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Sonderthema Expansion und Nachfolge
14. April 2016
Wenn die Nachfolge eines gebundenen Vermittlers zu scheitern droht

Wenn die Nachfolge eines gebundenen Vermittlers zu scheitern droht

Andreas Grimm erzählt anhand eines Praxisbeispiels eindrucksvoll von den Schwierigkeiten der Nachfolgeregelung bei einer Versicherungsagentur. Die für die Beteiligten überraschende Lösung ihrer Probleme: ein Wechsel zum Maklerstatus.

Vor Kurzem zog uns ein Makler als Berater hinzu, um seine familieninterne Nachfolge zu regeln. Das Besondere an dem Fall: Zu diesem Zeitpunkt war der Makler noch gar kein Makler, sondern Inhaber einer sehr rentablen Generalagentur eines Versicherungskonzerns. Als Vater und Sohn sich bei uns vorstellten, berichteten sie über einen nun schon viele Monate laufenden Verhandlungsmarathon mit ihrer Versicherungsgesellschaft. Der Sohn hat beim Vater in der Agentur gelernt und erfolgreich den Abschluss zum Versicherungskaufmann abgelegt. Er konnte erste größere vertriebliche Erfolge feiern. Klar, dass irgendwann die Frage anstand, ob der Sohn nicht in die Fußstapfen des Vaters treten und die Agentur übernehmen wolle.

Familieninterne Nachfolge

Aus der Frage wurde ein Vorsatz. Beide traten gemeinsam mit dem Wunsch einer familieninternen Nachfolge an das Versicherungsunternehmen heran, das den Wunsch freundlich entgegennahm und versprach, das Ansinnen wohlwollend zu prüfen. Es folgten weitere Gespräche und Telefonate, jedoch stets ohne greifbares Ergebnis und ohne konkrete Vereinbarungen. Der Tag des Vertragsendes rückte näher. Mit Auszahlung der Ausgleichsansprüche und dem Ausgleich des Saldos des Stornoreservekontos sollten alle gegenseitigen Verpflichtungen zwischen Seniorchef und Versicherungsgesellschaft abgegolten sein und der Vermittlervertrag zwischen dem Vater und der Gesellschaft enden. An dieser Stelle kamen wir ins Spiel. Wir sollten eine Lösung finden. Denn dem Vater war bewusst, dass der Wert seines Unternehmens deutlich höher lag als die bloße Höhe der Ausgleichsansprüche. Schließlich hatte er besondere Marktzugänge geschaffen, einen sehr loyalen und schaden­armen Kundenbestand, der – ohne dass er groß nachhelfen musste – immer wieder attraktives Neugeschäft produzierte. Wie er diesen immateriellen Wert allerdings realisieren könnte, darauf hatte er keine Antwort.

Das im Raum stehende Angebot der Versicherung erschien Vater und Sohn wenig vorteilhaft. Es schien, dass der Generationswechsel von der Versicherung auch dazu genutzt werden sollte, gewisse Privilegien der Agentur aus alten Vertragswerken zu korrigieren. Also spielten sie verschiedene Möglichkeiten durch: gerichtliches Durchsetzen des Nachfolgewunsches, Umwandlung der Agentur in eine GmbH oder Umdecken der Bestände zu einem anderen Versicherungskonzern und so weiter. So richtig glücklich waren beide mit keinem dieser Lösungsansätze. Sie wollten nicht im Streit auseinandergehen – sondern erhobenen Hauptes und natürlich mit dem Bestand des Vaters.

Vermeidung eines Rechtsstreits

Die Option eines Rechtsstreits hatte die begleitende Anwaltskanzlei sehr schnell verworfen, zu wenig stichhaltig waren die Ansatzpunkte, zu groß das Risiko eines Scheiterns. Der Bestand gehört nun einmal – so man denn wirklich von „gehören“ sprechen kann – dem Produktgeber, wenn ein Generalagent ausscheidet. Der Grat zwischen erlaubtem und unerlaubtem Vorgehen nach Ausscheiden aus einem solchen Vertragsverhältnis ist sehr schmal, es drohen schnell eine strafbewährte Unterlassungserklärung oder gar ein teurer Rechtsstreit.

Auch die Umwandlung der Agentur in eine juristische Person, also eine UG, GmbH oder gar AG, stand nur kurz zur Debatte. Sie hätte zwar die theoretische Möglichkeit geboten, die alten Vertragswerke fortzuführen und im Rahmen einer ganzheitlichen Rechtsnachfolge die Übergabe des Unternehmens vom Vater an den Sohn so zu gestalten, dass das Versicherungsunternehmen nur wenig Möglichkeiten gehabt hätte, den Generationswechsel zur internen Optimierung zu nutzen. Die Ausgleichsansprüche wären für den Senior aber verloren gewesen, denn eine juristische Person scheidet in der Regel nicht aus Altersgründen aus einem solchen Vertragsverhältnis aus, sie „lebt“ unbefristet fort.

