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Steuern & Recht
21. Dezember 2015
Vertrieb von Immobilien – alte und neue Haftungsrisiken (nicht nur) für Makler

Vertrieb von Immobilien – alte und neue Haftungsrisiken (nicht nur) für Makler

Der Vertrieb von direktem Wohnungseigentum und Gewerbeimmobilien boomt. Er ist formal bislang auch nur an eine Genehmigung nach § 34c Gewerbeordnung gebunden. Werden solche Immobilienobjekte als Kapitalanlage vertrieben, gibt es schon jetzt de facto gesteigerte Aufklärungspflichten gegenüber dem Kunden, die durch künftige Regulierungen noch verschärft werden.

Der frühere § 34c GewO war eine recht weitreichende Grundlage für den Vertrieb verschiedener Asset-­Klassen. Wer aus dem klassischen Immobilienmakler-Geschäft kam, konnte dem Kunden hiermit auch viele weitere Anlageformen anbieten; umgekehrt bildete er die Grundlage für ein „zweites Standbein“ vieler Versicherungsmakler und -vertreter, die damit zugleich Immobilien und die dazugehörigen Finanzierungen vermitteln konnten. Die Funktion als „Allzweckwaffe“ hat diese Vorschrift allerdings schon seit Längerem eingebüßt. Andere ehemals hiernach zulässige Tätigkeiten sind in neue Paragrafen ausgegliedert worden; so etwa § 34d für Versicherungsvermittler oder § 34f für Finanzanlagen mit zum Teil weitreichenden Folgepflichten.

§ 34c GewO in seinem verbleibenden Anwendungsbereich der Immobilienvermittlung fordert bisher derartige Voraussetzungen nicht und belässt es bei der persönlichen Zuverlässigkeit und dem Vorliegen geordneter Vermögensverhältnisse. Auch sonst fehlen zurzeit explizite gesetzliche Detailvorschriften zur Gestaltung des Vermittlungsprozesses beim Immobilienerwerb, sieht man einmal von der vor ca. einem Jahr erfolgten Neufassung der Hinweis- und Widerrufsregelungen betreffend Courtagevereinbarungen ab. Das insoweit betroffene „Maximalrisiko“ ist jedoch nur der Verlust der Provision.

Beratungspflichten bei Anlageimmobilien

Trotzdem gibt es schon seit vielen Jahren aufgrund einer im Prinzip gefestigten, wenn auch oft unbekannten Rechtsprechung erhebliche Haftungsfallen, jedenfalls beim Vertrieb von Immobilien zu Anlagezwecken. Der Kunde und Anleger erhofft und bekommt meist mehr oder weniger auch eine Unterstützung bei der damit verbundenen Anlageentscheidung und wirtschaftlichen Disposition selbst. Damit entsteht aber auch ohne konkretes Bewusstsein der Beteiligten das, was schon früher in anderen damals noch ungeregelten Anlageklassen ein Joker der Rechtsprechung zur Begründung einer Vertriebshaftung war: Der „konkludente“ Auskunfts- oder Beratungsvertrag, der zur umfassenden objektgerechten Auskunft über alle relevanten objektbezogenen Umstände, im Falle einer echten Beratung auch zu einer Pflicht zur kritischen Beurteilung dieser Umstände für den Kunden und einer Bewertung im Hinblick auf seine individuelle wirtschaftliche Situation (anlegergerechte Beratung) führt.

Werden diese Auskunfts- bzw. Beratungspflichten verletzt, sind die Folgen gravierend: „Der durch eine fehlerhafte Anlageberatung Geschädigte kann seinen im Abschluss eines notariellen Kaufvertrages über eine Immobilie mit einem Dritten bestehenden Schaden auch gegenüber dem beratenden Unternehmen in der Weise geltend machen, dass er die Erstattung des gezahlten Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Übereignung der erworbenen Kapitalanlage verlangt; …“, wie der BGH beispielsweise in einem Urteil vom 15.01.2009 (Az. III ZR 28/08) geurteilt hat. Letztlich kann damit den Immobilienvertrieb das volle wirtschaftliche Risiko treffen, wenn eine zu Anlagezwecken erworbene Kapitalanlage später nicht die erhoffte Performance bringt.

