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15. Januar 2021
Rechtliche Rahmenbedingungen 2021: Was bleibt? Was kommt?

Rechtliche Rahmenbedingungen 2021: Was bleibt? Was kommt?

Die Corona-Pandemie hält leider an und wird viele Versicherungsvermittler noch hart treffen. Einige Regulierungsansätze sind dagegen zeitweilig zum Stillstand gekommen. Doch das kann sich ändern. Dr. Michael Wurdack, Gesellschafter der Anwaltskanzlei Küstner, v. Manteuffel & Wurdack, gibt einen Überblick über für 2021 relevante Urteile und Gesetzesinitiativen und erklärt, auf welche Regulierungsthemen Vermittler besonders achten sollten.

FinVermV, VersVermV und DVOs

Die Neufassung der VersVermV ist schon lange, die der FinVermV seit dem 01.08.2020 in Kraft (AssCompact berichtete), sodass beide Verordnungen als bekannt vorausgesetzt und dazu einige Praxistipps gegeben werden:

„Taping“, § 18a FinVermV

Die Aufzeichnungspflicht betrifft nicht nur Telefongespräche, sondern auch sonstige elektronische Kommunikation, insbesondere die zu Corona-Zeiten immer wichtiger werdende Videoberatung. Die Pflicht greift, sobald sich die elektronische Kommunikation auf die Vermittlung von oder die Beratung zu Finanzanlagen bezieht. Wer sich unter anderem unter Wahrung der gemäß § 18a Abs. 2 FinVermV zu ergreifenden angemessenen technischen und organisatorischen Maßnahmen entscheidet, Vermittlung/Beratung via elektronischer Kommunikation durchzuführen oder hybrider Vermittler zum Beispiel auch für Versicherungsprodukte ist, für den gilt folgender Praxistipp: Es darf – so bedauerlich das sein mag – kein „Pausen-Knopf“ gedrückt werden, wenn das Gespräch von Finanzanlageprodukten zu Versicherungsprodukten und zu privaten Themen und wieder zurück „mäandert“.

Die FinVermV dient der Umsetzung der MiFID-II-Wohlverhaltensregelungen. In den BaFin-FAQ zu den MiFID-II-Wohlverhaltensregeln nach § 63 ff. WpHG heißt es: „Es ist unzulässig, eine begonnene Aufzeichnung situativ zu unterbrechen und anschließend wieder aufzunehmen, um etwaige nicht aufzeichnungspflichtige Gesprächsteile auszublenden (sogenannter ‚Pausen-­Knopf‘).“ Auch wenn die BaFin nicht die Aufsichtsbehörde für Finanz­anlagenvermittler/-berater ist und die Wohlverhaltensregeln für Gewerbe­treibende mit Erlaubnis gemäß § 34f Abs. 1 GewO in der FinVermV geregelt sind, dürfte dieses Verständnis (leider) auch hier maßgeblich sein.

Zudem muss der Vermittler in schriftlicher Form wirksame Grundsätze für diese Aufzeichnungen festlegen, umsetzen und aufrechterhalten. Einzelheiten dazu finden sich in den entsprechend geltenden Regelungen des Art. 76 Abs. 1, Abs. 3 bis 11 DVO 2017/565.

Praxistipp: Sofern noch nicht verschriftlicht, empfiehlt es sich dringend, das für diese Aufzeichnungsgrundsätze nachzuholen und darin beispielsweise für Mitarbeiter festzuhalten, dass die Aufzeichnungspflichten auch für Beratungen/Vermittlungen gelten, die zu keinem Abschluss führen. Außerdem ist der Kunde vor Beginn der Aufzeichnung darüber zu informieren. Erteilt der Kunde sein Einverständnis nicht, darf nicht „elektronisch“ beraten oder vermittelt werden.

Managen von Interessenkonflikten

Vermittler, die auf der Grund­lage von § 34d bzw. 34f GewO Versicherungsanlage- oder Finanzan­lageprodukte vermitteln oder dazu beraten, dürfen erfreulicherweise weiterhin Zuwendungen erhalten, die sich aber nicht nachteilig auf die Qualität der Beratung und Vermittlung auswirken dürfen, § 19 VersVermV, § 17 Abs. 1 Nr. 2 FinVermV. Bekannt ist, dass Vermittler ihre Mitarbeiter oder Untervermittler nicht so vergüten oder bewerten dürfen, dass Anreize mit der Verpflichtung kollidieren, im bestmöglichen Interesse der Kunden zu handeln, § 14 Abs. 2 VersVermV, § 11a Abs. 3 FinVermV.

