AssCompact suche
Home
Steuern & Recht
15. Juli 2019
Wer haftet beim Versuch, ein rollendes Auto aufzuhalten?

Wer haftet beim Versuch, ein rollendes Auto aufzuhalten?

Ein Mann stellt sich in Sandalen einem bergab rollenden Pkw entgegen. Ob die Kfz-Haftpflichtversicherung des Fahrzeughalters für dessen schwere Verletzungen aufkommt und zu welchem Anteil, hat das Oberlandesgericht Köln entschieden.

Wer sich in Sandalen einem bergab rollenden Pkw entgegenstellt und dabei gravierende Verletzungen erleidet, muss sich ein ganz erhebliches Eigenverschulden entgegenhalten lassen. Zu einer vollständigen Aufhebung der Haftung führt dies im entschiedenen Einzelfall jedoch nicht. Dies hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln anlässlich eines tragischen Unfallgeschehens entschieden.

Mann will BMW Mini mit den bloßen Händen stoppen

Am Unfalltag stieg die Lebensgefährtin des Klägers vor dem gemeinsamen Haus aus ihrem BMW Mini, wo der Kläger auf sie wartete. Nachdem sich beide begrüßt hatten, sprachen sie darüber, ob das Fahrzeug an einer anderen Stelle geparkt werden solle. Während dieses Gesprächs bemerkte der Kläger, dass sich der Pkw in Bewegung setzte und rückwärts die abschüssige Einfahrt hinunterzurollen begann. Daraufhin lief der Kläger hinter das Fahrzeug und versuchte, es dadurch aufzuhalten, dass er mit seinen Händen gegen das Heck des Fahrzeugs drückte. Der Kläger wurde von dem Fahrzeuggewicht jedoch niedergedrückt, kam rücklings zu Fall, wurde von dem Pkw überrollt und über eine Strecke von etwa 20 m mitgeschleift. Er erlitt schwere Verletzungen und musste reanimiert werden.

Schmerzensgeld und Schadensersatz von der Kfz-Haftpflicht?

Von dem beklagten Kfz-Haftpflichtversicherer seiner Lebensgefährtin verlangt der Kläger Schmerzensgeld und Schadensersatz sowie die Feststellung, dass eine Haftung für sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden bestehe. Das Landgericht Köln hat durch Grundurteil eine Haftung der Beklagten in Höhe von 30% festgestellt und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Mitverschulden des Verletzten von 70%

Zur Begründung führte das Gericht aus: Die Lebensgefährtin habe die Verletzungen des Klägers dadurch verursacht, dass sie den Pkw abgestellt, aber nicht hinreichend gegen ein Wegrollen gesichert habe. Der Kläger müsse sich jedoch ein Mitverschulden entgegenhalten lassen. Dieses sei zu Recht mit 70% bewertet worden. Aufgrund der Masse des Pkws, der Tatsache, dass sich dieser selbständig in Bewegung gesetzt hatte und der Kenntnis des größer werdenden Gefälles hätte der Mann wissen müssen, dass es ausgeschlossen sei, den Pkw durch ein Dagegenstemmen aufzuhalten.

Falsche Reaktion aus Bestürzung wird berücksichtigt

Das Gericht berücksichtigte aber auch, dass der Kläger spontan zum Eingreifen entschied. Eine objektiv falsche Reaktion auf ein Unfallgeschehen kann aus verständlicher Bestürzung das Mitverschulden reduzieren oder ausschließen. Da es sich um eine Augenblicksentscheidung handelte, war der Anspruch des Klägers hier also nicht vollständig ausgeschlossen. (tos)

OLG Köln, Urteil vom 05.07.2019, Az.: 6 U 234/18

Bild: © Ljupco Smokovski – stock.adobe.com

Lesen Sie auch:

Kfz-Versicherung: Gilt ein abgestelltes Auto als „verwendet“?

Wann ein elektronisches Fahrtenbuch als solches anerkannt ist