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12. November 2018
Wo doch alles Gold ist, was glänzt: Absicherung für Juweliere & Co.

Wo doch alles Gold ist, was glänzt: Absicherung für Juweliere & Co.

Juweliere und Goldschmiede stellen nach wie vor eines der schwersten Handelsrisiken dar. Entsprechend vielfältig ist der Absicherungsbedarf. Den Schutz gilt es umfassend auf das individuelle Risiko abzustimmen, sagt Julian Friedrich, Geschäftsführer der Dr. E. Wirth & Co. Assekuranzkontor GmbH.

Herr Friedrich, als Makler haben Sie sich auf die Absicherung der Uhren- und Schmuckbranche spezialisiert. Wie groß ist der Markt und wie setzt sich Ihr Kundenstamm zusammen?

Der Markt ist sehr vielfältig. Neben den klassischen Juwelieren und Goldschmieden zählen zu unserer Zielgruppe auch Auktionshäuser, Pfandleihhäuser Schmuck- und Uhrenhersteller sowie der Großhandel in Deutschland und Österreich. Im Prinzip alle, die gewerblich mit Edelmetallen und hochwertigen Uhren und Schmuckartikeln arbeiten.

Welchen Versicherungsschutz brauchen Juweliere und Goldschmiede konkret – über den üblichen Schutz hinaus?

Die Warenversicherung (am besten eine echte Allgefahren-Police) ist eine absolut notwendige Absicherung. Der Schutz eigener und fremder Ware im Rahmen einer All-Risk-Deckung ist heute wichtiger denn je. Juweliere und Goldschmiede stellen nach wie vor das – aus Sicht der Versicherungswirtschaft – schwerste Handelsrisiko dar. Die Begehrlichkeit und die Konzentration hoher Werte auf kleiner Fläche ist nirgendwo sonst so hoch und passt „in jede Reisetasche“.

Ein häufig unterschätzter und in der Beratung zurückgestellter Bereich sind die sogenannten Nebenverträge, also alle neben der Warenversicherung. Dazu gehört die Betriebshaftpflichtversicherung ebenso wie Inventar-, Glas- und Betriebsunterbrechungsversicherung. Diese bündeln wir in einer Umsatzpolice, der sogenannten Valoren MultiRisk (VMR). Auch hier findet sich selbstverständlich eine auf den Juwelier zugeschnittene Deckungserweiterung wie die Mitversicherung von speziellen Uhrmacherwerkzeugen, von Bearbeitungsschäden an Uhren und Schmucksachen sowie die Mitversicherung für Fehlalarmkosten.

Es ist von großer Bedeutung, dass der Kunde möglichst für alle Risiken ein spezielles, auf die Betriebsart abgestimmtes Deckungskonzept bekommt, das vom Versicherungsmakler konzipiert sein sollte, nicht allein vom Versicherer. Die Gründe liegen auf der Hand. Der Makler ist auch rechtlich Interessenvertreter und damit Sachwalter des Kunden, steht also auf seiner Seite – der Versicherer indes verfolgt mitunter andere Interessen, nämlich seine. Und das zeigt sich meist auch in den Deckungserweiterungen und Obliegenheiten – die Unterschiede sind erheblich.

Sie haben selbst ein Deckungskonzept entwickelt. Warum arbeiten Sie nicht mit Lösungen von Versicherern, die es auf dem Markt gibt?

Die bestehenden Lösungen der Branche sind uns nicht individuell und weitgehend genug. Insbesondere die Form der echten All-Risk ist für uns als Makler in diesem hochsensiblen Bereich ein Muss. Auch die Auswahl des Risikoträgers spielt für uns eine tragende Rolle. Voraussetzung ist neben dem finanziellen Volumen insbesondere die Kooperation im Schadenfall. Nur durch unsere jahrelange Erfahrung in diesem Bereich und durch unser spezielles Wording können wir eine verlässliche Schadenbearbeitung gewährleisten. Grundlage unseres Konzeptes ist noch immer die aus dem Englischen stammende Juwelier Block Police (Jeweller’s Block Policy), die wir stets weiterentwickeln, um den Deckungsschutz den wachsenden Ansprüchen des Handels anzupassen.

Was machen Sie dabei anders?

