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Steuern & Recht
6. Juni 2017
Wann eine Verweisung durch den Versicherer erlaubt ist

Wann eine Verweisung durch den Versicherer erlaubt ist

Im Rahmen der Berufsunfähigkeitsversicherung sind Verweisungen häufig strittige Angelegenheiten, die oftmals nur gerichtlich geklärt werden können. Nicht jede Verweisung ist auch zulässig. In einem weiteren Fall hatte das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg darüber zu urteilen.

Ein Gas- und Wasserinstallateur arbeitete nach längerer Pause wegen Berufsunfähigkeit als technischer Zeichner. Der Versicherer zahlte ihm ab 2002 bis zum 01.08.2015 die vereinbarte Rente. Die Einstellung der Leistung begründete die Versicherung damit, dass der Mann seit April 2015 nach einer Umschulung als technischer Zeichner beschäftigt war und diese Tätigkeit mit der als Gas- und Wasserinstallateur vergleichbar sei. Daraufhin zog der Versicherungsnehmer vor Gericht. Die Begründung seinerseits lautete, dass er zu mindestens 50% außerstande war, seinen Beruf weiter auszuüben. In der ersten Instanz entschied das Gericht zugunsten der Versicherung. Die Tätigkeit als technischer Zeichner bilde einen Verweisungsberuf im Sinne der Versicherungsbedingungen. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass das Einkommen als technischer Zeichner den fiktiven Lohn unterschreite, den der Mann als Gas- und Wasserinstallateur erhalten würde. Der Mann aber befand, dass das Gericht die tarifliche Weiterentwicklung des betreffenden Lohns zu berücksichtigen habe. So sei das Gehalt eines Gas- und Wasserinstallateurs in besagtem Zeitraum um rund 30% gestiegen – als technischer Zeichner verdiene er jedoch entsprechend weniger. Die Versicherung argumentierte hingegen, dass die BU-Rente der Sicherung des Lebensunterhalts und nicht als Schadenersatz diene. Er sei deshalb nicht so zu stellen, wie er bei normalem Lauf der Berufstätigkeit gestanden hätte.

Die Entscheidung des Gerichts

Die Ansicht der Richter des OLG entsprach allerdings der Berufung des Versicherungsnehmers in weiten Teilen. Der Mann habe insofern weiterhin Anspruch auf die Zahlungen aus seiner Berufsunfähigkeitsrente, denn er übe mit seinem neuen Beruf als Technischer Zeichner nicht eine „seiner Ausbildung oder Erfahrung und bisherigen Lebensstellung entsprechende berufliche Tätigkeit aus“, befanden die Richter. So läge eine vergleichbare Tätigkeit erst dann vor, „wenn die aufgezeigte Erwerbstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert und auch in ihrer Vergütung wie in ihrer Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufs absinkt“, führten die Richter weiter aus. Aufgrund der erheblichen Einkommenseinbußen ist die Tätigkeit als technischer Zeichner nicht der des Gas- und Wasserinstallateurs entsprechend.

Fortschreibung eines fiktiven Einkommens erforderlich

Bei der Gegenüberstellung müsse das Einkommen fiktiv fortgeschrieben werden. Zwischen Eintritt des Versicherungsfalls und Leistungseinstellung liegen 13 Jahre. „Dass der Lohn, den der Kläger ursprünglich als Gas- und Wasserinstallateur erhalten hat, nach einem derart langen Zeitraum nicht ohne jede Fortschreibung mit dem Gehalt aus der Tätigkeit als Technischer Zeichner verglichen werden kann, liegt auf der Hand.“ Bei der Fortschreibung des Einkommens müsse man sich an den maßgebenden Tarifvereinbarungen orientieren und nicht an der Entwicklung der Lebenserhaltungskosten. Der Tariflohn für Gas- und Wasserinstallateur betrug 2015, also als der Mann seine neue Tätigkeit als technischer Zeichner aufnahm, 2.798,21 Euro pro Monat. Der Beruf des technischen Zeichners wurde mit 2.026,59 Euro vergütet. Das Gericht errechnete daraus ein Einkommen, welches um 27,58% niedriger ausfiel. „Aufgrund einer solchen Differenz kommt eine Verweisung auf den Beruf des Technischen Zeichners nicht in Betracht“, so das Gericht. (kk)

OLG Oldenburg, Urteil vom 07.12.2016, Az.: 5 U 84/16