Die Corona-Krise bleibt das beherrschende Thema. Im Bereich der Lebensversicherung ist sie nicht der ausschließliche Treiber, aber sie verstärkt die Herausforderungen. AssCompact hat zum Jahresanfang 2021 Meinungen eingefangen und da darf ein Statement zur Lebensversicherung nicht fehlen. Ein Text von Dr. Reiner Will, Geschäftsführer der ASSEKURATA Assekuranz Rating-Agentur GmbH, der sogar Hoffnungsschimmer erkennen kann.
Schon seit geraumer Zeit setzt das anhaltende Niedrigzinsniveau den Lebensversicherern zu. Und ein Ende ist auch nicht in Sicht. Im Gegenteil: Seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie im Frühjahr 2020 sind die Zinsen an den Kapitalmärkten wieder auf historische Niedrigstände gesunken. Zwischenzeitlich aufkeimende Hoffnungen auf steigende Zinsen erhielten damit einen massiven Dämpfer. Selbst Bundesanleihen mit 30-jähriger Laufzeit notieren mittlerweile im negativen Bereich, sodass es den Unternehmen immer schwerer fällt, die Garantiezusagen der Vergangenheit zu erwirtschaften. Infolgedessen ist die Branche seit einiger Zeit vor allem produktseitig sehr umtriebig. Vorläufiger Höhepunkt war die Ankündigung der Allianz Leben, sich in der privaten Altersvorsorge künftig von der Beitragsgarantie von 100% weitgehend zu verabschieden.
Wobei dies Marktbeobachter nicht wirklich überrascht. Im anhaltenden Zinstief kommen Garantien sowohl Versicherern als auch Kunden nämlich teuer zu stehen. Während die Unternehmen für Garantieprodukte erhebliche Mengen an Erträgen und Eigenmitteln vorhalten müssen, entgehen den Kunden Renditechancen, da die Versicherer bei der Erwirtschaftung der Garantien in der Kapitalanlage eingeschränkt sind. Ganz generell kommen die Lebensversicherer also nicht mehr umhin, ihr Geschäftsmodell konsequent auf garantieärmere Produkte im Neugeschäft umzustellen. Auch die Finanzaufsicht BaFin hat in jüngster Zeit zu einer höheren Sorgfalt bei der Kalkulation von Garantien aufgerufen. Dies hat Signalwirkung, wozu auch der aktuelle Vorschlag der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) passt, den Höchstrechnungszins im Neugeschäft sehr deutlich abzusenken, nämlich von 0,90% auf 0,25%.
Auf der anderen Seite bringt der Umbruch auch neue Chancen mit sich. Und da die Sparquote der Kunden im Zuge der Corona-Krise deutlich angestiegen ist, stehen die Perspektiven für die Lebensversicherung trotz der niedrigen oder sogar negativen Zinsen gar nicht mal so schlecht. Allerdings sind die wirtschaftlichen Voraussetzungen hierfür von Anbieter zu Anbieter sehr unterschiedlich.
Einen Vorteil haben dabei insbesondere die Gesellschaften, die über eine breit gestreute Kapitalanlage mit substanziellen Bewertungsreserven und eine stabile und ausgewogene Ertragsstruktur verfügen. Hiervon profitieren dann nicht nur Altersvorsorgesparer, sondern auch die Kunden von Berufsunfähigkeits- und Risikolebensversicherungen, da die Gefahr geringer ausfällt, dass der Versicherer zur Abwehr drohender Kapitalanlageverluste einen Teil seiner Risikoergebnisse querverrechnet. Wenn dies passiert, können die Beitragszahlungen der Kunden steigen, auch wenn der eigentliche Tarif sorgfältig kalkuliert und der Bestand insgesamt profitabel ist.
Insgesamt steht der Branche 2021 also wieder ein herausforderndes Jahr bevor. Obwohl gerade die Lockdown-Verfügungen im Zuge von Covid-19 dafür sorgen dürften, dass sich das sehr hohe Neugeschäft aus 2019, als sich die Branche nach Beiträgen um mehr als 10 Mrd. Euro steigern konnte, so schnell nicht wiederholt, gilt es gerade jetzt, die Transformation weiter voranzutreiben. Denn nach der Covid-19-Krise werden besonders die Gesellschaften mit einer soliden Bilanzstruktur sowie einer modernen und digitalen Geschäftsausrichtung zu den Profiteuren gehören. Wann „nach der Covid-19-Krise“ genau ist, ist derzeit natürlich noch völlig offen, zumindest ist mit den in den Startlöchern befindlichen Impfstoffen aber auch hier ein Hoffnungsschimmer am Horizont.
Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 01/2021, Seite 69, und in unserem ePaper.
Bild: © Travis – stock.adobe.com
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Dr. Reiner Will |