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BU – Die Konsequenzen der Vertragsanpassung des Versicherers

Eine einseitige Vertragsanpassung des Versicherers bei einem BU-Vertrag stößt häufig auf Unverständnis des Versicherten. Nicht selten führt eine derartige Vertragsgestaltung zu rechtlichen Auseinandersetzungen. Rechtsexperte Björn Jöhnke erläutert in seiner regelmäßig erscheinenden BU-Kolumne, was dabei zu beachten ist.

Ein Artikel von Björn Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Verletzt der Versicherungsnehmer die vorvertragliche Anzeigepflicht, so können dem Versicherer verschiedene Gestaltungsrechte zustehen. Diese Gestaltungsrechte sind vom Grad des Verschuldens des Versicherungsnehmers abhängig. Neben dem Rücktritts- (BU – Die Konsequenzen des Rücktritts durch den Versicherer), Kündigungs- (BU: Die Konsequenzen der Kündigung durch den Versicherer) und Anfechtungsrecht (BU: Die Konsequenzen der Anfechtung durch Versicherer) kann dem Versicherer im Einzelfall das Recht zur Vertragsanpassung zustehen, § 19 Abs. 4 Versicherungsvertragsgesetz (VVG).

Aber unter welchen Voraussetzungen ist eine – möglicherweise auch – rückwirkende Vertragsanpassung zulässig? Welche Arten der Vertragsanpassung gibt es? Was sind die rechtlichen Konsequenzen für den Versicherungsnehmer? Diese und weitere Fragen werden im Folgenden geklärt.

Voraussetzungen der Vertragsanpassung

Das Recht zur Vertragsanpassung erfordert zunächst eine objektive Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers und auch dessen Kenntnis von dem anzeigepflichtigen Umstand. Das Recht zur Vertragsanpassung steht dem Versicherer nur bei einfacher oder grob fahrlässiger Anzeigepflichtverletzung des Versicherten zu. Das Vertragsanpassungsrecht besteht nur, insoweit es sich bei den nicht angezeigten Umständen um vertragsmodifizierende Umstände handelt, also um solche, deren Kenntnis den Versicherer nicht dazu bewegen würden, den Vertragsschluss abzulehnen, sondern den Vertrag, wenn auch zu anderen Bedingungen, trotzdem abzuschließen.

Der Versicherer, der sich auf eine Vertragsanpassung beruft, hat die Arglist bzw. den Vorsatz des Versicherungsnehmers hinsichtlich der vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung zu beweisen. Gelingt es dem Versicherten wiederum den Beweis für das Nichtvorliegen der Arglist bzw. des Vorsatzes zu erbringen, so trägt der Versicherer die sekundäre Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Vertragsanpassung.

Fortführung des Versicherungsvertrages

Hat der Versicherungsnehmer die ihm obliegende Anzeigepflicht nicht vorsätzlich verletzt, kann sich der Versicherer nicht durch Rücktritt oder Kündigung vom Vertrag lösen, wenn er diesen auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte.

Unter „andere Bedingungen“ kann Verschiedenes verstanden werden, wie etwa ein Risikozuschlag bzw. Leistungsausschluss, eine Prämienerhöhung, ein Selbstbehalt, eine andere Laufzeit oder eine abweichende Versicherungssumme.

Bei der Frage, ob der Versicherer das Risiko bei Kenntnis der tatsächlichen Umstände versichert hätte, kommt es auf die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblichen Geschäftsgrundsätze an. Hängt die Versicherbarkeit des tatsächlichen Risikos aber von einer Einzelfallprüfung ab, so ist das Ergebnis der Einzelfallprüfung entscheidend.

Veränderung der Bedingungen

Der Versicherer kann die abweichenden Bedingungen, zu denen er den Vertrag geschlossen hätte, geltend machen. Bei mehreren alternativen Anpassungsmöglichkeiten steht dem Versicherer ein Wahlrecht zu. Einschränkend darf der Versicherer die Wahl allerdings nicht völlig willkürlich treffen, sondern hat nach billigem Ermessen zu entscheiden.