Wir sind nicht nur Makler, sondern betreuen den Kunden ganzheitlich in seinem Risikomanagement. Außer mit optimalem Versicherungsschutz begleiten wir unsere Kunden auch bei Modernisierungen oder Umbauten. Selbstverständlich beraten wir in Sachen Brandschutz- und Sicherheitskonzept sowie in der Zusammenarbeit mit der zuständigen Behörde oder Polizei. Durch unser großes Netzwerk an Partnerfirmen können wir zahlreiche Fachfirmen vermitteln. Zudem können wir mit unserem jahrelangen Know-how in der Valorenbranche den Versicherungsschutz des Kunden auf seine individuellen Bedürfnisse anpassen sowie Risiken im Vorhinein erkennen und verhindern. Die Betreuung des Kunden steht bei uns ganz klar im Vordergrund, denn auch unterjährig gilt es den Kunden zu unterstützen, egal ob Messeteilnahme, die temporäre Erhöhung der Versicherungssummen wegen Ausstellungen oder Präsentationen, Ausfall der Einbruchmeldeanlage oder Versendung von hochwertigen Uhren oder Edelsteinen.

Was passiert etwa mit besonderen Fällen: Kundenschmuck wird gestohlen, ein Reparaturstück wird beschädigt, Transportschäden treten auf?

Unsere Juwelier Block Police bietet Deckungsschutz für alle der genannten Schäden, ausgenommen von Reparaturschäden (diese sind über unsere spezielle Betriebshaftpflichtversicherung mitversichert). Wir machen keinen Unterschied zwischen Kundenschmuck, Bargeld oder Handelsware – alles gilt unter dem Mantel der Juwelier Block Police als mitversichert. Bei Transportschäden unterscheiden wir zwischen Versendungen und Reisewarenlager. Für beides haben wir in der Juwelier Block Police weitgehende Regelungen getroffen, welche auf Kundenwunsch selbstverständlich angepasst werden können.

Gibt es auch Schutz vor dem Ankauf von Diebesgut?

Absicherung bei Ankauf von Diebesgut gibt es vornehmlich für Pfandleihhäuser. Hier haben wir die Police in Zusammenarbeit mit dem Zentral­verband der Pfandleiher dahingehend erweitert, dass wir Ankauf und Beleihung von Ware mit „Rechten Dritter“ mitversichern. Darunter fällt Diebesgut, Insolvenzmasse als auch jede andere Konstellation, bei der der Verpfänder nicht rechtmäßiger Eigentümer ist. Bei Juwelieren ist der Bedarf einer solchen Deckung bisher noch nicht aufgetreten, was aber nicht heißt, dass wir es nicht versichern würden. Anders verhält es sich beim Ankauf von Plagiaten. Hier sehen wir insbesondere im stark wachsenden Markt für hochwertige Vintage- und Gebrauchtuhren ein erhebliches Risiko, unwissentlich Plagiate zu erwerben. Denn auch die Fälschungen werden mit der steigenden Nachfrage immer besser und sind teilweise für erfahrene Uhrmacher nur noch schwer vom Original zu unterscheiden. Es werden mitunter echte Markenwerke und Edelmetalle für die Herstellung solcher Plagiate genutzt. Teilweise kosten diese Plagiate bis zu 2.500 Euro. Der Schaden durch den Ankauf eines solchen Plagiats kann schnell im fünfstelligen Bereich liegen. Auch hierfür bieten wir Deckungsschutz, ohne Selbstbeteiligungen oder praxisfremde Auflagen.

Sie bieten auch Maklerkollegen Ihr Konzept an. Welche Dinge sollten Makler für die Beratung von Juwelieren unbedingt wissen bzw. beachten?

Für die Vermittlung unserer Juwelier Block Police bedarf es keiner gesonderten Kenntnis, die über die klassische gewerbliche Sach- und Haftpflichtversicherung hinausgeht. Im Speziellen sollte man jedoch zwischen dem kleinen bis mittleren Juwelier (Warensumme bis 500.000 Euro Einkaufspreis) und dem hochwertigen Markenkonzessionär (Konzessionen wie Rolex, Patek Philippe und ähnliche Marken) unterscheiden. Für den kleinen bis mittleren Juwelier bieten wir die sehr einfache und verständliche Juwelier Block Compact Police (JBC) an. Für diese Police müssen Kunden einen Sicherungsfragebogen ausfüllen und den Jahresnettoumsatz angeben, um von uns ein verbindliches Angebot zu erhalten. Der Sicherungsfragebogen ist für jeden Kollegen aus der Sachversicherung ausfüllbar und anders als bei den meisten Versicherern leicht verständlich, ebenso wie die Police und die in Prozent vereinbarten Limits. Der Versicherungsnehmer hat nur eine Gesamtversicherungssumme für eigene und fremde Waren. Davon werden automatisch prozentual Höchstentschädigungen festgelegt.

