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17. August 2015
„Die Akzeptanz der Videoberatung steigt bei den Vermittlern langsam, aber sicher“

„Die Akzeptanz der Videoberatung steigt bei den Vermittlern langsam, aber sicher“

Die Digitalisierung der Versicherungsbranche ist ein großes Thema. Ein Teilaspekt ist die Videoberatung, die neben finanziellen Ersparnissen vor allem die Kundenbindung stärken und die Kundenzufriedenheit steigern soll.

Interview mit den Videoberatungs-Experten Dominik Vollrath und Julius Kretz

Herr Vollrath, Herr Kretz, wie ist Ihr Gefühl: Geht es mit der Videoberatung im Vermittlermarkt voran?

Dominik Vollrath: Wir haben festgestellt, dass die Akzeptanz der Videoberatung bei Vermittler sukzessive steigt. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass das Thema „Digitalisierung“ momentan sehr stark in den Medien präsent ist. Nicht zu unterschätzen sind in diesem Zusammenhang Finanztechnologie-Unternehmen, sogenannte FinTech-Unternehmen, die aufgrund von geringen Eintrittsbarrieren in den Markt drängen und versuchen, mit innovativen Konzipierungen die veralteten Konstrukte zu revolutionieren. So wird schon heute die persönliche Beratung teilweise durch automatisierte Prozesse ersetzt. Dies ist hauptsächlich bei standardisierten und vergleichbaren Versicherungsprodukten, wie beispielsweise KFZ- und Haftpflichtversicherung, der Fall. Dadurch steigt der Handlungsdruck auf den klassischen Vermittlermarkt. Nur durch entsprechendes Agieren auf die veränderten Marktgegebenheiten können sie langfristig gegenüber dem Wettbewerb bestehen.

Julius Kretz: In der Person des Vermittlers liegt, auch heute noch, ein wichtiger Stellhebel für den erfolgreichen Verkauf von Versicherungsprodukten. Die persönliche Beratung der Vermittler bleibt ein starkes Alleinstellungsmerkmal gegenüber den digitalen Playern. Die Frage, die sich stellt, ist: Wie kann dieses Alleinstellungsmerkmal digitalisiert werden? Die Videoberatung eignet sich hierfür ideal und führt zu einem Erhalt der klassischen Vermittlung durch die eine Transformation der persönlichen Beratung. Genau das erkennen die Vermittler nach und nach und lassen sich dementsprechend immer stärker auf die digitalen Verkaufskanäle ein. Die Geschwindigkeit des Wandels wird momentan durch die FinTech-Unternehmen vorgegeben. Wir haben das Gefühl, dass trotz zunehmender Akzeptanz der Videoberatung im Vermittlermarkt die Geschwindigkeit des Wandels nicht ausreichend ist.

Sie selbst begleiten einige Projekte. Wie sehen diese aus?

JK: Grundsätzlich besteht die eigentliche Herausforderung in den einzelnen Projekten darin, einen unternehmenskulturellen Wandel zu implementieren. Das ist im Endeffekt die größte Hürde. Damit steht weniger die Technologie im Vordergrund, sondern vielmehr ein Change-Prozess. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass durch die erfolgreiche Pilotierung der Videoberatung dieser Prozess schnell vorangetrieben werden kann und die Thematik Videoberatung sich ideal für den Anstoß der Digitalisierung eignet. Dabei ist es wichtig, bereits zu Beginn eine offene Kommunikation innerhalb des Unternehmens zu pflegen und verschiedene Abteilungen, auch über die IT hinaus, in das Projekt miteinzubinden. Zunächst ist es wichtig, die Erwartungen und Anforderung der jeweiligen Unternehmen zu spezifizieren. Bei der Softwareauswahl sollten skalierbare Lösungen eingesetzt werden, bei denen die Usability und die Abdeckung des gesamten Beratungsprozesses im Vordergrund stehen.

DV: Der übliche Ablauf ist dementsprechend die Entwicklung eines Anforderungskatalogs, die Softwareauswahl und darauf aufbauend die Pilotierung mit meist 20–50 Vermittlern. Während der Pilotphase sollte ein intensiver fachlicher und technischer Support sichergestellt werden. Die finanzielle Belastung innerhalb der Testphase sind je nach Anbieter vergleichsweise gering, während die Chancen in puncto Kosteneinsparung, kulturellem Unternehmenswandel und Kundenzufriedenheit extrem hoch sind.

Welche Erkenntnisse können Sie und die Versicherer daraus ziehen?

DV: Wie bereits erwähnt, ist es vorerst unerheblich, ob einzelne Projekte letztendlich einen ökonomischen Mehrwert bieten. Vielmehr steht die Steigerung der Kundenzufriedenheit beziehungsweise die Erfüllung der Kundenbedürfnisse im Vordergrund. Ebenfalls werden Veränderungsprozesse und Innovationsbereitschaft der Unternehmen vorangetrieben. Wenn dann die Videoberatungslösung noch regelmäßig zum Einsatz kommt, sind schlussendlich ökonomische Mehrwerte in Form von Kostenersparnissen und Steigerung der Konversationsrate garantiert.

