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15. April 2016
Wenn Versicherer Neugeschäft einstellen und Bestände abwickeln

Wenn Versicherer Neugeschäft einstellen und Bestände abwickeln

Immer häufiger stellen Versicherer Geschäftsbereiche ein oder trennen sich gar von einem Teil ihrer Bestände, für den sie kein Neugeschäft mehr zeichnen. Zuerst waren die Schaden- und Unfallversicherungen betroffen, heute ist es auch die Lebensversicherung. Manche Versicherer schrecken aber auch davor zurück, Geschäft einzustellen – weil der Vertrieb ein komplettes Produktportfolio verlangt.

Noch vor Kurzem sorgte es für große Schlagzeilen, wenn ein Versicherer das Neugeschäft in der klassischen Lebensversicherung einstellte. Mittlerweile hat sich der Markt daran gewöhnt. Ebenso an den Begriff des Run-off – die Abwicklung von Teilbeständen von Versicherungsunternehmen.

Die Unternehmensberatung Willis Towers Watson hat im Auftrag der FWU AG vor wenigen Wochen die Gründe für eine Run-off-Entscheidung von Lebensversicherern erfragt. 87% der befragten Versicherungsvorstände nannten die hohen Kapitalanforderungen als wichtigsten Treiber für das Schließen einzelner Produktlinien. Als weitere Gründe folgten mit 80% hohe Garantien, gefolgt von zu geringer Produktprofitabilität sowie zu kleinen Portfolios. Doch auch wenn das Geschäftsfeld geschlossen wird, müssen die bestehenden Verträge weiter gemanagt werden. Immer häufiger machen das die Gesellschaften nicht mehr selbst, sondern lagern diese an spezielle Run-off-Versicherer wie etwa die DARAG aus. Dort sieht man gute Aussichten für das eigene Geschäftsmodell. „Wir glauben, dass der Run-off-Markt seinen Peak noch nicht erreicht hat, sondern weiter wachsen wird. 2016 könnte das Transaktionsvolumen erstmals auf über 4 Mrd. Euro steigen“, schätzt DARAG-Chef Arndt Gossmann die spartenübergreifende Situation in Europa ein. So sei der Run-off-Markt allein zwischen 2013 und 2014 um das Achtfache auf 1,7 Mrd. Euro angestiegen.

Mehr Run-offs auch in der Sachsparte

Run-off wird für Versicherer im deutschsprachigen Raum immer wichtiger, so auch das Ergebnis der Studie „Run-off 2016: Status quo und zukünftige Bedeutung von Run-off im deutschsprachigen Nichtleben-Versicherungsmarkt“ der Universität St. Gallen. Der Studie zufolge ist das Run-off-Volumen im Vergleich zu 2012 in Deutschland, Österreich und der Schweiz um rund 29% gestiegen. Die aktuelle Untersuchung ermittelt zum Stand Ende 2015 in den drei Ländern Run-off-Bestände in Höhe von 133,5 Mrd. Euro. Und: Der Anteil der Unternehmen, die Run-off in ihren Beständen halten, wächst. 52,9% der befragten Versicherungsunternehmen gaben an, über eingestelltes Geschäft zu verfügen. Die Bestände wollen die Versicherer immer mehr reduzieren und auslagern, so die Studienherausgeber. Mit Blick auf die Gesellschaftsformen seien hier die Aktiengesellschaften besonders aktiv. Der Hauptgrund für die aktive Reduzierung von Beständen sei im Sachbereich die Unsicherheit in der künftigen Schadenentwicklung. Wichtige Anreize für die Übertragung von Run-off an externe Dienstleister seien außerdem die Freisetzung von Kapital und die Reduktion administrativer Kosten.

Die Sachsparten mit dem größten Volumen an Run-off sind laut Studie die allgemeine Haftpflichtversicherung, die aufgrund ihrer langen Abwicklungszeiträume viel Run-off aufweist, sowie die Kraftfahrzeugversicherung, die zuletzt unter sinkender Profitabilität litt. Solche Run-off-Bestände wurden meist zwischen 1993 und 2008 gezeichnet. Die Sparten Rechtsschutz und Kreditversicherung nehmen den geringsten Anteil ein. Nach den Motiven zur Einstellung von Zeichnungsaktivitäten befragt, gaben die Versicherer mehrheitlich drei Gründe an: Die Aufgabe eines Geschäftsfeldes, einen außerplanmäßigen Schadenverlauf sowie die Konzentration auf das Kerngeschäft.

Vertrieb von Run-off nicht begeistert

Neugeschäft einzustellen oder Bestände auszulagern ist für viele Unternehmen eine strategische Entscheidung. Aber neben rechtlichen Hürden etwa bei der Übertragung von Beständen, stößt eine solche Entscheidung auch nicht in allen Unternehmensbereichen auf Gegenliebe. Denn häufig wird die Einstellung von Geschäftsfeldern eher als Folge von Missmanagement wahrgenommen. Das kann insbesondere dem Vertrieb nicht gefallen, denn häufig geht damit auch Vertrauen in den Versicherer verloren. So ist es nicht verwunderlich, dass in der oben genannten Studie zu den Run-offs in der Lebensversicherung 73% der befragten Vorstände angeben, dass sich insbesondere der Vertrieb oft gegen die Einstellung einer Produktlinie ausspricht. Unter anderem auch weil eine vollständige Produktpalette ein wichtiges Vertriebsargument sei. (bh)