsche und Erwartungen älterer Kunden zu verstehen. Fragen Sie sich, ob Sie sich mit Mitte 20 vorstellen konnten, welche Anforderungen ein 60-Jähriger an einen Makler, seine Bank, Versicherung oder Vermögensberatung hat?

Fakt ist, die „Alten“ von heute sind alles, nur nicht alt. Früher waren die Markenzeichen der Großmutter die Kittelschürze und der Dutt. Heutige Großmütter sehen blendend aus, gehen zur Kosmetikerin, kleiden sich modisch und heiraten mit 65 noch ein weiteres Mal. Früher bereiteten sich Männer mit 50 auf ihren Ruhestand vor, heute legen sie dann erst richtig los. Ältere Menschen sind heute fitter, mobiler, informierter, selbstbewusster, kritischer und anspruchsvoller als alle Generationen vor ihnen. Wer Ältere als Senioren anspricht, hat keine Chance.

Kunden halten statt abstoßen!

Auf die Frage „Was sollte Ihre Bank besser machen?“ antworteten 78% der über 60-jährigen Teilnehmer einer Umfrage: „Eine Beratung, die absolut klar und verständlich ist.“ Es scheint, dass die älteren Kunden ihre Berater nicht (mehr) verstehen. Im Rahmen eines Forschungsprojektes verstanden 91% der Versuchsteilnehmer (überwiegend Akademiker) den Auszug aus einem Versicherungstext – auch nach mehrmaligem Lesen – nicht. Zwei Drittel der Älteren lehnen Anglizismen ab – weil sie die englische Sprache nicht verstehen. Wer aber von seinen Kunden nicht verstanden wird, der verkauft weniger. Und anders als „früher“ brechen ältere Kunden ein Beratungs- oder Verkaufsgespräch, gerne unter einem Vorwand, ab. Wenn Sie also Erfolg wollen, kommunizieren Sie klar, einfach und verständlich. Es ist heute kein Ausdruck von Kompetenz mehr, wenn Sie eine Sprache verwenden, die die Mehrheit der älteren Kunden nicht versteht. Beeindrucken werden Sie damit niemanden, eher vergraulen.

Hier weitere Tipps, mit denen Sie dauerhaft die Loyalität der Kunden 50plus gewinnen:

  • Sie legen großen Wert auf persönliche Ansprache und Betreuung. Es ist daher ein absolutes No-Go, wenn der neue Berater auch beim dritten Termin den Namen des Kunden noch nicht kennt.
  • Ermöglichen Sie Ihren Kunden eine bequeme Erledigung der Finanzangelegenheiten: Viele Dinge lassen sich einfach per Telefon oder E-Mail regeln. Bieten Sie zusätzlich auch die Möglichkeit von Terminen bei den Kunden zu Hause an.
  • Ältere Kunden lieben persönliche Kontakte und Telefonanrufe von vertrauten Personen. Setzen Sie daher auf einen guten Kundenkontakt – und das nicht nur zum Geburtstag und zu Weihnachten. Rufen Sie beispielsweise einen Stammkunden an, um ihm anlässlich der 5-jährigen Geschäfts­beziehung zu gratulieren, oder melden Sie sich zwischendurch auch einfach mal ohne konkreten Anlass.
  • Machen Sie individuelle Geschenke statt der langweiligen Flasche Wein oder dem Blumenstrauß für die Frau.

Den Text lesen Sie auch in AssCompact 06/2017, Seite 94 f.

 
Ein Artikel von
Von Helmut Muthers