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22. Februar 2019
Wie konnte es nur so weit kommen?

Wie konnte es nur so weit kommen?

Detektive, Protokolle, Peilsender. Ein von „Frontal 21“ im Januar aufgegriffenes Aufregerthema handelt von Versicherungen, die ihren berufsunfähigen Kunden hinterherspionieren und sie am Arbeitsplatz erwischen. Zeit, sich an die Grundidee von Versicherern zu erinnern, meint AssCompact-Redakteurin Adele Dietl.

Kommentar von Adele Dietl, AssCompact

Jahresanfang 2019: Mitte Januar macht das ZDF-Politmagazin „Frontal 21“ publik, wie ein Konditormeister und ein Bistro-Besitzer von ihrer Krankenversicherung ausspioniert wurden, da sie sie sich trotz Krankschreibung und Krankentagegeldleistungen an ihren Arbeitsstätten aufgehalten haben. Von schlecht bezahlten Detektiven und illegalen Überwachungsmethoden wie Peilsendern am Auto ist die Rede. Versicherungsgesellschaften, die auf diese Art und Weise ihren Kunden hinterherspionieren? Unglaublich! Der Aufschrei ist groß, die Staatsanwaltschaft ermittelt. Wie konnte es nur soweit kommen?

Rückblende zum Beginn des 19. Jahrhunderts: Damals entstanden in Deutschland zwar bei Weitem nicht die ersten, aber viele neue Versicherungsgesellschaften. In ihrer Urform oft als Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit. Der Grundgedanke: gemeinschaftliches, solidarisches Einstehen für denjenigen oder diejenigen, die in Not geraten sind und schnell finanzielle Hilfe benötigen. Alle tragen gemeinsam die Last eines Einzelnen. So hatten die Gesellschaften damals anschauliche Namen wie „Feuerversicherungsbank“, „Witwen- und Waisenkasse“ oder „Bestattungsverein“. Das Solidaritätsprinzip schien ganz gut funktioniert zu haben ... Bis heute.

Schätzungen zufolge entsteht der Versicherungswirtschaft aktuell im Kompositbereich jährlich ein Schaden von 4 bis 5 Mrd. Euro durch Versicherungsbetrug. Durch Kunden also, deren Smartphones just in dem Moment kaputtgehen und ersetzt werden müssen, wenn ein neues Modell auf dem Markt ist. Kunden, deren Fernseher ausgerechnet dann zu Bruch gehen, wenn die Fußball-WM vor der Tür steht, die man sich gerne auf einem schicken, neuen Flachbildschirm anschauen möchte. Kunden, die Verkehrsunfälle mit Freunden oder Bekannten fingieren, um den kleinen selbstverschuldeten Kratzer im Lack von der Versicherung ersetzt zu bekommen ... Und im Leben- und Krankenbereich sind es halt Kunden, die Arztrechnungen fälschen oder die Krankentagegeldzahlungen erhalten – und dann dennoch an ihrem Arbeitsplatz aufkreuzen.

Wie konnte es nur so weit kommen, dass die Versichertengemeinschaft durch solche Handlungen immer größeren Schaden nimmt – und die Versicherer sich gezwungen sehen, zu immer drastischeren Mitteln zu greifen, um diesen Schaden einzudämmen? Und vor allem, wo führt das noch hin?

Haben InsurTechs wie Friendsurance die Zeichen der Zeit erkannt, indem sie das wenig greifbare Produkt „Versicherung“ wieder in einen greifbaren, weil überschaubaren, Personenkreis holen – Freundeskreis, in dem sich nur Menschen befinden, für die man selbst einstehen kann, für deren Schadenfälle man bereit ist, mitzubezahlen?

Könnte es gelingen, irgendwann auch aufwendigere und kostspieligere Versicherungen, wie beispielsweise BU-Versicherungen, Krankentagegeld etc. auf diese Art und Weise zu finanzieren? Wenn nicht, muss sich die Gesellschaft bei diesen Produkten nämlich weiterhin auf das große, anonyme Kollektiv der Versicherungsnehmer verlassen – und einfach darauf vertrauen, dass die Solidargemeinschaft trotzdem funktioniert ...

 
Ein Artikel von
Adele Dietl