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25. September 2019
„Berater und Anleger sollten weniger auf Werbeversprechen setzen“

„Berater und Anleger sollten weniger auf Werbeversprechen setzen“

Zwischen Ernährungs- und Investmentplänen gibt es zahlreiche Gemeinsamkeiten. Davon ist Dr. Stefan Tremel, Autor und Inhaber der Dr. Tremel – Kanzlei für Vermögensmanagement, fest überzeugt. Wie die zahlreichen Diät-Tipps sollten zum Beispiel auch die meisten verlockenden Investmenttipps ignoriert werden. Stattdessen sollten Kunden und ihre Berater sich auf die Erkenntnisse der Wissenschaft konzentrieren.

Herr Dr. Tremel, Sie haben vor Kurzem den Ratgeber „Die Anleger-Diät“ herausgebracht. Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Ernährungs- und Investmentplänen?

Viele Ernährungsdiäten und die meisten Investmenttipps haben die Gemeinsamkeit, dass sie verlockend klingen, aber langfristig keinen Erfolg bringen. Beide versprechen, scheinbar gegensätzliche Ansprüche durch ein neuartiges Konzept zu vereinbaren. So wie die aktuelle Sommerdiät eine schnelle und leichte Strandfigur verspricht, so empfehlen Finanzzeitungen momentan zum Beispiel die Investition in den Zukunftstrend künstliche Intelligenz. Die Ernährungsindustrie unterstützt die verschiedenen Diät-Trends mit neuen Nahrungsmittelkreationen, seien sie nun light, cholesterinarm oder vegan. Auch die Finanzindustrie unterstützt die jeweiligen Modewellen im Investmentbereich mit immer neuen Produkten, nehmen Sie Robotik-ETFs, Dividendenfonds oder Bitcoin-Zertifikate.

Wie sollen Anleger mit der Flut an Investmenttipps umgehen?

Eine für viele Anleger sicher sehr schwierige Frage, denn was oder wem soll man bei all dem Medienlärm und der Heerschar an Beratern mit teils gegensätzlichen Ansichten glauben? Wissenschaftliche Forschung hat uns in den letzten 150 Jahren enorme Fortschritte in fast allen Bereichen des Lebens ermöglicht. Ich halte es für sinnvoll, dieses Prinzip auch in der Geldanlage zu beherzigen. Berater und Anleger sollten weniger auf Werbeversprechen der Finanzindustrie setzen, sondern sich auf wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse stützen. So hat der Nobelpreisträger Eugen Fama nachgewiesen, dass die Kapitalmärkte sehr effizient arbeiten und in den aktuellen Kursen alle Fakten, Hoffnungen, Erwartungen und Gerüchte eingepreist sind. Daher ist es nicht dauerhaft möglich, aufgrund eines Informationsvorsprungs den Markt zu schlagen. Wenn Anleger diese Erkenntnis ernst nehmen, kann das zu einer erheblichen Entspannung beitragen: Sie müssen nicht ständig den neusten Finanznachrichten hinterherjagen. Blenden Sie den täglichen Medienlärm aus und konzentrieren Sie sich stattdessen auf die Grundprinzipien des Marktes und eine langfristige, solide Investmentstrategie!

Ist das Thema Geldanlage für Laien nicht zu kompliziert?

Anleger sollten sich zunächst darüber klaren werden, welche Ziele sie mit der Geldanlage verfolgen: Wann wird das Geld benötigt? Wie viel Rendite ist mir wichtig? Wie viel Schwankung halte ich aus?

Bei der Umsetzung der Investmentstrategie ist die schiere Anzahl der angebotenen Finanzprodukte in der Tat unüberschaubar – ständig werden vielversprechende Neuheiten vorgestellt und erfolglose Anlageprodukte werden wieder vom Markt genommen. Um sich hier zu orientieren, sollten sich Anleger auf die Grundprinzipien der Geldanlage besinnen. In meinem Buch habe ich versucht, diese verständlich darzustellen, und in der Folge kann man Finanzprodukte leichter einsortieren: Welchen Managementstil hat der Investmentfonds – aktiv, passiv oder regelbasiert? Worauf bezieht sich das Produkt – wird ein Modetrend beworben oder wird damit ein dauerhaft belegbares Prinzip in der Geldanlage umgesetzt?

Anders als in der Werbung dargestellt, gibt es zum Beispiel keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass aktive Fondsmanager den Markt langfristig schlagen können. Anleger sollten daher eher zu passiven Indexfonds und zu Fonds greifen, die nach rationalen Regeln gemanagt werden. Aktiv gemanagte, prognoseorientierte Fonds verursachen höhere Kosten und bringen dauerhaft keinen Mehrertrag.