Scheinbare Gegenargumente treffen (meist) nicht die Realität

Aus der Sicht der klassischen Makler und ihrer Vertreter wird hiergegen oft argumentiert, dass sich der Makler vom Anlagevermittler und Anlageberater grundlegend unterscheidet. Er sei jedenfalls im Ausgangspunkt nur der Mittler zwischen den beiden (künftigen) Vertragspartnern und schulde nur die Weitergabe von Informationen zwischen den Beteiligten, für die er keine eigene Verantwortung übernehme. Bis auf besondere Ausnahmefälle wie der vorsätzlichen Weitergabe von Fehlinformationen sei er daher selbst nicht verantwortlich. Dieser von einem theoretischen Leitbild des Maklers ausgehende Ansatz trifft die Praxis bei Anlageimmobilien nur selten. Wie oben schon angedeutet, erwartet der Kunde beim Immobilienerwerb zu Anlagezwecken gerade im Regelfall mehr als die bloße Informationsweitergabe; er möchte die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit und die Folgen mit dem Vermittler als seiner Vertrauensperson besprechen und oft auch gegenüber anderen möglichen Anlageformen abwägen. Das hier der Makler eine eindeutige Grenze setzt und deutlich (und nachweisbar) erklärt, dass er sich hiermit nicht befassen wolle/könne und nur die Immobilienangaben weiterreiche, ist wohl die Ausnahme. Auch ein entsprechender Ausschluss solcher Verpflichtungen in den AGB des Maklers würde jedenfalls dann nichts nützen, wenn tatsächlich doch – gerade um dem Kunden einen umfassenden Service zu bieten und sein Vertrauen zu gewinnen – das Für und Wider der wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit der Anlage mit ihm besprochen wird, Finanzierungspläne und Musterberechnungen erstellt und verschiedene Szenarien durchgespielt werden. Erst recht gilt dies, wenn ein Vergleich mit anderen Asset-Klassen oder eine Umschichtung des bisherigen Vermögens (zum Teil) in Immobilien-Anlagen in Rede steht.

Den „reinen Immobilienmakler“ gibt es sicher – aber kaum bei Anlageobjekten. In der Praxis dürften sogar einige vermeintliche Maklerverhältnisse schon tatsächlich in den Bereich der Handelsvertretereigenschaft im Sinne der §§ 84 ff. HGB fallen, da hier der betreffende Vertrieb von einem oder mehreren Produktgebern bzw. Bauträgern „ständig beauftragt“ ist, entsprechende Verträge zu vermitteln, was eigentlich eine Maklereigenschaft ausschließt. O

Ein weiterer Irrglaube ist der besondere Schutz des Vertriebs durch den Notarvertrag bei der Vermittlung von Direktimmobilien. Der Notar muss gemäß § 14 Abs. 1 Bundesnotarordnung unparteiisch zwischen den Parteien stehen. Er kann damit über rechtliche Inhalte und Tragweite des Kaufvertrages belehren, aber nicht den Erwerber über die Chancen und Risiken seiner beabsichtigten Investition. Der Notar kennt im Regelfall weder die persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse des Käufers noch die Detailumstände der Immobilie. Dies geht auch aus den üblichen Freizeichnungsklauseln am Ende des Notarvertrages hervor. Schließlich haften Notare bei fahrlässigen Pflichtverletzungen gemäß § 19 Abs. 1 Bundesnotarordnung nur nachrangig, das heißt nur dann, wenn weder der Verkäufer noch der Vertrieb haften.

Ein weiteres Beispiel für den fälschlich angenommenen „safe harbour“ der Immobilienmakler ist das Provisionsthema. Gerade bei Anlageobjekten besteht oft eine umfassende Provisionsvereinbarung mit dem Produktgeber; zusätzlich wird vom Erwerber noch die „ortsübliche Maklercourtage“ in Anspruch genommen. Spätestens seit dem BGH-Urteil vom 03.06.2014 dürfte aber klar sein, dass die provisionsbezogenen Aufklärungspflichten produktübergreifend sind. Wer sein – weiteres – Provisionsinteresse gegenüber der anderen Seite nicht offenbart, kann nicht nur seinen Provisionsanspruch verlieren, sondern auch damit einen Grund zur Rückabwicklung des gesamten Vertrages zu seinen Lasten setzen. Dass dieser Joker gerade dann im Nachhinein gezogen wird, wenn (aus anderen Gründen) die Immobilie in Schieflage gekommen ist, liegt auf der Hand.

Sichere Präventivmaßnahmen gibt es

Wer den Anspruch einer umfassenden Beratung des Kunden bei Anlageimmobilien nicht aufgeben will, sollte nicht den Kopf in den Sand stecken. Auch wenn der Markt derzeit boomt und manchem die Objekte aus der Hand gerissen werden – es muss nicht unbedingt zu der oft befürchteten „Immobilienblase“ kommen, um vorherzusehen, dass auch hier später einmal im Einzelfall Wertverluste eintreten können.

Bei realistischer Betrachtung sollten daher – gerade jetzt in den Zeiten eines guten Marktumfelds – die gleichen Prozesse eingeführt werden, die sich schon früher in anderen Produktklassen als zunächst „freiwillige Haftungsprävention“ bewährt haben und dann dort auch später zum gesetzlichen Pflichtprogramm geworden sind.

