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15. Mai 2017
Was zählen Fakten noch im „postfaktischen“ Zeitalter?

Was zählen Fakten noch im „postfaktischen“ Zeitalter?

Postfaktisch? Alternative Fakten? Können Donald Trump und die sozialen Medien Aristoteles’ Säulen der Rhetorik wirklich ins Wanken bringen? Nein, sie werden nicht fallen. Gerade im Business sind Fakten Fakten und Logik ist Logik. Während manche Politiker alles dafür tun, die wissenschaftliche Kunst der Rhetorik in Verruf zu bringen, sollte einen das im Geschäftsleben nicht wirklich tangieren.

In seinem Werk „Rhetorik“ erklärt Aristoteles bereits vor 2.300 Jahren die immer aktuellen drei Arten des Überzeugens: Logos, Ethos und Pathos. Aristoteles nannte sie auch die „drei überzeugenden Appelle“. In einfachen Worten bieten diese drei griechischen Begriffe einem Gegenüber oder Pub­likum Antworten auf drei fundamentale Fragen: 1. Hat unsere Kommunikation Sinn? Logos ist die Logik. 2. Sind wir glaubwürdig? Ethos ist Ihre Glaubwürdigkeit als Redner. 3. Fühlen sich unsere Gegenüber mit uns verbunden? Pathos ist die Emotion.

Was zählen Fakten noch im „postfaktischen“ Zeitalter?

In der Finanzbranche sind die meisten Leute auf der Logos-Seite gut vorbereitet. Sie kennen ihre Produkte und Services gut. Sie kennen die Prozesse, die Statistiken, die Vorteile. Aber Logos alleine reicht nicht. Für mehr Überzeugungskraft braucht es Logos, Ethos und Pathos. Die oben stehende Tabelle zeigt auf einen Blick überzeugende Inhaltselemente für mehr Logos, mehr Ethos und mehr Pathos in Vorträgen und in der Kommunikation generell:

Hat unsere Kommunikation Sinn?

Zahlen, Daten, Fakten – 99,99% aller PowerPoint-Folien sind vollgekleistert mit Logos: Kapitalmarktrenditen, Discounted Cash Flows, Zinsarbitrage, ROI, ... Das Ganze am besten noch garniert mit generischem Business-Jargon: Mehrwerte, kritische Massen und, wie könnte es anders sein, Win-win-Situationen. Es stört nicht, es tut nicht weh, weil es fast alle so machen. Man ist unter seinesgleichen. Banker, Versicherungsmakler, Unternehmensberater – fast alle sprechen die gleiche logische, business­eloquente Sprache.

Die Herausforderung: wir reden wie Imagebroschüren. Ein Versprechen jagt das nächste: „Mit unserem Produkt werden Sie Ihre finanzielle Unabhängigkeit steigern.“ „Nehmen Sie heute Steuervorteile für morgen mit.“ „Unser Produktportfolio basiert auf Qualität und Erfahrung.“

Wenn wir sagen, was wir machen, ist das ein Versprechen. Wenn wir sagen, was wir gemacht haben, ist das ein Beweis. Unser logisches Hirn bezweifelt Versprechen und es liebt Beweise in Form von spezifischen Beispielen.

Spezifische Beispiele von finanzieller Unabhängigkeit, zukünftigen Steuervorteilen oder Qualität und Erfahrung haben deshalb mehr Sinn. Wie heißt der Kunde? Was war das Problem? Was war die Lösung? Welches Produkt? Mit welchem Ergebnis? Je spezifischer, umso besser.

Sind wir glaubwürdig?

Menschen gehen gerne davon aus, dass ihnen geglaubt wird. Doch ist dem wirklich so? Für Freunde und Familienmitglieder können wir glaubwürdig sein. Für Kollegen und Geschäftspartner ebenfalls, aber was ist mit all den Menschen, die uns (noch) nicht kennen?