Um noch mal einen Vergleich zur Ernährungsindustrie zu ziehen: Von den im Supermarkt angebotenen Produkten brauchen Sie nur eine geringe Anzahl für eine gesunde und ausgewogene Ernährung. Viele der beworbenen Nahrungsmittel sehen zwar verlockend aus, sind für unsere Gesundheit aber eher negativ. Ähnlich verhält es sich am Finanzmarkt – wer die Grundprinzipien der Wertentwicklung verinnerlicht hat, kann sich mit einer überschaubaren Anzahl an Investmentfonds gezielt eine solide Vermögensstruktur aufbauen. Die meisten der schicken Finanzkonstrukte kann man getrost im Regal stehen lassen.

Was sind die wesentlichen Punkte einer guten Geldanlage?

Wichtig ist, sich eingehend mit den Funktionsweisen und Zusammenhängen des Kapitalmarkts zu beschäftigen. Auf dieser Basis sollte man sich für eine Investmentstrategie entscheiden, der man dauerhaft treu bleiben kann. Aktionismus und das Hin- und Herspringen zwischen immer neuen Modetrends und Entscheidungen aufgrund von tagesaktuellen Finanznachrichten wirken sich fatal auf die Anlegerrendite aus. Daher ist es wichtig, den mit Bedacht ausgewählten Investmentkurs auch in unruhigem Fahrwasser beizubehalten. Die eingesetzten Anlageprodukte sollten eine nachvollziehbare Funktionsweise und einen verständlichen Aufbau haben, die Umsetzung sollte kosteneffizient erfolgen. Wenn Sie sich für eine Anlageberatung entscheiden, achten Sie darauf, an wen Sie sich wenden: Für welchen Anlagestil steht der Berater? Das gilt auch oder gerade für die sogenannten Robo-Berater, bei denen man sich nicht einem Menschen, sondern einem Computer-Programm anvertraut.

Der wichtigste Punkt einer guten Geldanlage ist nämlich, dass sie zu den Zielen des Kunden und seiner Lebenssituation passt – eine Geldanlageentscheidung sollte immer in eine umfassende Finanzplanung eingebettet sein. Diese lässt sich nur mit einem versierten und engagierten Berater aus Fleisch und Blut erstellen.

Sie waren jahrelang als Finanzberater und Trainer in einem großen Finanzdienstleistungsunternehmen tätig. Was sind Ihre wichtigsten Erkenntnisse aus dieser Zeit?

Viele Berater bemühen sich, für Ihre Kunden gute Anlageergebnisse zu erzielen. Auf der Suche nach der passenden Strategie und den besten Produkten verlieren sie sich jedoch oft im Dickicht teils gegensätzlicher Investmentratschläge und einer unüberschaubaren Produktvielfalt. Die Geldanlage ist im Berateralltag oft nur eine Sparte neben anderen und im Tagesgeschäft fehlt meist die Zeit für eine fundierte Beschäftigung mit der Materie.

In größeren Unternehmen gibt es eine „Hausmeinung“ mit empfohlenen Anlageprodukten, an die sich Berater mehr oder weniger streng zu halten haben. Solche Vorgaben können einerseits Leitplanken im Kundengespräch sein, um im Unternehmen einigermaßen konsistente Beratungsergebnisse zu erhalten. Andererseits unterliegt die Vertriebssteuerung jedoch hauptsächlich dem Kriterium der Margenoptimierung. Ein optimales Anlageergebnis für den Kunden ist somit ein Punkt neben anderen bei der Produktauswahl. Entscheidend ist vor allem die Frage, was sich gut verkauft.

Welche Fehler machen Berater besonders oft?

Wer als Berater immer den aktuellen Investmenttrends folgt, macht es sich im Kundengespräch erstmal einfach. Der Kunde hat entweder eh schon davon gelesen oder man kann seine Empfehlung mit zahlreichen Presseartikeln untermauern. Da sich die Modetrends aber immer wieder ändern, führt dies im Lauf der Jahre zu einer sprunghaften und inkonsistenten Investmentstrategie. In den allermeisten Fällen wird die mögliche Rendite des Kunden dadurch deutlich gemindert.

Ein weiterer grundsätzlicher Fehler ist es, aus der Performance in der Vergangenheit auf die zukünftige Rendite eines Anlageproduktes zu schließen. Der Klassiker im Fondsverkauf ist beispielsweise, die Performance der letzten drei oder fünf Jahre heranzuziehen. Wer in einer solchen Rangliste am besten abgeschnitten hat, gilt als Kaufempfehlung. Hält der Kunde Fonds, die auf den hinteren Plätzen liegen, wird ihm zum Verkauf geraten. Zahlreiche wissenschaftliche Analysen zeigen jedoch, dass zwischen den Renditen der Vergangenheit und denen der Zukunft keine Korrelation besteht. Die Entwicklung einzelner Wertpapiere vorherzusagen, ist schlichtweg nicht möglich, den Blick in die Glaskugel kann man sich sparen. Viel sinnvoller ist es, sich auf die für den Gesamtmarkt langfristig verlässlich vorhandenen Renditen von Aktien und Anleihen zu verlassen.

Bild: © Chris Titze Imaging – stock.adobe.com

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 09/2019, Seite 72 f. und in unserem ePaper.