Die Grundlage jedes Vertriebs sollte auch bei Anlageimmobilien ein Prospekt sein, der das Objekt nicht nur mit schönen Bildern und allenfalls technischen Angaben beschreibt. Solche „freiwilligen“ qualifizierten Prospekte sind bereits bei vielen Anbietern Standard. Wer meint, als Anbieter gegenüber seinem Vertrieb hierauf verzichten zu können, und dies mit dem Hinweis auf die gerade ja dadurch entstehende Prospekthaftung rechtfertigt, hat die Rechtsentwicklung seit über 20 Jahren verschlafen. Das deutlich unzureichende Exposé vermeidet die Prospekthaftung nicht, sondern begründet sie gerade. Ein Beispiel aus einem Urteil aus 1999 (LG Meiningen 1 O 153/99): „Die Beklagte hafte damit für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospektes entsprechend der von der Rechtsprechung des BGH entwickelten Grundsätze der Prospekthaftung. Eine solche besteht nach inzwischen wohl herrschender Ansicht auch insgesamt für Kapitalbeteiligungen im Zusammenhang mit Immobilienanlagen. … Einer Kennzeichnung des vorliegenden als eines Verkaufsprosektes steht auch nicht entgegen, dass in dem Prospekt wesentliche, für den Kaufentschluss bedeutsame Angaben, … fehlen. Es kann den Verwender von schriftlichen Informationsmaterialien zu Anlageobjekten nicht entlasten, wenn Teile der wesentlichen Angaben nicht im Prospekt, sondern ergänzend mündlich gemacht werden.“

Weitere Bausteine der persönlichen Haftungsprävention sollten daneben auch entsprechende Beratungsdokumentationen und Gesprächsprotokolle sein. Diese ergänzen den qualifizierten Prospekt, da nur hierdurch der sichere Nachweis über die angemessene Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse und Anlageziele erbracht werden kann. Auch kann hierdurch die Übergabe des Prospekts (mit Kundenunterschrift) dokumentiert werden.

Wichtig ist schließlich die Rechtzeitigkeit dieser Präventivmaßnahmen vor dem Kaufvertragsabschluss. Die Rechtsprechung fordert, dass die entsprechende Aufklärung noch in angemessener Zeit vor der abschließenden Entscheidung erfolgen müsse, um dem Kunden eine echte Entscheidungsfrist zu bieten. Da bei Immobilienanlagen der Notarvertrag in der Regel ohnehin zwei Wochen vor der beabsichtigten Beurkundung im Entwurf an die Parteien versandt wird, sollte – spätestens – zu diesem Zeitpunkt auch die entsprechende umfassende Aufklärung durchgeführt und dokumentiert werden. Dies muss alles durchaus nicht in der Form einer „Zwangsbelehrung mit erhobenem Zeigefinger“ erfolgen. Die notwendige und eindeutige Aufklärung kann auch durchaus in einer Form verpackt werden, die den Anleger als Partner eines gemeinsamen Entscheidungsprozesses und nicht als bloßes „Belehrungsobjekt“ sieht. Dies wird vom Kunden in der Regel auch positiv wahrgenommen und wirkt damit durchaus nicht verkaufshindernd, sondern sogar verkaufsfördernd.

Zukünftige Anforderungen

Die hier vorgestellten Maßnahmen dienen derzeit „nur“ der Vorsorge, sie sind keine Pflicht. Dies wird nicht mehr lange so bleiben. Denn schon § 34c GewO soll demnächst novelliert werden, sodass voraussichtlich die Zulassung und laufende Überwachung der Tätigkeit im Immobilienvertrieb deutlich verschärft wird. Hinzu kommt, dass bis März 2016 die sog. Wohnimmobilienkreditrichtlinie der EU in deutsches Recht umgesetzt werden muss. Diese schreibt explizit vor, dass im Rahmen der Kreditvermittlung auch die Angemessenheit der Kreditvergabe im Hinblick auf den beabsichtigten Verwendungszweck bzw. die persönlichen Verhältnisse des Kunden zu prüfen sind. Es soll dabei sogar noch nicht einmal ausreichend sein, sich allein auf die Kundenangaben zu verlassen. Da gerade Anlageimmobilien selten ausschließlich eigenkapitalfinanziert sind und die Darlehensvermittlung oft eine willkommene weitere Dienstleistung neben der Immobilienvermittlung selbst ist, wird schon deshalb auch die umfassende Aufklärung und ggf. Bewertung der beabsichtigten Investition im Verhältnis zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Kunden in den meisten Fällen zum Pflichtprogramm werden. Und schließlich gibt es auch auf nationaler Ebene viele Stimmen, die bei der Einführung des Kleinanlegerschutzgesetzes kritisch gefragt haben, warum etwa kollektive Immobilienanlagen in all ihren Formen jetzt vollreguliert sind, Direktanlagen in Immobilien aber zunächst nicht berücksichtigt wurden. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass dies nicht ewig so bleiben wird. Wer jetzt schon seine Produktgeber nach diesen Qualitätsmerkmalen auswählt und in seinem Vermittlungsprozess die entsprechenden Schritte implementiert, kann nicht nur bei einer vielleicht kritischeren Entwicklung des Immobilienmarkts in den nächsten Jahren gut schlafen – er wird den kommenden zwingenden Herausforderungen der Regulierung auch schon gewachsen sein. Dies wäre doch ein guter Vorsatz für das neue (Geschäfts-)Jahr!

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 12/2015, Seite 120ff.

 
Ein Artikel von
Dr. Thomas Zacher