Herr Steup, Ende September meldete Facebook 31 Millionen Nutzer hierzulande. Zudem sind Tausende Vermittler auf Facebook aktiv. Sollten Makler ohne Facebook-Account jetzt noch auf den Zug aufspringen?
Facebook ist ein Zug, der regelmäßig hält, damit Makler in aller Ruhe einsteigen können. Für Versicherungsmakler war es nie zuvor einfacher und preiswerter, Menschen zu erreichen. Ja, es stimmt, Facebook kann nerven. Oder besser: Manche Leute und Unternehmen auf Facebook nerven. Es liegt aber an Ihnen, ob Sie sich ärgern lassen. Auf Facebook können Sie Botschaften gezielt an bestimmte Menschen senden und die Nervensägen abschalten. In der aktuellen Werbekampagne spricht Facebook das selbstkritisch an und sagt: „Mach Facebook zu Deinem Facebook.“ Sagen wir mal so: Wenn ich Sie im Jahr 2018 weder auf XING noch auf Facebook finde, dann ist es für mich so, als existierten Sie nicht. PS: Niemand muss es so übertreiben wie ich.
Wie steht es denn mit Twitter, Instagram, XING & Co.?
Twitter ist in Deutschland nie richtig angekommen. Abgehakt. Instagram lebt von Fotos und kurzen Videos und eignet sich prima für Spezialmakler. Versichern Sie Oldtimer, Pferde oder Hochzeitsfeiern? Zeigen Sie Fotos auf Instagram. XING wird aus meiner Sicht unterschätzt. Im gewerblichen Bereich ist die erweiterte Suche bei XING eine Goldgrube. Natürlich muss ich aktiv Leute suchen und gezielt anschreiben. Konto anlegen und warten, bis Anträge reinrauschen, klappt nicht. Ich habe mehr als 26.400 Kontakte auf XING, überwiegend Finanzdienstleister. Das heißt, fünf Tage die Woche Menschen anschreiben und Hilfe anbieten.
Ein paar Beispiele haben Sie genannt. Mit Blick auf die Vernetzung mit Versicherern, Maklerkollegen oder Kunden: In welchen Bereichen bieten Facebook oder andere soziale Medien Ihrer Ansicht nach den größten Nutzen für Makler?
Makler fordern seit Jahren besseren Service von Versicherern. Fänden Makler online einen Weg, ihr Problem schnell mit dem Versicherer zu klären, müssten sie ihre Fachfrage nicht in die Maklergruppe schreiben. Dort bekommen Makler oft innerhalb von Minuten Tipps von Kollegen. Viele empfehlen sich gegenseitig für Spezialkonzepte und Nischenprodukte. Das funktioniert, weil die Spezialkollegen sich auf Facebook einen Namen machen. Das klappt auch bei Kunden. Stichwort Content-Marketing. Kann jeder. Also hilfreiche und unterhaltende Beiträge teilen, die interessieren und neugierig machen. Nicht irgendein plumpes Werbezeug.
Wie sieht es mit der Mitarbeitersuche aus – speziell in unserer Branche? Das ist ja eines der Themen, mit denen Sie sich im Netz ebenfalls beschäftigen.
Auf Jobbörsen erreichen Makler nur Leute, die aktiv nach Arbeit suchen. Bei einer Fluktuation von rund 10% in der Branche ist das nur einer von zehn auf dem Spielfeld. Und die anderen neun? Von denen sind sieben mehr oder weniger zufrieden mit ihrem Job und möglicherweise offen für Neues. Denen müssen Makler ihre Stelle aktiv vor die Nase halten. Oder besser sich ständig als Arbeitgeber in der Region präsentieren. Das gilt auch für Fachabteilungen. Gibt es einen besseren Weg als die Facebook-App, mit dem Makler ein Stellenangebot gezielt auf das Handy passender Kandidaten schicken können? Wir machen den ganzen Tag nichts anderes.
Kann man Sie eigentlich auch einen Influencer nennen?
Ja.
