Der BGH hat entschieden, dass ein Haftpflichtversicherer vom Unfallgegner keinen Regress verlangen kann, selbst wenn ihm eine Haftungsquote von 50% auferlegt wurde. Das Urteil deckt einen Missstand in der Gesetzgebung auf, der zutage treten kann, wenn der Fahrzeughalter nicht zugleich der Eigentümer ist.
Ein Fahrzeughalter hatte einen Verkehrsunfall. Wer für diesen Unfall verantwortlich war, konnte nicht abschließend geklärt werden. Das Gericht sprach beiden Unfallbeteiligten deshalb in einem vorhergehenden Urteil eine Haftungsquote von 50% zu. Das Problem war nun, dass der zweite Unfallbeteiligte nicht der Eigentümer des Fahrzeugs war. Eigentümer des Fahrzeugs war zum Zeitpunkt des Unfalls eine Bank, über die der Halter den Wagen finanzierte.
Die Folge war, dass der Haftpflichtversicherer des zuerst genannten Unfallbeteiligten den Schaden am Fahrzeug der Bank zu 100% begleichen musste, inklusive Sachverständigenkosten. Wie konnte es dazu kommen, nachdem die Haftungsquote doch zuvor hälftig geteilt worden war?
Die Haftungsquote wurde zwar hälftig geteilt, da der Unfallhergang nicht ermittelt werden konnte. Jedoch erfolgte die Teilung der Haftungsquote zwischen den Unfallbeteiligten. Anspruch auf Schadensersatz hatte jedoch der Eigentümer des Fahrzeugs – nämlich die Bank. Und der hatte das Gericht keine Mitschuld gegeben.
Der Haftpflichtversicherer wollte die Kosten am Fahrzeug der Bank jedoch nicht zu 100% tragen, sondern forderte – gestützt auf das vorangegangene Gerichtsurteil – 50% des Schadensersatzes vom Fahrzeughalter zurück. Wohlgemerkt vom Fahrzeughalter und nicht von der Bank als Eigentümer. Nachdem der Fahrzeughalter nicht zahlen wollte, landete der Fall vor Gericht.
Vor dem Amtsgericht Ludwigsburg wurde zugunsten des Haftpflichtversicherers entschieden. Im Berufungsverfahren vor dem Landgericht Stuttgart sah es jedoch anders aus. Schließlich musste im Revisionsverfahren der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden.
Der BGH schloss sich jedoch der Ansicht des LG Stuttgart an. Die Bundesrichter urteilten, dass der Fahrzeughalter den Schaden nicht ersetzen muss. Der Halter hafte gegenüber dem Kreditinstitut nicht, da die Halterhaftung gemäß § 7 Abs. 1 StVG lediglich bei vom eigenen Auto verschiedenen Sachen greife. Und auch aus dem Sicherungsvertrag zwischen der Bank und dem Fahrzeughalter ergebe sich keine andere Bewertung. Schließlich konnte das Unfallverschulden nicht geklärt und deshalb auch keine Pflichtverletzung gegen die Vorgaben des Sicherungsvertrags nachgewiesen werden.
Der BGH spricht in seiner Urteilsbegründung davon, dass sich durch die Vorgaben des Gesetzgebers für den Haftpflichtversicherer „in ihrem Gerechtigkeitsgehalt schwer nachvollziehbare Folgen“ ergäben. Jedoch sei diese bewusste Entscheidung des Gesetzgebers von den Gerichten hinzunehmen. Der Gesetzgeber wird an der Stelle noch nachbessern müssen. Dem Haftpflichtversicherer hilft dieser Arbeitsauftrag von Seiten des BGH jedoch nicht weiter. Er bleibt auf den vollen Schadensersatzkosten sitzen. (tku)
BGH, Urteil vom 27.10.2020 – XI ZR 429/19
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