Praxistipp: Weniger bekannt scheint zum Teil bei Vermittlern zu sein, dass sie auch verpflichtet sind, ein internes schriftliches Regelwerk zur Erfassung von und zum Umgang mit Interessenkonflikten vorzuhalten. Sofern noch nicht vorhanden, ist das zeitnah nachzuholen und sind die geltenden Aufbewahrungs­regeln zu beachten:

Finanzanlagenvermittler sind gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1b FinVermV zu Aufzeichnungen über die Erkennung und Vermeidung von Interessenkonflikten verpflichtet. Diese sowie weitere in § 22 Abs. 2 FinVermV gelistete Aufzeichnungen und Unterlagen sind gemäß § 23 FinVermV zehn Jahre aufzubewahren, beginnend mit dem Ende des Kalenderjahres, in dem der letzte aufzeichnungspflichtige Vorgang für den jeweiligen Auftrag angefallen ist. Vermittler von Versicherungsan­lageprodukten finden diese Pflichten in § 18 VersVermV sowie in den Artikeln 3 bis 5 DVO 2017/2359 geregelt. Diese Aufzeichnungen sind gemäß Art. 19 DVO 2017/2359 mindestens für die Dauer der Geschäftsbeziehung zwischen dem Versicherungsvermittler und dem Kunden aufzubewahren.

§ 7 VersVermV – Weiterbildungspflicht und FAQ

Zu den Regelungen in § 7 VersVermV für die gemäß § 34d Abs. 9 GewO vorgesehene 15-stündige Weiterbildungspflicht pro Kalenderjahr haben sich in der Praxis zahlreiche Fragen ergeben wie zum Beispiel: Wer muss auf die „Schulbank“, welche Inhalte gehören auf den „Stundenplan“ und so weiter.

Praxistipp: Seit dem 15.10.2020 gibt es dazu einen Katalog mit Fragen und Antworten, der zwischen der BaFin und der IHK-Organisation abgestimmt wurde. Auch wenn eine solche FAQ-Liste keine rechtliche Bindungswirkung hat, sollte sie jeder Versicherungsvermittler gelesen haben. Das gilt erst recht für die Vermittler, die Mitarbeiter beschäftigen. So gehört nach den FAQ zum Beispiel Schadenbearbeitung und -regulierung zum Versicherungsvertrieb, und dort mitwirkende oder unterstützend tätige Mitarbeiter sollen nach den FAQ weiterbildungspflichtig sein.

Provisionsabgabeverbot/Geringwertigkeit

Das Provisionsabgabeverbot (§ 48b VAG, § 34d Abs. 1 GewO) sorgt weiterhin für Streit. Nachdem Gonetto schon 2018 in einem Eilverfahren (Beschluss vom 28.09.2018 – Az. 7 L 3307/18.F) gescheitert ist, hat das Verwaltungs­gericht Frankfurt am 05.11.2020 (Az. 7 K 2581/19) die BaFin nunmehr im Hauptsacheverfahren in deren Ansatz bestätigt, Versicherungsunternehmen dazu anzuhalten, nicht mit Gonetto zusammenzuarbeiten, da Provision von Gonetto nicht ganz oder teilweise an Kunden weitergegeben werden dürfe.

Die BaFin verweist in ihrem Merkblatt vom 21.10.2020 zur Auslegung des Sondervergütungsverbots ausdrücklich auf ein weiteres viel beachtetes Verfahren. Das Landgericht München I hat mit Urteil vom 04.02.2020 (Az. 33 O 3124/19) in einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren CHECK24 verboten, mit Gratismonaten bei Abschluss eines Versicherungsvertrages zu werben und dem BVK gegen CHECK24 ein weiteres Mal recht gegeben (AssCompact berichtete).

Gleichzeitig weist die BaFin in diesem Merkblatt (Rz. 21 ff.) auf ihre geänderte Rechtsauffassung zur Wertung einer Zuwendung als geringwertig bei Vertragsanbahnung/-abschluss hin: Bislang hatte sie mit der Geringwertigkeitsklausel als vereinbar angesehen, wenn bereits bei Vertragsschluss eine mit der festen Mindestvertragslaufzeit multiplizierte Zuwendung gewährt wurde. Künftig können anlässlich des Vertragsschlusses weiterhin Zuwendungen von bis zu 15 Euro pro Versicherungsverhältnis und Kalenderjahr versprochen werden.

Provisionsabgabeverbot/Geringwertigkeit Praxistipps

Die Zuwendung darf aber erst in dem jeweiligen aktuellen Kalenderjahr ausgezahlt/realisiert werden und nicht im Voraus für mehrere Jahre.

