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12. Mai 2021
Digital, aber persönlich: Das erwarten junge Kunden

Digital, aber persönlich: Das erwarten junge Kunden

Junge Menschen haben andere Ansprüche an Versicherer als ältere Generationen. Welche das konkret sind und wie die Assekuranz mit modernen Ökosystemen bei jungen Kunden punkten kann, erklärt Markus Zimmermann, Leiter der Strategieberatung für Versicherungen bei Accenture (DACH).

Herr Zimmermann, was wünschen sich die Generation Z und Millennials denn von Versicherern?

Junge Kunden wünschen sich vor allem relevante Angebote. Ob sie diese von ihrem Versicherer, Amazon oder Rewe beziehen, ist ihnen erst mal gar nicht so wichtig. Für sie ist entscheidend, dass Produkte und Services ihre Bedürfnisse adressieren, und zwar dort, wo sie entstehen. Die Absicherung des eigenen Risikos ist natürlich weiterhin eines dieser Bedürfnisse – doch es knüpft für Millennials viel stärker an den eigentlichen „Trigger“ an.

Nehmen wir das Beispiel Urlaubsreise: Hier spielen für junge Kunden individuelle Reiserouten und Flexibilität während des Trips eine immer größere Rolle. Anbieter wie Airbnb oder booking.com machen kurzfristige Planänderungen problemlos möglich. Dadurch verändert sich natürlich auch der Versicherungsbedarf. Eine pauschale Absicherung der gesamten Reise zu Beginn ist nicht mehr in der Form nötig, da die Reisenden selbst auf Unwägbarkeiten reagieren können. Die Absicherung der einzelnen Reiseabschnitte und Unterkünfte sowie kurzfristige Stornierungsoptionen werden hingegen relevanter als vorher. Genau diese Bedürfnistrigger entstehen auf den Buchungsplattformen und werden auch dort bedient. Bei Buchungen über Airbnb sind die Absicherungen für Gastgeber und Gäste sogar unmittelbar im Buchungspreis inbegriffen.

Diese Entwicklungen sehen wir auch in unseren Studienergebnissen. Millennials haben eine deutlich höhere Bereitschaft, Versicherungsprodukte auch bei branchenfremden Unternehmen zu beziehen. 23% der jungen Teilnehmer in Deutschland können sich dies zum Beispiel bei Tech-Firmen wie Google oder bei Supermarktketten wie Rewe vorstellen. Für die Kunden über 35 Jahren liegen diese Werte lediglich bei 11 bzw. 12%.

Worin bestehen nun also die wesentlichen Unterschiede zu vorangegangen Generationen, und was bedeutet dies mittel- bis langfristig für die Geschäftsmodelle der Gesellschaften?

Stark vereinfacht könnte man sagen, die Generationen Y und Z sind schnelllebig, offen, anspruchsvoll und digital – eine durchaus explosive Mischung in Bezug auf das klassische Geschäftsmodell der Versicherer. Am vorigen Beispiel der Urlaubsreise kann man erkennen, was diese Entwicklung für die Produktwelt der Versicherungsunternehmen bedeutet: Ein klarer Trend hin zur intelligenten Bündelung der eigentlichen Risikoabsicherung mit anderen Produkt- und Service-Bausteinen. Diese können entweder selbst oder gemeinsam mit Partnern entwickelt werden und bergen echte Chancen für die Versicherer. So zeigt unsere Studie, dass Millennials solche Produkt- und Service-Bündel deutlich stärker nachfragen und dass dabei ihre Zahlungsbereitschaft größer ist. Diese liegt bei den über 45-Jährigen etwa acht Prozentpunkte niedriger als bei den Kunden unter 45 Jahren.

Ein weiteres Beispiel sind die Auswirkungen auf die Ausrichtung der Vertriebs- und Servicekanäle. Auch hier werden Partner und Plattformen als Absatzkanäle wichtiger und laufen insbesondere anderen Online-Zugangswegen wie zum Beispiel den Webseiten der Versicherer den Rang ab. Schon heute wird europaweit etwa 50% des Online-Geschäftes über Plattformen generiert. Die Ergebnisse unserer Studie bestätigen das: Die Zufriedenheit junger Kunden mit den Websites ihrer Versicherer ist im Zeitraum von 2018 bis 2020 um 16 Prozentpunkte gesunken. Versicherer laufen also Gefahr, die Kundenschnittstelle langfristig zu verlieren. Damit bricht potenziell ein elementarer Teil ihres Geschäftsmodells weg.

Gleichzeitig sehen wir aber auch, dass die Interaktionsrate der Millennials mit dem Vermittler oder Service-Center vor allem in den digitalen Kanälen durch den hohen Transparenz-, Informations- und Anpassungsbedarf steigt. So ist der Anteil der Millennials, die ihren Versicherer mindestens einmal im Monat über digitale Kanäle kontaktieren, zwei- bis dreimal höher als bei den über 35-Jährigen. Im persönlichen Kontakt zieht es die junge Generation sogar dreimal häufiger zu ihrem Versicherer. „Digital, aber persönlich“ ist also die neue Erwartung.

Wie können Versicherer denn aber diesem angesprochenen Wunsch nach mehr Flexibilität, stets verfügbarer Beratungsleistung sowie Transparenz nachkommen?

