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8. November 2017
Wirksame Kündigung der Unfallversicherung

Wirksame Kündigung der Unfallversicherung

Nachdem eine Unfallversicherung eine Leistung erbracht hat, besteht die Möglichkeit, den Vertrag mit dem Versicherungsnehmer zu kündigen. Fraglich ist, ob dies nach jeder erbrachten Teilleistung der Fall sein kann. Der BGH hat dazu entschieden.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sich mit Kündigungsfristen bei privaten Unfallversicherungen zu beschäftigen. Im betreffenden Streitfall umfasste der Versicherungsschutz auch die Ehefrau des Mannes. Diese hatte sich im April 2008 bei einem Sturz eine Schenkelhalsfraktur zugezogen, wodurch sie ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt bekam. Die Unfallversicherung zahlte daraufhin das Krankenhaustagegeld sowie 2009 einen Invaliditätsvorschuss und einen Endbetrag. Daraufhin kündigte die Versicherung den Vertrag unter Berufung auf folgenden Passus der Versicherungsbedingungen: „Den Vertrag können Sie oder wir durch Kündigung beenden, wenn wir eine Leistung erbracht oder Sie gegen uns Klage auf Leistung erhoben haben. Die Kündigung muss Ihnen oder uns spätestens einen Monat nach Leistung oder – im Falle eines Rechtsstreits – nach Klagerücknahme, Anerkenntnis, Vergleich oder Rechtskraft des Urteils zugegangen sein.“ Im Oktober 2009 stürzte die Ehefrau des Versicherungsnehmers erneut und erlitt eine Oberarmkopffraktur, was laut Gutachter zu einer drastischen Einschränkung der Beweglichkeit des Schultergelenks führte. Im März 2010 führte ein weiterer Sturz zu einer Fraktur am linken Knie. Der Versicherungsnehmer verlangte daraufhin Krankenhaustagegeld und Invaliditätsentschädigungen in Höhe von ca. 90.000 Euro von der Versicherung, was diese verweigerte. Nachdem die Vorinstanzen dem Versicherten Recht gaben, ging der Rechtsstreit vor den BGH.

Bis zu welchem Zeitpunkt bestand die Unfallversicherung

Laut BGH bestand der Versicherungsvertrag zum Zeitpunkt des Sturzes im Oktober 2009 noch. Da die Kündigungsfrist spätestens einen Monat nach Leistung nicht eingehalten wurde, sei die Kündigung der Versicherung nicht wirksam. Die Frist hatte mit der Zahlung des Krankenhaustagegeldes gemäß Schreiben vom 09.07.2008 begonnen und war zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung bereits abgelaufen. Nach Ansicht der Versicherung wird das Kündigungsrecht mit jeder Teilleistung (z.B. bei Zahlung des Invaliditätsvorschusses oder Endbetrags) neu begründet. Der BGH gab an, dass bei der Auslegung der Versicherungsbedingungen wichtig sei, wie ein „durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht“. Die Konsequenz der Auslegung des Versicherers wäre je nach Anzahl der von ihm erbrachten Teilleistungen laut BGH eine Vielzahl von Kündigungsrechten. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer verstehe die Klausel so, dass das Kündigungsrecht nach Leistungserbringung einsetzt. Das Sonderkündigungsrecht soll nämlich u. a. dem Versicherer die Möglichkeit zur Kündigung bieten, „wenn er Anlass hat, an der Redlichkeit des Versicherungsnehmers zu zweifeln, oder für die Zukunft weitere Schadensfälle erwartet“. Es erschließt sich daraus nicht, warum dem Versicherer bei Teilleistungen immer wieder ein Kündigungsrecht zustehen sollte. Eingeräumt hat der BGH , dass die Vorinstanzen rechtsfehlerhaft eine dauerhafte Funktionseinschränkung des Schultergelenks durch den zweiten Sturz angenommen hatten. Aufgrund dessen wurde der Fall wieder zurück ans Oberlandesgericht verwiesen. (kk)

BGH, Urteil vom 18.10.2017, Az: IV ZR 188/16