Die BaFin erwartet ausweislich ihres Merkblatts unter Hinweis auf § 1a Abs. 3 VVG (keine irreführenden Informationen an Versicherungsnehmer), dass bei Werbemaßnahmen ein entsprechender deutlicher Hinweis „… dazu erfolgt, dass (soweit versprochen/gewährt) die Zuwendung erst in späteren Kalenderjahren ‚nach und nach‘ ausgezahlt wird, wenn der Versicherungsvertrag dann noch fortbesteht“ (Rz 23). Zwar ist die BaFin als Aufsicht nicht für Ver­sicherungsvermittler zuständig. Die von ihr angesprochenen Informationspflichten des § 1a Abs. 3 VVG gelten gemäß § 59 Abs. 1 Satz 2 VVG für Versicherungsvermittler aber entsprechend.

Um wettbewerbsrechtliche Abmahnungen zu vermeiden, sei eine gründliche Lektüre dieses Merkblatts und eine entsprechende Beachtung der dortigen Maßgaben empfohlen. So ist zum Beispiel auch das CHECK24-Urteil auf wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche in Verbindung mit § 48b VAG, § 34d Abs. 1 Satz 6 GewO gestützt worden.

Wettbewerbsrechtliche Fallstricke

Bei schwierigeren Märkten wird des Öfteren zu wettbewerbsrechtlich angreifbaren Mitteln gegriffen. So hat das Landgericht Heidelberg (Urteil vom 06.03.2020, Az. 6 O 7/19) einem Portalbetreiber untersagt, auf seiner Internetseite einen Vergleich von Privathaftpflichtver­sicherungsverträgen anzubieten, ohne den Verbraucher ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass dem Vergleich nur eine eingeschränkte Auswahl von Versicherern zugrunde gelegt wird. Ein „kleiner Link“ dazu sei im Gesamtbild verschwunden.

Das entspreche nach § 5a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) dem Verstecken von Informationen. Zudem fehle es an der Mitteilung zur Markt- und Informationsgrundlage des § 60 Abs. 2 Satz 1 VVG, sodass der geltend gemachte wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch begründet war.

Ebenfalls unter Bezugnahme auf § 5a Abs. 2 UWG hat das Landgericht Leipzig (Urteil vom 09.09.2020, Az. 05 O1789/19) einem Versicherungsmakler, der auf seiner Internetseite einen Vergleich für Haftpflichtversicherungen anbot und die Angebote selbst mit bis zu fünf Sternen bewertete, eine solche Bewertung deshalb untersagt, weil für den Kunden auf der Seite keinerlei Erläuterungen zu finden waren, auf welcher Grundlage der Versicherungsmakler diese Bewertungen ermittelt hatte und auch keine Angaben zum Makler als Bewertendem enthalten waren.

Gesetzgebung Provisionsdeckel

Der umstrittene „Provisions­deckel“, das heißt das Vorhaben zur Begrenzung von Abschlusskosten, ist immer noch auf dem Stand des Referentenentwurfs vom 18.04.2019. Es darf davon ausgegangen werden, dass dieses Gesetzesvorhaben in der aktuellen und nur noch knapp zehn Monate währenden Legislaturpe­riode nicht mehr umgesetzt wird.

Überführung der 34f-Aufsicht von der IHK auf die BaFin

Das „Gesetz zur Übertragung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht“ (FinAnlVÜG) sollte nach den Vorstellungen des Bundesfinanzministeriums am 01.01.2021 in Kraft treten. Die Erforderlichkeit der Übertragung der Aufsicht auf die BaFin haben nicht nur zahlreiche Verbände, sondern auch der Nationale Normenkontrollrat sowie der Wirtschaftsausschuss des Bundesrats abgelehnt. Auch wenn an der Übertragung von der Bundesregierung festgehalten worden ist, wird sie diese Legislaturperiode wohl nicht mehr kommen (AssCompact berichtete). Ob das Vorhaben, auch wegen des Wirecard-Skandals, überhaupt oder anders in der nächsten Legislaturperiode weiterverfolgt werden wird, ist nicht abschätzbar.

Stärkung des Verbraucherschutzes

Am 04.11.2020 hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht veröffentlicht. Dort finden sich unter anderem auch Regelungen zu Online-Marktplätzen, Rankings und Verbraucherbewertungen. Ermöglichen beispielsweise Vergleichs- oder andere Vermittlungsplattformen Verbrauchern die Suche nach Waren oder Dienstleistungen verschiedener Anbieter, so müssen sie über die Hauptparameter ihres Rankings und die Gewichtung dieser Parameter informieren (§ 5b Abs. 2 Satz 1 UWG-E). Insofern steht die Entscheidung des Landgerichts Leipzig vom 09.09.2020 schon im Einklang mit dieser Gesetzesinitiative.

