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23. Mai 2019
Krankenversicherung: GKV-Beiträge könnten bis 2060 auf 25% steigen

Krankenversicherung: GKV-Beiträge könnten bis 2060 auf 25% steigen

In den kommenden Jahrzehnten dürften die Sozialversicherungsbeiträge deutlich steigen, warnt die Deutsche Aktuarvereinigung. Für die GKV seien Beiträge von bis zu 25% bis 2060 möglich. Aber auch in der PKV würden weitere Beitragssteigerungen drohen. Die Aktuare unterstreichen daher den Reformbedarf.

Anlässlich ihrer Jahrespressekonferenz hat die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) den Reformbedarf in der privaten und gesetzlichen Krankenversicherung untermauert. Arbeitnehmer wie Arbeitgeber müssten sich in den kommenden Jahrzehnten auf deutlich steigende Sozialversicherungsbeiträgen einstellen, so die DAV. Neben der Rentenversicherung seien insbesondere die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die soziale Pflegeversicherung (SPV) betroffen. Die Aktuare sehen aber auch die private Kranken- und Pflegeversicherung vor großen Herausforderungen.

Nach Untersuchungen der DAV treibt neben dem demografischen Wandel insbesondere der medizinisch technische Fortschritt die Kosten in den Sozialsystemen in die Höhe. Außerdem würde die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung unter einer strukturellen Einnahmenschwäche“ leiden, wie der Past President der Deutschen Aktuarvereinigung e.V. (DAV), Roland Weber, unterstreicht.

GKV: Aktuare halten Beitragsanstieg auf 25% für möglich

DAV-Analysen zufolge könnten die GKV-Beiträge von derzeit 15,6% bis zum Jahr 2060 auf knapp 25% klettern. In der sozialen Pflegeversicherung rechnen die Aktuare sogar mit noch größeren Beitragssprüngen. So könnten ohne Berücksichtigung möglicher Leistungsausweitungen die Beiträge von 2,5% bis zum Jahr 2060 auf bis zu 8,5% steigen.

Auch in der PKV drohen Beitragssteigerungen

Die Aktuare erwarten aber auch in der privaten Krankenversicherung (PKV) weitere Beitragssteigerungen. Falls die Zinsen in den kommenden Jahrzehnten auf ihrem aktuell niedrigen Niveau bleiben, erhöht sich laut DAV-Berechnungen der PKV-Durchschnittsbeitrag inflationsbereinigt bis zum Jahr 2060 um den Faktor 2,7. Erholen sich die Zinsen ab 2030, ergibt sich ein Faktor von 2,4.

Beitragstreiber in der privaten Pflegepflichtversicherung

Die DAV hat auch die künftige Entwicklung der Beiträge in der privaten Pflegepflichtversicherung beleuchtet. Dabei treibt der medizinisch-technische Fortschritt neben dem demografischen Wandel die Beiträge in die Höhe. Im Extremszenario gehen die Aktuare von einer Steigerung um den Faktor 4,5 aus. Ein Vergleich von sozialer und privater Pflegeversicherung offenbare laut DAV aber das derzeit niedrige Beitragsniveau der privaten Pflegepflichtversicherung. Während Versicherte dafür monatlich durchschnittlich 30 Euro zahlen würden, liege der vergleichbare Beitrag in der gesetzlichen Pflegeversicherung für Kinderlose bei 123,90 Euro im Monat. Denn für die privatversicherten Angestellten würden aufgrund der vergleichsweise hohen Einkommen in der gesetzlichen Pflegeversicherung die Höchstbeiträge gelten.

Mit Ausbau der Telemedizin Kosten sparen

Angesichts dieser Szenarien fordert die DAV die Politik auf, die Effizienz des Gesundheitssystems weiter zu steigern. Nach Auffassung der Aktuare könne man durch den Ausbau der Telemedizin oder die Einführung einer digitalen Gesundheitskarte Kosten einsparen. „Zudem muss jede weitere Leistungsausweitung speziell in der sozialen wie privaten Pflegepflichtversicherung kritisch auf ihre langfristige Finanzierbarkeit überprüft werden. Ohne Ausgabendisziplin ist das deutsche Kranken- und Pflegeversicherungssystems nicht zukunftsfähig“, betont Weber

Beitragsentwicklung in der PKV konstanter halten

Die DAV nennt auch ein weiteres grundlegendes Problem der privaten Kranken- und Pflegeversicherung: Die Kritik an der PKV, da sich die Beiträge oftmals nicht kontinuierlich entwickeln würden, sondern teilweise große Sprünge aufweisen. „Für den Außenstehenden wirken diese Beitragssprünge willkürlich, doch in Wirklichkeit sind sie die Folge von nicht mehr zeitgemäßen, strikten gesetzlichen Vorgaben“, erklärt Weber. Er stellt ein Maßnahmenpaket der DAV vor, durch das die Beitragsverläufe privat Versicherter künftig gleichmäßiger gestaltet werden können.

DAV zu Reformmaßnahmen

Der Reformvorschlag sieht eine Neugestaltung der sogenannten Auslösenden Faktoren vor. Derzeit erlaubt das Versicherungsaufsichtsgesetz eine Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der Versicherungsbeiträge nur in zwei Fällen: Bei einer Abweichung der erwarteten von den einkalkulierten Versicherungsleistungen, zum Beispiel durch höhere Leistungsausgaben um mehr als 10%, oder bei einer Abweichung der realen von den kalkulierten Sterbewahrscheinlichkeiten um mehr als 5%. Diese Regelung halten die Aktuare für problematisch. So hätten andere Rechnungsgrundlagen wie beispielsweise Zinsen und Storno einen großen Einfluss, seien aber irrelevant für die Frage, ob die Beiträge überprüft und gegebenenfalls angepasst werden dürfen. Zudem kritisieren die Aktuare schon seit Längerem die isolierte Betrachtung der beiden Auslösenden Faktoren. Dadurch würden die jeweils einzelnen Schwellenwerte teilweise über Jahre nicht erreicht, weshalb Beitragsanpassungen häufig erst relativ spät durchgeführt werden dürften und dadurch entsprechend hoch sein könnten.

Zins bei Ermittlung der Auslösenden Faktoren berücksichtigen

Um dies zu verhindern, plädieren die Aktuare dafür, bei der Ermittlung der Auslösenden Faktoren auch den Faktor Zins zu berücksichtigen. Somit würden Änderungen des Zinsniveaus zeitnah in die Beiträge einfließen. Darüber hinaus schlägt die DAV zur Beitragsverstetigung vor, bereits bei einem Tarifwechsel innerhalb des Unternehmens für das Alter vorzusorgen. Daneben sollte der gesetzliche Prämienzuschlag flexibilisiert und der Standardtarif weiterentwickeln werden. (tk)

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