Es bleibt dem Kunden überlassen, ob und zu welchem Zeitpunkt er diese Grenzen nutzt, zum Beispiel bei Erhalt von Auswahlen, der Weihnachtsdekoration oder Annahme von Reparaturwaren. Der Juwelier hat mit einem festen Prozentsatz – beispielsweise 60% von 400.000 Euro tagsüber in den Schaufenstern – nicht nur einen komfortablen Rahmen, sondern weiß klipp und klar, woran er ist. Ändert der Kunde die Gesamtsumme, so ändern sich automatisch alle Limits im Verhältnis. Auch Warensendungen und Werte außerhalb des Betriebes sind in ausreichender Höhe automatisch versichert. Selbst der Prämiensatz für die JBC ist transparent, dieser beträgt 8‰ auf den Warenwert (zum Einkaufspreis). Spezieller wird es im Bereich der hochwertigen Juweliere; hier bedarf es in der Regel einer detaillierten Abstimmung der Sicherungen und Limits.

Über welche Sicherheitsvoraussetzungen bzw. -standards müssen die jeweiligen Geschäfte verfügen, um überhaupt Versicherungsschutz zu erhalten?

Im Gegensatz zu den meisten Versicherern haben wir keine fixen „Mindeststandards“. Wir beurteilen jedes Risiko individuell. Der Anspruch an die Sicherungen ist maßgeblich abhängig von dem zu versichernden Possible maximum Loss (PML). Hier wird primär zwischen offener und verschlossener Aufbewahrung tagsüber und nachts unterschieden. Das jeweilige PML bestimmt in der Regel die Sicherungsklasse und damit die Anforderungen an mechanische und elektronische Sicherungen des Betriebes (Türen, Fenster, Rahmungen, Schlösser, Safe, Schleuse, Alarmanlage etc.), um es versicherbar zu machen. Versicherer verwenden im Bereich der kleineren und mittleren Juwelierrisiken aus Gründen vermeintlicher Vereinfachung sogenannte Mindestsicherungen, Auflagen und damit Obliegenheiten. Diese werden mit Abschluss damit automatisch vorausgesetzt und sind dem Kunden mitunter unbekannt – eine erhebliche Gefahr im Schadenfall. Gerade für den unerfahrenen Versicherungsvermittler kann es hier zu großen Haftungsrisiken kommen, sofern der Versicherungsnehmer nicht ausführlich auf diese Mindest­sicherungen hingewiesen wurde.

Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass es den standardisierten Juwelier- bzw. Goldschmiedebetrieb nicht gibt, ein „Sicherungskatalog“ also nur als Orientierung dienen darf. Vornehmlich ist darauf zu achten, dass im Falle eines versuchten Einbruchs die guten mechanischen Sicherungen diesen entweder verhindern, zumindest aber erschweren bzw. verzögern, und zeitgleich die Alarmanlage auslöst. Der Faktor Zeit ist dabei entscheidend sowohl für die Abschreckungswirkung als auch für das Zeitfenster der Täter, denn der Einbruch selbst dauert meist nur wenige Minuten. Ein Sicherungskonzept muss grundsätzlich im Gesamtkontext des individuellen Risikos gesehen werden. Eine kompetente Beratung im Interesse des Kunden zeichnet sich eben nicht durch pauschale Einstufung und Anwendung nach Sicherungsklassen, Vorschriften und VDS-Klassen aus, sondern durch das Erkennen neuralgischer Punkte, die auch jenseits einer Norm liegen können.

Ist Einbruch denn überhaupt das größte Risiko? Oder geht es häufig auch um Verlust oder Beschädigung?