Für einen Rhetoriker ist der Aufbau von Kredibilität harte Arbeit. Inhaltlich kann man beispielsweise seine Reputation und Expertise vermitteln. Ethos bildende Anekdoten in Form von gelernten Lektionen schlagen dabei unsägliche „Über mich“-Folien in PowerPoint. Menschen lieben Geschichten, Lebensläufe finden sie auf XING oder LinkedIn. Auch mit Zitaten von Reputationsgiganten wie Warren Buffett stehlen wir Glaubwürdigkeit auf elegante Weise, ohne Dieb zu sein. Ein dritter Weg für mehr Kredibilität ist das Suchen nach Gemeinsamkeiten. Gemeinsamkeiten bauen Vertrauen auf. Mehr Vertrauen, mehr Glaubwürdigkeit und vice versa. Wie finden wir Gemeinsamkeiten als Redner? Wir stellen Fragen.

Wir schenken Menschen auch mehr Glauben, wenn sie Autorität ausstrahlen. Ob auf einer Bühne auf der DKM vor 500 Leuten oder im Besprechungsraum mit einer Handvoll potenzieller Kunden, es gilt immer die gleiche Formel:

Autorität = offene Körpersprache + direkter Blickkontakt + Stimmvariation

Fühlen sich unsere Gegenüber mit uns verbunden?

Viele Geschäftsleute oder besser die massive Mehrheit von Geschäftsleuten ist überzeugt, dass Emotion in der Businesskommunikation nichts verloren hat. Falsch!

Wir haben ein logisches Hirn und ein emotionales Hirn. Hirntechnisch treffen wir keine einzige Entscheidung ohne emotionale Aktivierung. Und wenn sich Emotionen und Logik streiten, gewinnt immer nur einer. Warum also diese Mär von der emotionslosen Businesskommunikation?

Zugegeben, in der zahlengetriebenen Finanzwelt wäre es fatal, Logos gänzlich durch Pathos zu ersetzen. Fakt ist aber: Ein exzellenter Rhetoriker spricht immer auch die Emotionen seiner Zuhörer an.

Deshalb empfiehlt es sich, Pathos zum Logos hinzuzufügen bzw. Logos geschickt in Pathos einzubinden. Metaphern zum Beispiel sprechen unsere Emotionen an. Aristoteles sagte: „Das mit Abstand Großartigste ist es, die Metapher gemeistert zu haben.“ Warum also überlassen wir im Business das metaphorische Feld gänzlich der Werbung oder Eltern, die mit ihren sechsjährigen Kindern sprechen? Der Wert der Metapher ist universell: „Wie können wir bestehen im Treibsand der Altersvorsorge?“ „Unsere Finanzprodukte sind Balsam für die Märkte.“ „Unser Produktportfolio ist ein Roulettetisch. Nur bei uns ist der Kunde die Bank.“

Neben der Metapher sprechen auch persönliche Geschichten mit dem emotionalen Hirn der Zuhörer. „Ich hatte gestern einen Kundentermin“, ist keine Geschichte. Geschichten starten an einem Zeitpunkt in der Vergangenheit. Geschichten brauchen eine Situationsbeschreibung, die am besten mehrere unserer fünf Sinne anspricht (nicht nur den visuellen). Geschichten brauchen Charaktere mit Namen, Aussehen und Persönlichkeit. Geschichten brauchen eine Herausforderung, einen „Kampf“ sowie eine Klimax. Und am allerwichtigsten: eine Lektion!

Jahrtausendelang war die Geschichte der Star am Lagerfeuer. Heute überlassen wir Netflix und Co. das Geschichtenerzählen. Warum? Unser Gehirn liebt Geschichten. Unsere Zuhörer können sich mit ihnen identifizieren. Mehr als alles andere schaffen unsere Geschichten Verbundenheit mit unseren Zuhörern. Und die gute Nachricht? Jede Zahl, jede Datenreihe, jede wissenschaftliche Studie können wir als Kommunikatoren in Geschichten packen.

Donald Trump und die sozialen Medien werden Aristoteles’ Säulen nicht ins Wanken bringen. Selbst wenn alternative Fakten hier und da ein Strohfeuer anrichten sollten, werden Fakten Fakten bleiben. Und gerade im Business werden wir auch weiterhin Menschen überzeugen und zu Handlung bewegen können. Mit Logos, Ethos und Pathos.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 05/2017, Seite 88 f.

 
Ein Artikel von
Von Florian Mück