Rückwirkende Vertragsanpassung

Ob die veränderten Bedingungen rückwirkend einbezogen werden können, hängt maßgeblich vom Verschulden des Versicherungsnehmers hinsichtlich der Anzeigepflichtverletzung ab. Bei grober oder einfacher Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers kommt eine rückwirkende Vertragsanpassung in Betracht. Dabei werden die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses rechtmäßigen Bedingungen durch Erklärung des Versicherers rückwirkend in Kraft gesetzt. Im Falle schuldloser Verletzung der Anzeigepflicht kann eine Vertragsanpassung nur ab der laufenden Versicherungsperiode geltend gemacht werden.

Rechtsfolgen der Vertragsanpassung

Im Rahmen der rückwirkenden Vertragsanpassung kommt als Rechtsfolge die Leistungsfreiheit des Versicherers mit einer Zeitgrenze von fünf Jahren in Betracht, wenn der nicht angezeigte Umstand zu einem Risikoausschluss geführt hätte. Hätte der Umstand lediglich zu einem Risikozuschlag geführt, hat dies eine rückwirkende Prämienforderung mit einer Zeitgrenze von fünf Jahren zur Folge.

Hinsichtlich der Vertragsanpassungen ab laufender Versicherungsperiode wird innerhalb der Annahme, dass der verschwiegene Umstand zu einem Risikoausschluss geführt hätte, zwischen den Zeitpunkten des Leistungsfalles differenziert. Liegt der Leistungsfall in der laufenden Versicherungsperiode, führt das zur Leistungsfreiheit des Versicherers. Liegt der Leistungsfall wiederum außerhalb der laufenden Versicherungsperiode, hat das eine Leistungspflicht zur Folge. In den Fällen, in denen der nicht angezeigte Umstand zu einem Risikozuschlag geführt hätte, kann der Versicherer eine Prämienforderung rückwirkend bis zum Beginn der laufenden Versicherungsperiode, also maximal für ein Jahr verlangen.

Wegfall des versicherten Risikos

Ein sogenannter Risikofortfall liegt vor, wenn das versicherte Risiko, namentlich die besonderen gefahrerhöhenden Umstände weggefallen sind. In diesen Fällen kann der Versicherungsnehmer eine Herabsetzung der möglicherweise obsolet gewordenen erhöhten Prämie verlangen und den Versicherungsschutz anpassen. Voraussetzung dafür ist, dass das potenziell erhöhte Risiko insgesamt nicht (mehr) besteht und auch zukünftige Folgen ausgeschlossen sind. Diesbezüglich trägt der Versicherungsnehmer die Darlegungs- und Beweispflicht.

Fazit und Praxishinweise

Eine Vertragsanpassung kann beträchtliche Folgen für den Versicherungsnehmer bis hin zum Leistungsausschluss haben. Macht ein Versicherer von diesem Gestaltungsrecht Gebrauch, sollte das Vorgehen zwingend juristisch überprüft werden, bevor Ansprüche des Versicherten vereiteln.

Weitere Beiträge zum Thema der Berufsunfähigkeitsversicherung.

Bild: © Studio_East – stock.adobe.com; © Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

 

Berufsunfähigkeit absichern: neue Arbeitswelt und Anforderungen

Die Arbeitswelt befindet sich im Wandel. Ob Gleitzeit, Teilzeit oder Auszeit – immer mehr Arbeitnehmende wünschen sich flexible Arbeitszeitmodelle, um Beruf und Privatleben in Einklang zu bringen. Das betrifft Versicherungsunternehmen gleich doppelt – als Arbeitgeber und als Produktanbieter.

Ein Artikel von Michael Kurtenbach, Vorstandsvorsitzender der Gothaer Lebensversicherung AG

Wer als Arbeitgeber – insbesondere vor dem Hintergrund des akuten Fachkräftemangels – auf dem Arbeitsmarkt überzeugen will, kommt an variablen Arbeitszeitmodellen nicht vorbei. Das gilt in zweierlei Hinsicht auch für Versicherungsunternehmen: Wichtig in der Rolle des Arbeitgebers sind flexible Arbeitszeitangebote für die Mitarbeitenden, in der Rolle des Produktanbieters aber auch flexible und an die Lebenssituation anpassbare Versicherungsprodukte für die Versicherungsnehmer und Versicherungsnehmerinnen.

 
Neue Arbeitswelt, neue Anforderungen – Berufsunfähigkeit absichern
Die Arbeit der Zukunft? Flexibel!

