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1. April 2016
Der Kauf von Maklerbeständen ist ein Kraftakt

Der Kauf von Maklerbeständen ist ein Kraftakt

Die Unternehmensnachfolge ist über alle Branchen hinweg ein schwieriges, aber unausweichliches Thema. Schließlich steht jeder Unternehmer früher oder später vor dieser Problematik. Aber längst findet nicht jeder den „Traum-Nachfolger“. Und auch die Käufer müssen sich gut vorbereiten, um nicht an den Herausforderungen zu scheitern. AssCompact hat mit Versicherungsmakler Michael Gentner über seine Erfahrungen in Sachen Bestandszukauf gesprochen.

Herr Gentner, wie oft haben Sie schon Bestände bzw. Unternehmen zugekauft?

Ich habe bereits vier Unternehmen übernommen und erfolgreich in mein Unternehmen eingegliedert. Darunter zwei Einzelunternehmer, die aus Altersgründen ihr Unternehmen übergeben wollten. Beide hatten keine familiäre Lösung gefunden. Aus Verbundenheit und Verantwortung für ihre Mandanten haben sie bis fast zum 68. Lebensjahr einfach immer weitergearbeitet. Die Besonderheit hier: Es gab jeweils ca. 40 Direktanbindungen und fünf Poolanbindungen, die jeweils einzeln übertragen und bearbeitet werden mussten. Des Weiteren habe ich einen kleinen reinen Poolmakler gekauft, der sich aus der Branche zurückgezogen hat und als Angestellter in eine andere Branche gewechselt ist. Schließlich habe ich eine Makler-GmbH gekauft, die sich sukzessive verkleinert hatte: vom Ladenbüro mit Angestellten bis zum Home-Office in der Einliegerwohnung, in der dann nur noch der Geschäftsführer mit seiner Frau tätig war und bereits eine erfolglose Nachfolgeregelung stattgefunden hatte.

Welches war die größte Hürde, die es zu überwinden galt?

Das wichtigste als Käufer ist ein perfekt organisiertes und digitalisiertes Büro auf dem neuesten technischen Stand sowie sehr gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Vertrieb, im Front- und Back-Office-Bereich. Mein Appell an die Kollegen: Überlegen Sie einfach für sich, wie viel Zeit Sie für die Verwaltung Ihres Kundenbestandes heute benötigen und dann nehmen Sie diese Zahl plus 500 neue Kunden – ist Ihr Betrieb dafür ausgelegt? Schaffen Sie das in Ihrem Service-Level und mit Ihren Ablaufstandards? Viele Alt-Makler haben ihre Bestände nicht EDV-technisch erfasst oder einen Hybrid aus Ordner- und Hängeregistratur, EDV und dem Wissen des Verkäufers, der natürlich seine Kunden kennt, so wie Sie Ihre Kunden kennen. Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Sie können in Ihrem Betrieb nicht mehr mitarbeiten (Todesfall, schwerer Unfall, Pflegebedürftigkeit). Könnte ich mich morgen in Ihr Büro und auf Ihren Stuhl setzen und sofort die Arbeit aufnehmen, ohne dass Kunden und Mitarbeiter einen Unterschied feststellen können? Wie lautet Ihre Antwort? Falls Sie die Frage jetzt mit „nein“ beantworten, ist dies aber nicht die Erwartung der Kunden. Hier liegt die größte Schwierigkeit, der erste persönliche Kontakt entscheidet über die Zukunft der Kundenbeziehung.

Wie ist der Umgang mit den Verkäufern? Schließlich geht es oft um deren Lebenswerk.

Die wichtigsten Aspekte hierbei sind ausreichend Zeit, gutes Einfühlungsvermögen und Respekt vor dem Lebenswerk des Verkäufers. Sie müssen immer Bedenken, dass Sie mit Finanz- und Verkaufsprofis sprechen, die ihren Beruf oftmals seit mehr als drei Jahrzehnten ausüben. Sie werden hier in Ihrer Persönlichkeit und vor allem in Ihrem Wissen auf „Herz und Nieren“ getestet. Denn Sie kaufen hier jahrzehntelang gepflegte Beziehungen von Mensch zu Mensch und keinen Datenbestand oder Adresspool, der sich möglichst schnell amortisieren muss. Denken Sie immer daran, Sie sind der Bewerber und müssen sich bei ihm qualifizieren, dass er Ihnen sein Beziehungsnetzwerk öffnet und Fürsprecher für Sie wird.

In seinem jetzt kommenden Lebensabschnitt wird der Alt-Makler nicht umziehen. Er wird am Samstag auf den Wochenmarkt gehen und seine Kunden wieder treffen. Das Ziel von mir und meinem Team ist es, dass die Kunden zum Alt-Makler sagen: Du hast bei der Auswahl deines Nachfolgers alles richtig gemacht!

Wie schwierig ist es, einen geeigneten Bestand zu finden?

Bevor ich einen Bestand kaufe oder in die nähere Auswahl nehme, führe ich viele Gespräche mit den Verkäufern, gehe mit ihnen zum Geschäftsessen, lerne die Familie kennen, höre ihnen beim Kundengespräch im Büro oder am Telefon zu. Hieraus verschaffe ich mir ein Bild, ob die Unternehmenskultur und der Umgang zu meiner Unternehmensstrategie passen. Erst dann steige ich in die Fundamentalanalyse ein und bewerte den Bestand nach einer eigenen Matrix und nach der Discounted-Cash-Flow-Methode, denn jeder Bestand ist unterschiedlich und kann nicht mit einer Pauschalformel berechnet werden.

Wie sind die Reaktionen der Kunden?

Der Dritte im Bunde – nach Käufer und Verkäufer – ist der Kunde, besser gesagt die Beziehung des Kunden zum Alt-Makler. Hier ist eine generalstabsmäßige Ablaufplanung notwendig, denn sonst kann der Übergang nicht gelingen. Hierzu stelle ich dem Alt-Makler unsere Werbeagentur und unseren Public-Relations-Berater zur Verfügung, um für ihn eine Marketingstrategie für den reibungslosen Übergang zu entwickeln, die seine Handschrift trägt und auf die wir gemeinsam aufbauen können. Denn nur wenn sich der Kunde verstanden, informiert und gut aufgehoben fühlt, wird er den Weg mit Ihnen gehen.

Nach Auswertung der letzten Bestandskäufe haben wir durch diese strategische Investition einen Abgang in einer niedrigen einstelligen Prozentzahl in den übernommenen Beständen realisieren können und durch diverse folgende Marketingmaßnahmen konnten wir sofort Bekanntheit in den Beständen erlangen und diese stabil in die Zukunft führen. (kb)

Ausblick: Sonderthema „Expansion & Nachfolge“

Die kommende April-Ausgabe von AssCompact befasst sich in einem Sonderthema ausführlich mit der Expansion & Nachfolge von Vermittlerbüros. So werden unter anderem auch rechtliche und steuerliche Aspekte berücksichtigt. Im Folgenden ein Überblick der Themen:

  • „Wir bieten kleineren und mittleren Maklerunternehmen eine Heimat“
  • Unternehmens-, Bestandsverkauf oder doch lieber ein Rentenmodell?
  • Wenn die Nachfolge eines gebundenen Vermittlers zu scheitern droht
  • Gemeinsamkeiten und Unterschiede beim Asset-Deal und beim Share-Deal
  • Steuerliche Rahmenbedingungen bei Nachfolgelösungen