Stärkung des fairen Wettbewerbs

Das am 02.12.2020 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs soll Abmahnmissbrauch eindämmen und damit insbesondere Selbstständige sowie kleinere und mittlere Unternehmen vor den Folgen missbräuchlicher Abmahnungen schützen, unter anderem durch Einschränkungen bei der Erstattungsfähigkeit von Abmahnkosten. Zur Klarstellung sei angemerkt, dass die oben vorgestellten Fälle auch künftig abmahnfähig bleiben.

Faire Verbraucherverträge

Mit dem Referentenentwurf aus dem BMJV vom 24.01.2020 für ein Gesetz für faire Verbraucherverträge sollen Verbraucher unter anderem vor telefonisch aufgedrängten oder untergeschobenen Verträgen geschützt werden. Geplant ist dazu auch die Einführung eines neuen § 7a UWG-E, wonach Unternehmen die vorherige ausdrückliche Einwilligung eines Verbrauchers in die Telefonwerbung zu dokumentieren und fünf Jahre ab Erteilen sowie nach jeder Verwendung aufzubewahren haben. Schon jetzt können werbliche Anrufe ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung mit Bußgeld von bis zu 300.000 Euro geahndet werden. Hinzukommen soll, dass fehlende bzw. nicht ordnungsgemäße Dokumentationen gemäß § 20 Abs. 2 UWG-E Ordnungswidrigkeiten darstellen, die mit bis zu 50.000 Euro bußgeldbewehrt sein sollen. Auch wenn der Entwurf keine bestimmte Form vorschreibt und es eher unwahrscheinlich ist, dass dieses Gesetzesvorhaben noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird, folgender

Praxistipp: Jeder Versicherungsvermittler sollte es sich schon lange zur Gewohnheit gemacht haben, die ausdrückliche Einwilligungserklärung vor Werbeanrufen bei neuen Kunden, Interessenten und bei bestehenden Kunden möglichst schriftlich oder in Textform einzuholen oder sich eine mündlich erteilte Einwilligung des Kunden im Rahmen der Bestandsarbeit von diesem nun dokumentieren zu lassen. Wer den damit und mit der Aufbewahrung verbundenen Aufwand bisher gescheut hat, sollte sich für das Jahr 2021 vornehmen, solche Einwilligungserklärungen einzuholen und zu dokumentieren. Liegt keine Einwilligung vor, gehört ein Sperrvermerk „keine Werbean­rufe“ in den entsprechenden Kundendatensatz.

Vorsorgepflicht für Selbstständige

Auch diese schon länger diskutierte Initiative hat die Corona-Krise gebremst, zumal man sich fragen muss, ob den aktuell ohnehin stark belasteten Selbstständigen noch weitere Belastungen durch Vorsorgepflichten auferlegt werden sollen.

Ausschließlichkeitsvermittler kennen bereits die Rentenversicherungspflicht für Selbstständige mit nur einem Auftraggeber nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB IV. Nach dem Koalitionsvertrag soll die Vorsorgepflicht auf alle Selbstständigen erstreckt werden. Da auch eine Befreiung („Opt-out“) durch private Vorsorge möglich sein soll, würde diese Vorsorgepflicht nicht nur Belastungen (zum Beispiel für bislang nicht versicherungspflichtige Vermittler) bringen, sondern gleichzeitig Chancen für den Vertrieb alternativer Vorsorgeprodukte.

Einzelheiten, zum Beispiel auch zur Dauer der Existenzgründerbefreiung, zur Behandlung der sogenannten Bestandsselbstständigen und zu Altersgrenzen, ab denen die Vorsorgepflicht nicht mehr greifen soll, sind offen. Bundesminister Heil hat noch für diese Legislaturperiode einen Gesetzesvorschlag angekündigt. Inkrafttreten soll das Gesetz allerdings erst ab 2024.

Fazit

Nach dem Blick in die „Kristallkugel“ und dem rechtlichen Rundumschlag bleibt für 2021 allen Marktbeteiligten noch Gesundheit, Glück und viel Erfolg in diesen schwierigen Zeiten zu wünschen.

Bild: © prirach– stock.adobe.com

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 01/2021, Seite 104 ff., und in unserem ePaper.

 
Ein Artikel von
Dr. Michael Wurdack