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Sonderthema Digitale Helfer und Entwicklungen
31. März 2016
Welchen Nutzen Makler durch InsurTechs haben

Welchen Nutzen Makler durch InsurTechs haben

FinTechs bzw. InsurTechs sind Unternehmen, die internet- und smartphonebasierte Dienstleistungen entwickeln und dabei die traditionelle Wertschöpfungskette der Finanzdienstleistungs- bzw. Versicherungsbranche aufbrechen wollen. Deshalb wird sogar von „disruptiver Gewalt“ gesprochen, mit der diese Start-ups die Branche ändern wollen.

Die traditionelle Wertschöpfungskette in der Versicherungsvermittlung sieht wie folgt aus: Der Versicherungsvermittler – Makler oder Vertreter – spricht in seinem Umfeld potenzielle Kunden auf die Themen Vorsorge und Existenzsicherung an, berät sie und nimmt Anträge auf. Diese werden ans Versicherungsunternehmen übermittelt und dort bearbeitet. Nimmt der Versicherer den Antrag an, sendet er meist die Police zu und bucht während der Vertragslaufzeit die Beiträge ab. Schaden- und Leistungsfallmeldungen werden vom Kunden entweder direkt beim Versicherer oder beim Vermittler eingereicht und wiederum vom Versicherer verarbeitet. Mit anderen Worten, die wichtigste Interaktion zwischen Vermittler und Kunde findet vor Vertragsschluss statt, die weitere Interaktion erfolgt typischerweise überwiegend zwischen Versicherer und Kunde. Das schließt nicht aus, dass es in Einzelfällen auch anders abläuft.

Die oben geschilderten arbeitsteiligen Abläufe haben Vorteile für die Beteiligten, was den Aufwand angeht, der im Kontakt zum Kunden betrieben werden muss. Sie haben aber auch Nachteile. Viele Kunden, vor allem von Personenversicherungen, werden enttäuscht, wenn dem intensiven Interesse des Vermittlers vor Vertragsabschluss anschließend meist außer Abbuchungen und ggf. Leistungsabrechnungen kein Kontakt und damit keine Bestätigung der Kaufentscheidung mehr folgt. Und wenn Versicherer die Interaktion gestalten sollen, dann denken sie selten zuallererst kundenorientiert, sondern verwaltungs- und kostenorientiert.

InsurTechs schließen Marktlücken, die die Branche selbst schafft

Hier entstehen Marktlücken, die von InsurTechs gefüllt werden können. Das beginnt bei der für klassische Vermittler aufwendigen Suche und Ansprache von Neukunden, die über das Internet und soziale Netzwerke preiswerter zu organisieren ist. Viele InsurTechs konzentrieren sich auf die brach liegende Betreuung der Bestandskunden und bieten Services wie digitale Versicherungsordner und nachträgliche Vertragsoptimierung an. Manche einfachen Produkte lassen sich überhaupt nur digital wirtschaftlich verkaufen. An den Point of Sale einer Handy- oder kurzfristigen Reiseversicherung kommt der klassische Vermittler gar nicht mehr, und selbst wenn, dann wäre das zu teuer.

Für klassische Vermittler stellt sich die Frage, ob InsurTechs als Gegner oder als Chance anzusehen sind. Beides kann zutreffen. Einige InsurTechs haben sich klar als Gegner der traditionellen Vermittler positioniert und versuchen, ihnen Kunden abzuwerben. Unter 31 zwischen 2003 und 2015 gegründeten InsurTechs fanden sich in einer Untersuchung von deren Webseiten allein acht Unternehmen, die mittels verbotener Provisionsabgabe Kunden anlocken. Die Masche ist, entweder Kunden beim Neuabschluss von Lebens- und Krankenversicherungen durch beratungsfreien Online-Verkauf Rabatte anzubieten oder schlecht betreute Bestandsverträge umzudecken. Das wird meist durch Zusatzangebote kaschiert. Einige Anbieter digitaler Versicherungsordner lassen sich bei der Aktivierung nebenbei einen Maklervertrag erteilen, dessen Tragweite nicht jeder Kunde überblicken wird. Die Rechtsprechung hat sich bereits mit dem Versuch befasst, im Gegenzug zum Rabatt die Beratungspflicht des Maklers per AGB ausschließen zu wollen.

