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4. April 2016
Unigestion: „Das Risiko einer globalen Rezession steigt in rasantem Tempo“

Unigestion: „Das Risiko einer globalen Rezession steigt in rasantem Tempo“

Die Finanzmärkte präsentieren sich nach wie vor extrem volatil und sorgen für große Verunsicherung. AssCompact bittet Investmentexperten um Orientierungshilfe in Form von Antworten auf fünf grundlegende Anlegerfragen. Diesmal mit Jean-François Clément, Investment Director bei Unigestion.

Herr Clément, Aktien gelten vielen Deutschen nach wie als zu riskant. Zu Recht?

Dies gilt nicht in allen Fällen. Aktien unterliegen in der Tat großen Schwankungen, wie wir es beim Platzen der TMT-Blase im Jahre 2001 oder in der Finanzkrise 2008 gesehen haben. Doch ist es möglich, Aktien-Portfolios im Hinblick auf das Risiko zu verwalten und die Eigenkapital-Risikoprämie an ein deutlich geringeres Risiko zu binden. Dabei ist es von größter Bedeutung, verschiedene Gefahrenquellen wie Volatilität oder Diversifikationseigenschaften, aber auch die Bewertung, Zinssensitivität oder makroökonomische und spezifische Risiken des Unternehmens zu betrachten.

Wo notiert der deutsche Leitindex in fünf bis zehn Jahren?

Die aktuelle, hohe Bewertung der Aktienmärkte im Vergleich zu historischen Werten und die anhaltenden gesamtwirtschaftlichen Sorgen in Europa resultieren in kurzfristigen Risiken für deutsche Aktien. Folglich braucht es einen längeren Anlagehorizont. Von 1980 bis 2000 war der Total Return auf Fünfjahressicht nur sehr selten negativ. Seit 2000 haben wir jedoch mehrere Zeiträume mit negativen Renditen erlebt, einige davon dauerten mehrere Jahre. Kurz gesagt, für eine erfolgreiche Investition in den Dax sollten Investoren heute auf zehn Jahre gesehen anlegen.

Wie gefährlich ist die Lage in China für die Finanzmärkte?

Chinas Wirtschaft hat sich jahrelang auf Anlageinvestitionen und immer mehr Leverage verlassen. Obwohl sich die Wirtschaft nun zunehmend auf den Binnenkonsum verlagert, geht dieser Übergang nur langsam voran. Denn China sieht sich weiteren Risiken gegenüber, wie etwa die hohe Verschuldung der Unternehmen, Druck auf die Währung und die Schwierigkeiten Reformen umzusetzen, ohne dabei steigende Arbeitslosigkeit zu verursachen und den sozialen Zusammenhalt zu beschädigen.

Durch die Flaute in China sind Emerging Markets weltweit in Mitleidenschaft gezogen. Dennoch sind viele Aktien aus den aufstrebenden Märkten günstig bewertet und es gibt deutliche Unterschiede, wie sehr die einzelnen Länder auf Chinas Wachstum angewiesen sind: Während die rohstoffexportierenden Länder unter der schwachen chinesischen Nachfrage leiden, gibt es einige Volkswirtschaften, die mehr auf die Binnennachfrage setzen. Sie dürften die Gewinner sein, wenn die chinesische Wirtschaft weiter schwächelt. Grundsätzlich ist aber eine mögliche Ansteckung der entwickelten Volkswirtschaften bei China das Hauptrisiko für die Finanzmärkte heute.

Was ist derzeit die größte Gefahr für die Finanzmärkte?

Eine globale Rezession ist sicherlich das größte Risiko, und es steigt weiter in rasantem Tempo. Dann begleitet uns der niedrige Öl-Preis schon einige Zeit und wo die Preise die Kosten nicht decken, schlägt das auf die Ölindustrie und die erdölproduzierenden Volkswirtschaften und erhöht die Wahrscheinlichkeit großer Kredit-Ausfälle in diesem Sektor. Auf der anderen Seite sind die Vorteile für Unternehmen und Verbraucher bisher begrenzt. Ein drittes Risiko ist, dass die Schwäche der Emerging Markets auch auf die entwickelten Volkswirtschaften übergreift. Die Abwertung des Renminbi belastet die Märkte, doch noch ist nicht klar, ob dies ein Zeichen von Schwäche ist, oder dafür, dass die chinesischen Behörden alles unter Kontrolle haben.

Überdies hätte eine Wende im Kredit-Zyklus großen Einfluss auf die Finanzmärkte. Die Kreditaufschläge sind in den letzten sechs Monaten deutlich gestiegen, aus verschiedenen Gründen. Auch die Schwellenländer zeigen erste Anzeichen von Schwäche in ihrem Kredit-Zyklus. Bislang ist Europa noch gut unterwegs, muss aber irgendwann bremsen und auch die USA zeigen Anzeichen von Schwäche. Und schließlich stellt eine überraschend steigende US-Inflation ein Randrisiko (“Tail Risk“) dar: Wenn die US-Konjunktur überraschend anzieht, konnte die Inflation die symbolische Marke von 2% durchbrechen. Dieses Szenario ist in den Märkten nicht eingepreist und wäre eine Gefahr für festverzinsliche Wertpapiere und zinssensitive Aktien.

Wie sieht für Sie der ideale Anlagemix aus?

Der ideale Anlagemix sollte auf lange Sicht eine angemessene Aktienquote enthalten. Aktien sind ein attraktives, langfristiges Investment aufgrund ihrer starken Wachstumsperspektiven und attraktiven Dividendenrenditen. Dies gilt umso mehr in einem niedrigen oder gar negativen Zinsumfeld. Dennoch sind kurz- und mittelfristige Risiken aufgrund der aktuell hohen Bewertung der Assetklasse und einen erheblichen Verlust-Risiko nicht zu vernachlässigen.

Um das Risiko-Rendite-Profil zu verbessern, sollten Investoren auf das Risiko-Management achten und besonderes Augenmerk auf die Bewertung legen. Und für Anleger, die nur ein schmales Risikobudget zur Verfügung haben, ist eine abgesicherte Anlagelösung eine gute Antwort auf das Dilemma zwischen langfristigen Rendite-Aussichten und kurzfristigem Risiko. (mh)