Eine aktuelle forsa-Studie im Auftrag der Gothaer hat die Bedürfnisse von abhängig Beschäftigten in der Arbeitswelt untersucht. Die Studie zeigt: Jeder dritte abhängig Beschäftigte in Deutschland zwischen 18 und 50 Jahren hat schon einmal seine Arbeitszeit reduziert. Zunehmend planen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen dies auch für ihre Zukunft: Insbesondere jüngere Menschen – nämlich 33% der 19- bis 29-Jährigen – wollen ihre Arbeitszeit zukünftig (weiter) reduzieren. Hingegen nehmen sich das nur 23% der 45- bis 50-Jährigen vor. Auch im Gothaer Konzern ist der Trend zu mehr Teilzeit spürbar: Während vor zehn Jahren noch jeder Fünfte in Teilzeit arbeitete, war es im Jahr 2022 bereits jeder Vierte. Unterschiede zwischen den Generationen zeigen sich auch bei der persönlichen Bedeutung der Arbeit: Nur 11% der jüngeren abhängig Beschäftigten zwischen 18 und 29 Jahren messen ihrer Arbeit einen sehr hohen Stellenwert bei. Bei den 45- bis 50-Jährigen sind es 19%.

Neben der Reduzierung der Arbeitszeit nehmen viele Beschäftigte auch Auszeiten von der Arbeit: Ein Drittel aller abhängig Beschäftigten weist in ihrer Erwerbshistorie Auszeiten von mindestens drei Monaten auf. Darunter sind deutlich mehr Frauen (39%) als Männer (19%). Hauptgrund für die Arbeitszeitreduktion als auch für vollständige Auszeiten ist mit deutlichem Abstand die Kindererziehung.

Die unterschätzten Auswirkungen der Berufsunfähigkeit

Als zweithäufigsten Grund für die Erwerbsunterbrechung nennen 23% der Befragten eine längere Krankheit. Um die finanziellen Einbußen auszugleichen, die im Falle einer Krankheit oder einer daraus resultierenden Berufsunfähigkeit entstehen können, greifen nur 52% aller Befragten auf eine private Absicherung, zum Beispiel durch eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU), zurück. 50% verlassen sich auf die Leistungen der Sozialversicherung, beispielsweise der Rentenversicherung. Doch das ist bekanntlich eine falsche Sicherheit und nach wie vor ein wichtiger Punkt in der Beratung. Schließlich gibt es eine staatliche Berufsunfähigkeitsrente nur noch für vor 1962 Geborene. Für alle anderen drohen ohne eine private Absicherung in Form einer Berufsunfähigkeitsversicherung oder eines Fähigkeitenschutzes erhebliche finanzielle Einbußen, wenn sie ihre Arbeitskraft verlieren.

Zeitgemäße Produkte müssen einerseits dieses finanzielle Risiko absichern, sich andererseits aber auch an die veränderte Arbeitswelt anpassen können. Deshalb bietet beispielsweise die neue Berufsunfähigkeitsversicherung der Gothaer eine Work-Life-Balance-Option, die den Versicherungsnehmern und -nehmerinnen maximale Flexibilität durch Beitragsanpassungen ermöglicht. Das bedeutet: Reduziert eine Versicherungs­nehmerin oder ein Versicherungsnehmer die Arbeitszeit, kann auch die BU-Rente maximal im gleichen prozentualen Verhältnis abgesenkt werden. Damit sinkt gleichzeitig auch der Beitrag. Wird die Arbeitszeit erhöht, kann die BU-Rente ebenfalls im gleichen Verhältnis aufgestockt werden – ohne erneute Risikoprüfung. Die Anpassung ist beliebig oft bis zum Ende der Ver­sicherungsdauer möglich.

Mitarbeiter mit ganzheitlichen Vorsorgekonzepten überzeugen

Noch größeres Vertriebspotenzial als der Berufsunfähigkeitsschutz für Privatkunden bietet die kollektive SBU, also die selbstständige Berufsunfähigkeitsversicherung eingebettet in Gruppenversicherungslösungen für Firmenbelegschaften. Im immer stärker werdenden Wettbewerb um Nachwuchs- und Fachkräfte spielen für Arbeitgeber ganzheitliche Vorsorgekonzepte eine entscheidende Rolle, um sich erfolgreich von Mitbewerbern abzuheben. Neben flexiblen Arbeitszeiten, Home-Office-Möglichkeiten und attraktiven Gehältern können Gesamtkonzepte zur Absicherung der Mitarbeitenden mit Bausteinen in der Altersvorsorge, aber auch der Berufsunfähigkeits- (BU-) und Todesfallabsicherung oder mit Elementen der Kranken- und Gruppenunfallversicherung das Zünglein an der Waage sein.