Eine der wichtigsten Grundlagen ist sicherlich eine moderne und flexible Systemlandschaft. Unsere Studie „Ökosysteme in der Versicherungsindustrie“ hat gezeigt, dass viele Versicherungsunternehmen fehlende technische Fähigkeiten als wichtigste Herausforderung neben der Unternehmenskultur und dem Fachkräftemangel sehen. Der Fokus der meisten Versicherer liegt hierbei auf omnikanalfähigen Plattformen und Frontends, Datenverfügbarkeit sowie der Integrations- und Anbindungsfähigkeit (APIs).

In Bezug auf Beratungsleistung und Transparenz sehen wir das digitale Enablement der Vermittler als Schlüsselbaustein eines zukunftsfähigen Geschäftsmodells – nicht zuletzt aufgrund der Entwicklungen während der Corona-Pandemie. „Digital, aber persönlich“ kann nur funktionieren, wenn Vermittler in der digitalen Welt der Kunden eine größere Rolle spielen – sei es über Messenger-Dienste, Social Media oder digitale Videoberatung.

Und wie sieht es beim Thema Nachhaltigkeit aus?

Das Thema Nachhaltigkeit steckt in der Versicherungsindustrie sicherlich noch in den Kinderschuhen. Einige Versicherer haben bereits begonnen, es fest in die Organisation und Steuerung zu verankern. So werden bei einigen Versicherern eigene Bereiche für „Nachhaltigkeitsmanagement“ geschaffen oder gezielte Initiativen ins Leben gerufen, die sich damit beschäftigen, die Folgen des Klimawandels abzufedern. Klar ist: Nachhaltigkeit ist ein Thema, das die gesamte Wertschöpfungskette der Versicherung verändern wird – von der Förderung erneuerbarer Energien in der Produktentwicklung über ressourcenschonende Prozessketten hin zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bei der Kapitalanlage. Die Digitalisierung ist auch hier einer der wichtigsten Hebel.

Mit welchen Technologien und digitalen Prozessen lässt sich Ihrer Meinung nach derzeit am besten auf die eingangs erwähnten Bedürfnisse der 18- bis 34-Jährigen reagieren?

Unsere Studie zeigt, dass bei den Millennials vor allem digitale Prozesse mit persönlichem „Touch“ gut ankommen. So sind die Zustimmungswerte junger Kunden für Kanäle wie Chat, Instant Messaging, Social Media oder Videoberatung im Vergleich mit den Werten aus 2018 um bis zu 31% gestiegen – eine echte Chance, die Versicherer für sich nutzen können. Auch die Akzeptanz für KI-gestützte Interaktionen über Sprachassistenten wächst stetig. Eher „klassische“ digitale Kanäle wie E-Mail oder Zugang zur Website via Desktop-PC oder Laptop stagnieren hingegen etwas.

Laut Studie können sich die jungen Kunden auch vorstellen, Versicherungen bei GAFA-Unternehmen, Baumärkten, Autohäusern oder Supermärkten abzuschließen. Was müssen Versicherer jetzt tun, um nicht ins Hintertreffen zu geraten?

Versicherer müssen vor allem ihre Angebotsentwicklung auf diese Art von Partnerschaften ausrichten. Modulare Produkte, flexible Deckungskonzepte und datenbasierte Preismodelle sind dabei für die einzelnen Anbieter Wege, sich zu differenzieren. Sie eröffnen Versicherern neue Kooperationsmöglichkeiten und Zugangswege. Dabei steht stets der Mehrwert der Endkunden im Zentrum. Eine Zusammenarbeit mit dem Versicherer muss sich jedoch auch für potenzielle Partner lohnen. Insbesondere größere Marktteilnehmer wie die GAFA-Unternehmen bringen mit einer großen Kundenbasis, attraktiven Angeboten und der technischen Plattform viele wichtige Assets in eine solche Kooperation ein. Wenn man als Versicherer mit diesen Unternehmen zusammenarbeiten möchte, gilt es, die Wertflüsse in diesen Ökosystemen genau zu verstehen und das eigene Werteversprechen entsprechend auszurichten. Hier spielen typischerweise ansprechende Service-Levels, flexible Monetarisierungsansätze und eine moderne technische Basis eine wichtige Rolle.

Abschließend noch eine andere Frage zum Thema Pay-as-you-go-Versicherungen: Welches Potenzial steckt in solchen Angeboten und wie offen sind die Generation Z und die Millennials dafür?

Pay-as-you-go-Angebote wie zum Beispiel Krankenversicherung mit Koppelung an einen gesunden Lebensstil oder die Pay-as-you-drive-Kfz-Versicherung sind über alle Altersgruppen hinweg stark auf dem Vormarsch. Je nach Angebot lassen sich für den deutschsprachigen Markt Zustimmungswerte zwischen 41 und 65% beobachten. Damit ist die Zustimmung im Schnitt rund 15 Prozentpunkte höher als noch im Jahr 2018. Millennials sind hier tendenziell noch ein wenig offener. Das liegt daran, dass sie eher bereit sind, persönliche Daten zu teilen als ältere Kunden. Vor allem bei Gesundheits- und Lifestyle-Daten sind die Altersgruppen über 35 Jahren sensibler. Bei Daten zu Einkommen oder Beziehungsstatus ist der Unterschied weniger gravierend.