Kundenbindung klassischer Vermittler steigern

Die Online-Services können jedoch auch klassischen Vermittlern über Kooperationen zugänglich gemacht werden. Einige der InsurTechs oder die ersten Unternehmen der „Old Economy“ wie unter anderem Maklerpools bieten sich hier den Vermittlern an. Dann stellen sie eine Bereicherung der Wertschöpfungskette dar. Der Vermittler kann die Kundenzufriedenheit und die Kundenbindung steigern, ohne dafür zeitintensiv Personal für regelmäßige Kundentermine einsetzen zu müssen.

Auch unter den Anbietern von Onlineprozessen für kleine, oft in Ergänzung zu anderen Produkten oder situationsabhängig abgeschlossenen Versicherungen gibt es sowohl solche, die konfrontativ durch exklusive Kooperationen mit Anbieter- und Handelsportalen Märkte besetzen, als auch solche, die kooperativ klassische Vermittler ansprechen. Klassische Vermittler können beispielsweise ihre Website oder Auftritte in sozialen Netzwerken um Online-­Abschlussmöglichkeiten bereichern, für die sie selbst gar keine Beratungskapazität vorhalten könnten. Vor allem überregional tätige Zielgruppenmakler sollten sich diesen Markt sehr genau anschauen, ob sich lukrative Kooperationen eröffnen lassen.

Weiteres Betätigungsfeld: Versicherungsvergleiche

Eine weitere Spielwiese der InsurTechs sind Versicherungsvergleiche, die vor allem in der Kundengewinnung wertvoll sind. Hier werden Marktnischen wie unter anderem im Gewerbegeschäft gefüllt, die der Marktführer Check24 und seine Nachahmer bisher nicht besetzt haben. Auch da lassen sich sowohl konfrontativ als auch kooperativ auf­tretende Anbieter unterscheiden. Eher selten sind bisher schließlich InsurTechs, die neue Versicherungskonzepte oder Apps zur reinen Prozessunterstützung entwickeln und zum Mitvertrieb bzw. zur Mitnutzung anbieten.

Revolution oder eher nicht?

Ob InsurTechs wirklich die ganze Branche umdrehen können, erscheint eher fraglich. Manche Anbieter wie beispielsweise die im sechsten Jahr tätige Friendsurance verfolgen zwar einen innovativen Ansatz, virale Effekte durch Aktivierung der Kunden zu schaffen. Abgesehen von einem beachtlichen Selbstmarketing sind bisher aber keine belastbaren Erfolgszahlen bekannt geworden. Fast alle InsurTechs sind in dieser Hinsicht für Außenstehende eher intransparent. Viele sind als kleine Kapitalgesellschaften nur begrenzt publizitätspflichtig. Hinter ihnen stehen nicht selten Investoren, die gar kein dauerhaftes Interesse an dem Geschäftsmodell haben, sondern es möglichst rasch „ans Fliegen bringen“ und dann verkaufen wollen. Einige InsurTechs sind als Einzelkaufleute oder als Unternehmergesellschaften (haftungsbeschränkt) unterwegs, was keine starke Kapitalbasis vermuten lässt.

Immerhin sieben von 31 untersuchten InsurTechs verfügen zudem nicht über eine Gewerbeerlaubnis als Vermittler. Dabei sind sie mindestens so nahe dran an der Vermittlung, dass sie spätestens nach Umsetzung der neuen Versicherungsvertriebsrichtlinie in deren Anwendungsbereich fallen dürften.

Zusammenfassend müssen sich klassische Vermittler derzeit wohl keine Sorgen machen, dass InsurTechs ihnen die Butter vom Brot nehmen. Aber ein Stück des Brotbelags kann es schon sein. Vermittler sollten deshalb besser frühzeitig den Brotbelag für den Kunden schmackhaft aufwerten und sinnvolle digitale Services per Kooperationen in die eigene Wertschöpfungskette einbinden.

 

Welchen Nutzen Makler durch InsurTechs haben

Portfolio der InsurTechs

Quelle: Matthias Beenken (FH Dortmund); Sascha Noack (Versicherungsforen Leipzig GmbH)

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 03/2016, Seite 86f.