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25. September 2017
So reagieren Investmentexperten auf das Wahlergebnis

So reagieren Investmentexperten auf das Wahlergebnis

Der Ausgang der Bundestagswahl beschäftigt zu Wochenbeginn auch die Finanzmärkte. Die Aktienmärkte reagieren relativ gelassen auf die Ergebnisse und eine wahrscheinlich bevorstehende Jamaika-Koalition. Und auch bei den Investmentexperten der Gesellschaften herrscht keine Panik, sondern allenfalls Ernüchterung.

Lucy O’Carroll, Chefvolkswirtin von Aberdeen Standard Investments, befürchtet negative Konsequenzen. Angela Merkel müsse nun einen recht komplizierten Koalitionsvertrag aushandeln. Und dies vor dem Hintergrund des Aufstiegs der AfD in den politischen Mainstream. „Jeder, der geglaubt haben könnte, das politische Risiko in Europa habe sich aufgelöst, hat nun ein böses Erwachen erlebt“, so O’Carroll. Das Wahlergebnis werfe zudem die Frage auf, ob die Eurozone noch in der Lage ist, substanzielle institutionelle Reformen mithilfe der Achse Merkel-Macron umzusetzen. Angela Merkel dürfte sehr damit beschäftigt sein, ihre innenpolitischen Herausforderungen zu lösen.

Fels in der Brandung bekommt Risse

Eine gewisse Sorge über das Wahlergebnis äußert auch Dr. Martin Moryson, Chefvolkswirt bei Sal. Oppenheim. Für das stabilitätsorientierte Deutschland sei es ein schlechtes Zeichen, dass sich fast jeder siebte Wähler für die AfD entschieden habe und mehr als jeder vierte radikal wähle. „Deutschland erschien immer noch als Fels in der Brandung des Populismus. Dieser Fels hat nun deutliche Risse bekommen“, so Moryson. Zudem schwäche das Abschneiden der AfD Merkels Position.

Einfluss der Populisten weiter sehr gering

Tilmann Galler, Global Market Strategist bei J.P. Morgan Asset Management, will den Erfolg der AfD hingegen nicht überbewerten: „Obwohl der erstmalige Einzug der AfD in den Bundestag sicherlich ein großes internationales Medienecho auslösen wird, ist der direkte Einfluss der populistischen Parteien am rechten und linken Rand auf die deutsche Politik weiterhin sehr gering.“ Eine weitere vierjährige Amtszeit von Angela Merkel verspreche Kontinuität. Unruhe werde nur entstehen, wenn die Bundeskanzlerin daran scheitert, in den kommenden Wochen eine Koalitionsregierung zu formen. Die Märkte dürften die Bundestagswahl daher laut Galler schnell abhaken und den Blick zunehmend nach Italien richten, wo laut aktuellen Umfragen im nächsten Frühjahr ein radikaler Politikwechsel möglich erscheint.

Kaum Einfluss auf Konjunktur und Märkte

Fondsmanager Matthias Hoppe von Franklin Templeton rechnet derweil nicht damit, dass die Wahlergebnisse kurzfristig erheblichen Einfluss auf den konjunkturellen Ausblick für Deutschland haben werden. „Es wird allgemein erwartet, dass die solide Binnennachfrage, die Konsumausgaben und die Investitionen das robuste Wachstum des Bruttoinlandsprodukts auch weiterhin unterstützen werden“, so Hoppe. Die neue Regierung könnte sich zwar für eine leichte Steuersenkung für die Mittelschicht aussprechen oder sogar einer Anhebung der Infrastrukturausgaben zustimmen. Der Experte bezweifelt aber, dass das bedeutende Auswirkungen auf die Aktienmärkte haben würde.

Nicht mehr als ein Denkzettel

Auch Christian von Engelbrechten, Fondsmanager des Fidelity Germany Fund, sieht das Wahlergebnis relativ gelassen. „Die Deutschlandwahl ist zwar ein Denkzettel für die beiden großen Volksparteien. Aber sie wird langfristig keine negativen Marktreaktionen auslösen. Kurzfristige Schwankungen sind eher Kaufgelegenheiten“, so von Engelbrechten. In den letzten Jahren habe es keine großen Reformen gegeben. Im Falle einer Jamaika-Koalition könnte hier neuer Schwung entstehen. Für welche Wirtschaftsbereiche das positiv oder negativ wäre, hänge aber letztlich davon ab, welche Forderungen die kleinen Koalitionsparteien umsetzen können.

Konjunktursensible Titel meiden

Von Engelbrechten geht insgesamt davon aus, dass die stabile und solide, aber eher reformarme Politik mit wenigen Wachstumsimpulsen zugunsten eines ausgeglichenen Staatshaushalts fortgesetzt wird. „Die deutschen Unternehmen werden sich damit wie bisher gut arrangieren. Anleger sollten aber Unternehmen meiden, die ein besonders positives Wirtschaftsumfeld brauchen, um sich gut zu entwickeln“, so von Engelbrechten.

Augenmaß und Schnelligkeit gefordert

Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) ruft am Tag nach der Wahl vor allem zum schnellen Handeln auf. „Wichtig ist nun, dass eine verlässliche und stabile Regierung gebildet wird, die die Herausforderungen der Innen- und Außenpolitik in den nächsten Jahren meistern kann. In der Finanzmarktpolitik gilt: Augenmaß bei der Regulierung.“ Zudem sei es an der Zeit, die Wirkung bestehender Regulierungen zu überprüfen. (mh)