Das Besondere im Juwelierbereich ist ganz klar das Großschadenrisiko. Neben Einbrüchen und Raubüberfällen sind zunehmend auch einfache Diebstähle, Trickbetrug, Versendungen und Erpressung große Gefahrenquellen, welche oft lückenhaft oder nicht versichert sind. Aber auch die Unachtsamkeit des Mitarbeiters beim Ein- und Ausdekorieren kann in diesem hochwertigen Bereich zu teuren Schäden führen. Auch der bereits angesprochene Ankauf von Plagiaten kann bei hochwertigen Uhren schnell einen Schaden im fünfstelligen Bereich anrichten.

Natürlich interessiert es uns auch, mit welchen erwähnenswerten Schadenfällen – ob nun Einbruch oder Beschädigung – Sie zu tun hatten. Dürfen Sie uns dazu etwas verraten?

Viel darf ich dazu leider nicht erzählen. Sicherlich spektakulär und mit großem Schaden auch an der Fassade sind die Einbrüche mittels gestohlener Fahrzeuge oder durch selbst gebaute Rammen. Auch die sogenannten Rififi-Einbrüche (Einbruch durch Decken und Wände) teils durch ganze Parkdecks lassen uns in der Schadenbearbeitung manchmal staunen. Der wohl spektakulärste Juwelenraub war im Jahr 2014 bei Cartier in Paris. Hier stürmten zwei mit Kalaschnikows bewaffnete Männer die Boutique, nahmen eine Geisel und lieferten sich daraufhin eine Schießerei mit der Polizei. Anschließend kam es zu einer Verfolgungsjagd durch Paris.

Das wirklich Beunruhigende ist, dass die Raubüberfälle immer brutaler und die Täter immer skrupelloser werden. Wichtig ist beim Risikomanagement mit dem Kunden somit auch die Beratung seines Risikos im privaten Bereich. Denn strahlt das Geschäftliche bei Juwelieren doch häufig auch ins Private, teils wird Handelsware mit nach Hause genommen und auch die Erpressungsthematik im Privaten gewinnt aufgrund des mittlerweile hohen mechanischen Sicherungsstandards leider immer mehr an Bedeutung. Daher ist auch die Beratung in diesem Bereich unumgänglich geworden. Besonders wichtig nach einem Raubüberfall ist die psychologische Akut-Intervention und die damit verbundene Unterstützung der Betroffenen.

Sie sichern auch Auktionshäuser und Pfandleihhäuser ab. Was sind hier die Besonderheiten?

Bei der Versicherung von Auktionshäusern und Pfandleihhäusern setzen wir einen Wertsachenanteil von mindestens 70% voraus. Diese Auktionshäuser und Pfandleihhäuser sind von ihren Werten sicher ähnlich wie Juweliere zu betrachten, jedoch ist die Aufbewahrung der Ware grundlegend unterschiedlich. Bei Pfandleihhäusern handelt es sich rein um Ware von Dritten, die im gesicherten Lagerbereich bzw. Safe aufbewahrt wird. Hier gibt es in der Regel keine oder zumindest deutlich weniger Waren im Schaufenster oder in der Auslage. Weiterhin gibt es im Bereich der Pfandleihhäuser eine Ver­sicherungspflicht (§ 8 Pfandleiherverordnung).

Der Pfandleiher hat das Pfand mindestens zum doppelten Betrag des Darlehens gegen Feuerschäden, Leitungswasserschäden, Einbruchdiebstahl sowie gegen Beraubung zu versichern. Dieser „Grundversicherungsschutz“ ist heutzutage natürlich nicht mehr ausreichend und auch hier empfehlen wir eine echte Allgefahren-Police. Die Schadenfrequenz ist hier aufgrund der für Dritte oft nicht erkennbaren Begehrlichkeit geringer. Jedoch bestehen in der Absicherung andere Besonderheiten wie zum Beispiel die Mitversicherung von Zinsen und Gebühren und Vorsorge (Mehrforderung der Verpfänder).

Bei Auktionshäusern geht es natürlich auch um die Besonderheit der Versteigerung, die Lagerung der Ware im Versteigerungslokal, Versendungen und Empfang von Valoren der Klasse II und insbesondere die verschiedenen Entschädigungsgrund­lagen für Auktionsware (vor und nach der Versteigerung), Pfänder, Handelsware und Kommissionsware.

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 11/2018, Seite 40 ff.

 
Ein Artikel von
Julian Friedrich