In den durchgeführten Projekten wurde ersichtlich, dass für die Transformation des persönlichen Vertriebs- und Beratungsprozesses eine singuläre Videoberatungslösung nicht ausreichend ist. Vielmehr ist es notwendig, den gesamten Prozess mit einer ganzheitlichen Lösung abzubilden. Die Software muss demnach eine Terminfunktion, Screensharing- und Whiteboard-Funktionalitäten, einen gesicherten Dokumenten- und Nachrichtenaustausch sowie langfristig den Vertragsabschluss und die Videoverifikation beinhalten.

JK: Durch ein Kunden-Login kann zudem gewährleistet werden, dass der Kunde innerhalb der gesamten Customer Journey beraten und betreut wird. Insofern muss sichergestellt werden, dass das zu verwendende Tool nicht auf eine einmalige Service-Leistung ausgelegt, sondern auf eine langfristige Kundenbeziehung fokussiert ist.

Rückblickend betrachtet ist zudem zu empfehlen, dass ein regelmäßiger Austausch unter den Pilotteilnehmern gewährleistet wird, um Einzelerfolge motivierend zu nutzen und aus Misserfolgen Handlungsmaßnahmen abzuleiten. Bereits in der Kick-off-Veranstaltung sollte ein fachlicher Trainer mit dem Themenschwerpunkt Online- und Videoberatung miteinbezogen werden, der das Projekt über die gesamte Laufzeit unterstützt. Vor allem die emotionale Ansprache innerhalb des digitalen Beratungsprozesses sollte intensiv geschult werden. Interessant zu beobachten war, dass innerhalb der Pilotphase die Nutzung der Videoberatung durch ortsnahe Kunden ebenfalls stark in Anspruch genommen wurde.

Sie haben uns in einer Vorabinformation mitgeteilt, dass Sie eine „ganzheitliche Rentabilitätsanalyse“ für die Videoberatung erarbeiten wollen. Haben Sie hier schon Ergebnisse und an welchen Parametern bemessen sich die Berechnungen?

DV: Hinsichtlich der Auswertung der quantitativen Ergebnisse wurde ersichtlich, dass der Einsatz der Videoberatung im Versicherungsvertrieb eine Kosten- und Zeitersparnis in dreistelliger Höhe pro Vermittler im Monat, nach vollständiger Etablierung des Systems in den Vermittleralltag, ermöglicht. Damit können Investitionskosten, wie beispielsweise die Einmalrichtung und die Mietgebühr pro Account amortisiert werden.

Folgende Beispielrechnung verdeutlicht die Einsparpotenziale:

„Die Akzeptanz der Videoberatung steigt bei den Vermittlern langsam, aber sicher“

JK: Im Vergleich zu anderen Digitalisierungsmaßnahmen können durch die Einführung einer ganzheitlichen Videoberatungslösung Mehrwerte für eine Vielzahl von Stakeholdern generiert werden. Aus Kundensicht werden Bedürfnisse hinsichtlich gesteigerter Service- und Beratungswünsche zufrieden gestellt. Daraus ergibt sich eine tendenzielle Steigerung des Customer-Lifetime-Values und damit verbunden eine entsprechende Umsatzerhöhung für den jeweiligen Vermittler. Ein weiterer signifikanter Mehrwert für Vermittler ist die dargestellte Kosteneinsparung und die erhöhte Termindichte, da Zeiten für An- und Abreise zum Kunden ausbleiben.

Wie sehen Sie die Entwicklungen bei Apps und Fintech-Unternehmen (außerhalb der Videoberatung)? Entdecken Sie dort Interessantes oder eine Richtung, die langfristig funktionieren kann?

JK: Die meisten FinTech-Unternehmen fokussieren sich vor allem auf automatisierte Prozesse. Insbesondere der Gedanke der Kundenportale bzw. digitaler Versicherungsordner und damit verbunden der automatisierten Tarifoptimierung stehen im Vordergrund. Die größte Kunst ist es, die Attraktivität der Applikationen zu gewährleisten, denn anders als Online-Banking-Apps sind Versicherungs-Apps erstmal unattraktiv. Diesbezüglich gibt es verschiedene Ansätze, um Mehrwerte für den Kunden zu generieren. Beispielsweise über die Integration des Online-Bankings, Strom- und Gasvergleiche oder das Anbieten einer Best-Price-Garantie. Ebenfalls von großer Bedeutung ist die Frage: Wie kommen die Versicherungspolicen in die App? Auch hier wird sich am Ende die Spreu vom Weizen trennen. Die Technologien sind bei vielen Anbietern identisch, am Ende entscheiden die jeweiligen Mehrwerte, wer sich langfristig durchsetzen wird.

DV: Ebenfalls ein wichtiges Thema ist hier die Transparenz gegenüber dem Kunden. Die Anbieter fordern für die Nutzung oftmals eine Maklervollmacht. Erst nach digitaler Erteilung können die Funktionalitäten vollständig genutzt werden. Die Frage, die sich stellt ist, ob dem Kunden bewusst ist, was er mit seiner Unterschrift auslöst und welche Auswirkungen ein vermeintlicher Test der jeweiligen Versicherungs-App hat.

Das ist momentan der wesentliche Anwendungsbereich, in dem sich eine Vielzahl von FinTech-Unternehmen bewegen. Auch der Bereich der Communities und des Onlinevertriebs am POS ist stark im Wachstum begriffen. (sg)