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17. Dezember 2018
Wachkoma: BGH bejaht Wirksamkeit einer Patientenverfügung

Wachkoma: BGH bejaht Wirksamkeit einer Patientenverfügung

In einem seit Jahren andauernden Streit um eine Patientenverfügung hat der BGH nun entschieden, dass eine im Wachkoma liegende Frau sterben darf. Der Fall hat auch grundsätzliche Bedeutung für die Inhalte einer Patientenverfügung.

Der BGH hat in einem aktuellen Beschluss festgelegt, welche Formulierungen in einer Patientenverfügung hinreichend konkret sind, damit lebenserhaltende Maßnahmen abgebrochen werden dürfen. Lediglich „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ zu wollen, reicht in der Regel nicht aus.

Zehn Jahre Wachkoma trotz Patientenverfügung

Konkret ging es um eine Frau, die nach einem Schlaganfall seit über zehn Jahren im Wachkoma lag. Ihre beiden Betreuer – ihr Mann und ihr Sohn – stritten sich darum, ob künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr im Sinne ihrer Frau bzw. Mutter gewesen wären. Die Betroffene hatte ein mit „Patientenverfügung“ überschriebenes Schriftstück unterschrieben. In diesem war festgehalten, dass unter anderem dann, wenn keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht oder aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibe, „lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben“ sollen.

BGH: Keine Genehmigung des Gerichts mehr nötig

Nach dem jahrelangen Streit hat der BGH nun bestimmt, dass diese Beschreibung der Lebens- und Behandlungssituation hinreichend konkret ist. Der Fall lag bereits 2017 dem BGH vor (AssCompact berichtete). Er verwies ihn jedoch zurück an das Landgericht (LG). Dieses sollte klären, ob der konkrete Zustand der Betroffenen im Wachkoma ihr Bewusstsein entfallen lässt und ob eine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht. Nachdem der Sachverständige erläutert hatte, es bestehe bei der Betroffenen eindeutig ein Zustand schwerster Gehirnschädigung, bei der die Funktionen des Großhirns komplett ausgelöscht sind, hat das LG bestimmt, dass eine gerichtliche Genehmigung nicht erforderlich ist.

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs gilt dies selbst dann, wenn die Patientenverfügung die Formulierung „aktive Sterbehilfe lehne ich ab“ enthält. Allerdings wurde auch hier eingehend geprüft, ob die Betroffene damit den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen meint. Das Gericht kam zum Entschluss, dass dies nicht der Fall ist. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Rechtsbeschwerde des Ehemanns der Frau hatte keinen Erfolg.

Patientenverfügung muss wirksam sein

Der Abbruch einer lebenserhaltenden Maßnahme bedürfe dann nicht der betreuungsgerichtlichen Genehmigung, wenn der Betroffene seinen Willen bereits in einer wirksamen Patientenverfügung niedergelegt hat und diese auf die konkret eingetretene Lebens- und Behandlungssituation zutrifft, erläutert der BGH. In diesem Fall ist die Entscheidung bindend und eine Einwilligung des Betreuers nicht erforderlich.

Behandlungssituation und erwünschte Maßnahmen müssen feststellbar sein

Nach der Rechtsprechung des BGH entfaltet eine Patientenverfügung allerdings nur dann unmittelbare Bindungswirkung, wenn sich feststellen lässt, in welcher Behandlungssituation welche ärztlichen Maßnahmen erwünscht oder unerwünscht sind. Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung dürften dabei jedoch nicht überspannt werden. Vorausgesetzt werden könne nur, dass der Betroffene umschreibt, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht. Maßgeblich sei nicht, dass der Betroffene seine eigene Biografie als Patient vorausahnt und die zukünftigen Fortschritte in der Medizin berücksichtigt.

Allgemeine Aufforderungen nicht ausreichend

Nicht ausreichend seien jedoch allgemeine Anweisungen, wie die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist. Auch die Äußerung, „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ zu wünschen, enthält jedenfalls für sich genommen keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung. (tos)

BGH, Beschluss vom 14.11.2018, Az.: XII ZB 107/18

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