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Steuern & Recht
21. Januar 2016
Vorfälligkeitsentschädigung im Fokus der Rechtsprechung

Vorfälligkeitsentschädigung im Fokus der Rechtsprechung

Der BGH hat sich in zwei Urteilen mit Immobiliendarlehen beschäftigt und verbraucherfreundlich entschieden. So dürfen Banken zum einen eine Klausel nicht mehr verwenden, die bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung vertraglich vereinbarte Sondertilgungsrechte unberücksichtigt lässt. Zum anderen müssen Kunden, die sich mit der Rückzahlung des Darlehens in Verzug befinden und denen die Bank infolgedessen eine Kündigung ausspricht, sich nicht auf die Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung einlassen.

Was für viele Kunden ein Ärgernis ist, ist für die Immobiliendarlehensgeber eine Absicherung ihres Geschäftsmodells: die Vorfälligkeitsentschädigung. Mit dieser sichern sich die Kreditgeber ihre Zinserwartungen aus dem Darlehensvertrag ab. Will der Kunde aussteigen, fallen üblicherweise Gebühren in Form der Vorfälligkeitsentschädigung an. Viele Darlehensgeber haben in diesem Zusammenhang folgende Klausel in ihren Vertragsbedingungen: „Zukünftige Sondertilgungsrechte werden im Rahmen vorzeitiger Darlehensvollrückzahlung bei der Berechnung von Vorfälligkeitszinsen nicht berücksichtigt.“

Sondertilgungsrechte sind zu berücksichtigen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Klausel in einem aktuellen Urteil nun für unwirksam erklärt. Bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung müssen vereinbarte Sondertilgungsrechte berücksichtigt werden. Nach Ansicht der Karlsruher Richter führe eine generelle Nichtberücksichtigung „zu einer von der Schadensberechnung nicht gedeckten Überkompensation“ des Darlehensgebers.

Besserstellung des vertragsbrüchigen Schuldners wird bewusst in Kauf genommen

In einem weiteren Urteil geht der BGH auf die umstrittene Frage ein, ob der Darlehensgeber im Falle der außerordentlichen Kündigung eines Darlehensvertrages infolge Zahlungsverzug des Darlehensnehmers anstelle des Verzögerungsschadens eine Vorfälligkeitsentschädigung als Ersatz seines Nichterfüllungsschadens verlangen kann. Nach Ansicht des Gerichts gehe hier eine „Sperrwirkung“ von der gesetzlichen Regelung aus. Der Gesetzgeber habe mit § 497 Abs. 1 BGB (in der bis zum 10.06.2010 geltenden Fassung) eine spezielle Regelung zur Schadenberechnung bei notleidenden Krediten geschaffen. Diese Regelung schließe eine andere Form des Schadenersatzes aus. Zwar könne es dadurch zu einer Besserstellung des vertragsbrüchigen gegenüber dem vertragstreuen Schuldner kommen. Dies habe der Gesetzgeber aber bewusst im Kauf genommen.

Zuviel gezahlt?

Die BGH-Rechtsprechung hat große Beachtung gefunden. Insbesondere Verbraucherschützer informieren über Folgen und Bedeutung. In dem Zusammenhang weist test.de darauf hin, dass Darlehensnehmer bei bis zum 10.06.2010 abgeschlossenen Verträgen aufgrund der BGH-Rechtsprechung keine Vorfälligkeitsentschädigung neben den gesetzlich geregelten Verzugszinsen zahlen müssen. Für ab dem 11.06.2010 abgeschlossene Verträge sei dies noch nicht klar, da hier eine Gesetzesänderung in Kraft getreten sei. Zudem müssten Betroffene die Verjährung im Auge behalten. Laut test.de verjährt die Forderung auf Erstattung der Vorfälligkeitsentschädigung im Jahr 2013 am 31.12.2016. Forderungen auf Erstattung von vor dem 31.12.2012 gezahlten Beträgen seien verjährt. Die Höhe der zu Unrecht bezahlten Vorfälligkeitsentschädigungen wird von test.de auf „Milliarden“ geschätzt.

BGH, Urteile vom 19.01.2016, Az.: XI ZR 388/14 und XI ZR 103/15, Pressemitteilungen vom 19.01.2016