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7. November 2023
Rechtsschutz transformiert zur Legal Protection Insurance

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Rechtsschutz transformiert zur Legal Protection Insurance

Die „Lex Rechtsschutz“ des § 4 RDG muss weg!

Die meisten Versicherer sehen sich schon seit längerer Zeit nicht mehr als alleinige Zahlstelle der Anwaltschaft, sondern als aktive Konfliktlöser und Rechtsnavigatoren für ihre Versicherten. Nun fordert auch der GDV, dass die „Lex Rechtsschutz“ des § 4 RDG mit Blick auf andere EU-Länder und die Schweiz zu Grabe getragen wird. Für die Anwaltschaft auf dem diesjährigen Anwaltstag eine „Kriegserklärung“ – selten, dass sich eine GDV-Vertreterin so etwas hat vorhalten lassen müssen. Aber Flagge zeigen ist wichtig, um Veränderungen und ein Level-Playing-Field gegenüber den LegalTechs auch durchzusetzen.

Rechtsdienstleistungsmarkt 2030 kommt näher oder ist schon da

Die Anwaltschaft ist aufgefordert, ihre eigene Zukunftsstudie 2030 des Deutschen Anwaltverein e. V. (DAV) aus dem Jahr 2013 (!) für den deutschen Rechtsmarkt zu lesen. Danach kann davon ausgegangen werden, dass mit der Zulassung von Alternative Business Structures (ABS) im deutschen Rechtsdienstleistungsmarkt und der zumindest teilweisen Abschaffung des Anwaltsmonopols über das RDG zahlreiche neue finanzkräftige Akteure in den Rechtsdienstleistungsmarkt eintreten werden, in einem sehr zerklüfteten 30-Mrd.-Euro-gesamt-Rechtsmarkt. Wenn nun der BayAGH (Anwaltsgerichtshof) über den Europäischen Gerichtshof (EuGH) das Fremdbesitzverbot für Anwaltskanzleien im Jahr 2024 zum Kippen bringt, wovon viele Standesrechtsspezialisten ausgehen, dann kommt es zum „Dammbruch“ für den Rechtsmarkt und nicht nur für das Verbraucherrecht, sondern auch für die Firmenkunden-Großkanzleien. Ob es schlau ist, für Rechtsschutz eigene Kanzleien zu betreiben, die den sonstigen Berufsregeln weiter unterliegen würden, ist für Deutschland eine ganz andere Frage, ein Blick in die kleine Schweiz, die einen größeren Rechtsschutzmarkt (ca. 7 Mrd. Euro) in Relation zu Deutschland (5 Mrd. Euro) hat, ist da hinsichtlich der Produkt- und Eigenregulierungsmodelle hilfreich.

Leuchtturm-Investment von Auxilia und LVM

Die Ergebnisse der DAV-Zukunftsstudie scheinen sich die Strategie-Teams KS Auxilia und LVM sowie von der Rightmart Group zu Herzen genommen und als Leitplanken für ihre gemeinsame Weiterentwicklung der jeweiligen Geschäftsmodelle gesetzt zu haben – mit 27,5 Mio. Euro Investmentkapital ein spannendes Projekt, das auch viel Vertrauen unter sehr gut zusammenpassenden Wettbewerbern erfordert. Und man muss auch gar nicht auf das Fallen des Fremdbesitzverbotes durch den EuGH warten; es gibt diverse andere rechtlich zulässige Optionen, man muss sie nur wollen.

Der Weg der Rightmart Group ist klar kommuniziert. Die Finanzierung der Rechtsschutzversicherer markiert den Start einer Konsolidierungsstrategie für den Verbraucherrechtsmarkt, um das Wachstum weiter zu beschleunigen und Skaleneffekte zu maximieren. So strebt das Bremer Unternehmen an, unterschiedliche LegalTechs zu konsolidieren, was mit der Legal One GmbH begonnen wurde, und in Zusammenarbeit mit Partnerkanzleien die größte und bekannteste Kanzleimarke für Verbraucherrecht aufzubauen. Letzteres soll anorganisch auf Basis einer Roll-up-Strategie für Kanzleien beschleunigt werden.

Aber auch die DEVK und ROLAND Rechtsschutz sind mit ihren LegalTechs Klugo und Jurpartner in den Markt und bis auf die CHECK24-Plattform gestartet und die ARAG treibt den Umbau der deutschen Muttergesellschaft zum LegalTech mit Rechtsdienstleistungen und Versicherungsschutz weiter voran und ist hierbei auch vertrieblich seit 2015 höchst erfolgreich.

Die Herausforderungen werden also nicht kleiner, da auch die Inflationsfolgen auf die Streitwerte und weiteren Kostenerhöhungen für Anwälte und Gerichte – neue Kostengesetze im Jahr 2024 sind im Anflug – zu verarbeiten sein werden. Dass sich Rechtsschutz unter diesen Voraussetzungen und Zukunftsaussichten auch als smarte Embedded Legal Insurance weiterentwickeln kann und damit neue Märkte für sich öffnet, ist nur eine spannende Folge für eine Sparte, die das Potenzial zur High-Interest-Versicherung aus Kunden- und Vertriebssicht hat. Welche Sparte hat dies schon?

Über Andreas Heinsen

Andreas Heinsen, Rechtsanwalt, begann als Versicherungsvermittler nach §84 HGB, absolvierte nach dem Jurastudium Stationen bei der Volksfürsorge, Hamburger Feuerkasse und Hamburg-Mannheimer. 1996 erfolgte die Berufung zum Vorstand der ÖRAG Rechtsschutz AG, 2010 zum Vorstandsvorsitzenden der Deutsche Assistance Versicherung AG. 2021 schied er nach 25 Vorstandsjahren aus seinen Ämtern aus und ist heute als beratender Rechtsanwalt und Dozent im Umfeld von Versicherern, LegalTechs sowie der Anwaltschaft tätig.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 11/2023 und in unserem ePaper.

Bild: © natali_mis – stock.adobe.com

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Ein Artikel von
Andreas Heinsen