Nachdem das Versicherungsunternehmen zu diesem Zeitpunkt eine geringe Kooperationsbereitschaft gezeigt hatte, war die bis dahin hohe Loyalität des Agenturinhabers zu „seinem“ Versicherungsunternehmen mächtig angeknackst. Aber eine Umdeckung kam für Vater und Sohn auch nicht infrage. Zum einen, weil solche Szenarien oft in die Graubereiche des Zulässigen gehen, zum anderen, weil kein zur Wahl stehender Versicherer dem Anforderungsprofil des Agenturinhabers entsprach. Mal lag es an den Konditionen für die Kunden, mal an den Deckungskonzepten oder anderen vertraglichen Klauseln, und manchmal waren es einfach die Menschen, die das jeweilige Unternehmen repräsentierten.

Lösung: Gründung eines Maklerunternehmens

So wurde die Idee geboren, ein Maklerunternehmen zu gründen. So konnten die Deckungskonzepte verschiedener Ver­sicherer und Konzeptanbieter kombiniert werden – ein optimales Portfolio für die Kunden und den Makler. Während der Gespräche mit den entsprechenden Dienstleistern gewannen die beiden interessante Erkenntnisse darüber, wie wenig mancher Anbieter sich an Recht und moralische Werte gebunden fühlt. Und dass die Vorbereitung des Umdeckungsprozesses bei seriösen Anbietern in diesem speziellen Fall einfach zu lange dauern würde. Die Frage, wie die Bestände des Vaters den Weg zu seinem Sohn finden sollten, blieb also offen. Eine rechtliche Handhabe gab es nicht, den Versicherer zur Zustimmung zu zwingen. Die Produkte der Gesellschaft wollte man sich ebenso erhalten wie den guten Zugang zu seinen Backoffice-­Bereichen. Der erste mentale Schritt zur Unabhängigkeit aber war getan.

Deutlich hörbare Umdeckungsvorbereitungen als Warnschuss für den Versicherer

Wir rieten den beiden, zweigleisig vorzugehen: Der Sohn sollte das Maklerunternehmen gründen und vertragliche Grundlagen mit weiteren Produktgebern schaffen, die Vater und Sohn während ihrer Gespräche mit anderen Anbietern kennengelernt und deren Deckungskonzepte sie für prüfenswert erachtet hatten. Der Vater sollte die Verhandlungen mit dem bisherigen Ver­sicherer fortführen und gleichzeitig deutlich wahrnehmbar mit den Vorbereitungen späterer Umdeckungsaktivitäten beginnen. Nicht im Stillen, sondern deutlich „hörbar“ für die Außendienst-Führungskräfte und für den Innendienst. Mal wurden Listen angefordert, mal flüchtig und im Vertrauen von der einen oder anderen Maßnahme erzählt, die man vorhabe – nach dem Ausscheiden selbstverständlich und nachdem der Vater im Maklerbüro des Sohnes angeheuert hätte.

Der Plan ging auf: Der Versicherer verstand, dass er die Gewerbebestände zum großen Teil verlieren würde, wenn er nicht kooperierte. Schon bald zeigte er Gesprächsbereitschaft und war zu Zugeständnissen bereit, die allen Seiten zu einer gesichtswahrenden Lösung verhalfen. Der Vater hat seine Ausgleichsansprüche gesichert und gleichzeitig die spätere Übernahme des Betriebs durch den Sohn ermöglicht – dann allerdings nicht mehr als 84er-Agentur und Einzelunternehmen, sondern als Maklergesellschaft. Steuerlich optimiert und mit einem spannenden Finanzierungsmodell durch den Senior-Chef.

Fazit

Der Versicherer hat durch sein anfängliches Taktieren zwar ohne wirkliche Not eine Agentur verloren, dafür aber einen sehr starken Makler als Freund des Hauses gewonnen. Vielleicht für beide Seiten langfristig das deutlich bessere Geschäft. Das neue Maklerunternehmen scheint schnell zu wachsen und neue Kunden zu gewinnen. Es führt damit auch künftig dem bisherigen Versicherer neue, attraktive und schadensarme Verträge zu – jedenfalls dann, wenn der Sohn die Prinzipien seines Vaters beibehält: die eines ehrbaren Kaufmanns.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 04/2016, Seite 100f.

Hinweis: Sehen Sie Andreas Grimm heute ab 11 Uhr live im AssCompact TV Experten-Talk zum Thema "Bestandsübertragung". Zur Sendung gelangen Sie hier.

 
Ein Artikel von
Andreas Grimm