Okay, als solcher agieren Sie auch schon seit Langem in den sozialen Medien. Was sagt Ihnen das, was Sie dort heute sehen, über die Finanz- und Versicherungswirtschaft im Allgemeinen und über Makler und Vermittler aus?
Derzeit spüre ich keine Euphorie in der Branche. Schadenfreude verdrängt jetzt die Sorge vieler Vermittler vor den InsurTechs. Es ist nicht alles so rosig, wie die Revoluzzer uns das glauben machen wollen. Mich erinnert das allerdings an die Schadenfreude des Pferdezüchters, nachdem er den ersten Unfall mit einem Automobil sah. Was lernt die Versicherungswelt daraus? Das Geschäftsmodell von morgen sollte ebenso interessant sein wie der Unternehmensgewinn von heute. Scheitern ist in Ordnung. Weniger Neid und Missgunst und mehr Mut und Geduld würden uns weiterbringen.
Wenn Sie Vermittlern einen Rat geben dürften, welcher wäre das?
Nehmen wir an, ein potenzieller Kunde möchte eine BU-Versicherung abschließen. Er weiß bereits, worum es geht, und möchte mehr Einzelheiten. Er fragt Google. Google schickt ihn zu einem Makler, dessen Webseite übersprudelt mit Infos zur BU. Der Bauchladen-Makler geht leer aus. Vermittler müssen sich spezialisieren. Sei es in einem Bereich wie Gewerbe oder Biometrie, in einer Nische wie Cyber oder BU oder in einer Zielgruppe wie Handwerker oder Zahnärzte.
Oder der Makler ist ein erster Ansprechpartner am Ort. Wie ein Hausarzt. Dazu braucht er ein Netzwerk an Spezialisten. Sympathie plus Vertrauen plus Netzwerk kann für einen ehemaligen Bauchladen-Vermittler eine Spezialisierung sein. Er muss es den Leuten nur sagen.
Lassen Sie uns über die Verknüpfung von Online- und Offline-Welt sprechen. Das persönliche Zusammentreffen bleibt weiter wichtig, ist unsere These. Wie ist hier Ihre Prognose?
Facebook, Google und Webseiten stellen den Kontakt zwischen Kunden und Vermittler her. Der Vermittler zeigt, dass er nett, vertrauenswürdig und kompetent ist. Bringt er das gut rüber, schreibt ihm der Kunde wegen der Einzelheiten eine Nachricht. Gegen die optimierten Vergleichsportale für einfache Versicherungen kommt kein Makler an. Seine Chancen liegen in komplexen Lösungen für Gewerbe, Familien und Nischen wie Oldtimer, Denkmäler und Rennpferde.
Sind InsurTechs oder Apps eigentlich eine „Gefahr“ für Social Media? Sie finden ja eher in geschlossenen Systemen statt. Oder hat das eine mit dem anderen gar nichts zu tun?
Sehen Sie WeChat in China an. Chinesen kaufen über WeChat ein, überweisen Geld, buchen Termine, suchen Ehepartner und tausend Dinge mehr. Wozu für jede Lebenslage eine App? WeChat ist ein Betriebssystem mit unzähligen Funktionen. Ein Internet im Internet. Apps, wie wir sie heute kennen, sind Brückentechnologie. Wie das Fax. Viele InsurTech-Makler, die sich nur über eine App definieren, verschwinden. Anders InsurTech-Versicherer. Oder Modelle, die wir uns heute noch nicht ausmalen können.
Zum Schluss: Welchen sehr praktischen Social-Media-Tipp haben Sie für unsere Leser?
Schreiben Sie auf ein Blatt Papier: Auf welche Menschen haben Sie sich spezialisiert? Welche Tipps und Infos helfen und unterhalten diese Menschen? Welche Webseiten gibt es, zum Beispiel Blogs und Magazine, deren Beiträge Sie mit den Menschen teilen können? Fertig. Jetzt richten Sie sich ein Konto bei Social Pilot ein. Dann planen Sie diese Beiträge für Facebook und XING im Voraus. Ach, übrigens, Sie haben gerade Ihre Social-Media-Strategie aufgeschrieben.
Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 01/2018, Seite 84 f.
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