Einen solchen Baustein im Rahmen der arbeitgeberfinanzierten bAV bietet beispielsweise der Versorgungsplan Business der Gothaer, der die gesamte Belegschaft mit einer Berufsunfähigkeitsrente und/oder einem Hinterbliebenenschutz absichert. Im Gegensatz zu herkömmlichen Vorsorgekonzepten der betrieblichen Altersversorgung, die in der Regel keine Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenabsicherung enthalten, sind diese wichtigen Komponenten bei diesem Kollektivprodukt enthalten. Über eine einfache Erklärung des Arbeitgebers wird die Belegschaft im Unternehmen ab zehn Beschäftigten gegen existenzielle Risiken abgesichert. Zusätzlicher Vorteil für die Belegschaft: Der Berufsunfähigkeitsschutz ist im Schnitt pro Mitarbeitendem im Kollektiv deutlich günstiger, als wenn sich jeder privat absichern würde.

Frühzeitige Absicherung zahlt sich aus

Berufsunfähigkeit ist auch heute noch ein vielfach unterschätztes Risiko und zweifellos eine der wichtigsten Versicherungen für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Aufklärung und Sensibilisierung für das Thema sind wichtig – vor allem bei der jüngeren Generation. Denn: Je früher eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen wird, umso günstiger ist sie. Die kollektive Berufsunfähigkeitsversicherung als Baustein in der betrieblichen Altersvorsorge ist bisher ein am Markt sehr wenig verbreitetes Angebot. Versicherungsvermittler und -vermittlerinnen können ihren Firmenkunden durch das Gesamtkonzept ein wertvolles Instrument zur Mitarbeiterbindung an die Hand geben. Davon profitieren Arbeitgeber sowie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gleichermaßen.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 09/2023 und in unserem ePaper.

Bild: © Fokussiert – stock.adobe.com; Grafik: © Gothaer

 
Ein Artikel von
Michael Kurtenbach

Continentale senkt BU-Prämien für Ärzte und Akademiker

Die Continentale Lebensversicherung hat die die Risiken für Akademiker und Ärzte in der Berufsunfähigkeitsversicherung neu bewertet. Als Resultat der Neubewertung konnten die Prämien für rund 700 Berufe gesenkt werden.

Die Continentale Lebensversicherung hat eine Neubewertung der Risiken für ihre Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) für Ärzte und Akademiker vorgenommen. Infolgedessen konnten die Prämien für rund 700 Berufe gesenkt werden. Im Durchschnitt sinken die Beiträge um etwa 20%. Teurer wird es dagegen für niemanden, versichert das Unternehmen in einer Pressemitteilung.

„Wer viel Zeit und Geld in seine Ausbildung investiert, sollte seine wertvolle Arbeitskraft hochwertig absichern“, kommentiert Dr. Helmut Hofmeier, Vorstand Leben bei der Continentale Versicherung.

Anpassung je nach Bedarf und Lebensphase

Kunden können je nach Bedarf und Lebensphase zwischen verschiedenen BU-Paketen wählen. So kann etwa im Karriere-Paket der Schutz bei Abschlüssen, Weiterbildungen oder nach einem Berufswechsel angepasst werden. Der Baustein ist sowohl im Tarif Premium als auch in der preisgünstigeren Start-Variante erhältlich.

Neuauflage der betrieblichen PremiumBU

Eine weitere, kürzlich umgesetzte Neuerung ist die Neuauflage der betrieblichen PremiumBU für Kollektive ab zehn Personen. Damit können Arbeitgeber die BU-Versicherung in ihr betriebliches Vorsorgeangebot aufnehmen. Das Angebot ist stark auf den Bedarf der Arbeitgeberkunden ausgerichtet, etwa durch vereinfachte Annahmerichtlinien, so der Versicherer. (js)

Bild: © Ruan J/peopleimages.com – stock.adobe.com

 

IVFP kürt die besten BU-Versicherungen

Wo gibt es für Angehörige kaufmännischer Berufe, Selbstständige, Studenten, Azubis, medizinisches Personal und Handwerker die passende Berufsunfähigkeitsversicherung? Das IVFP hat in seinem neu aufgelegten Rating 57 Tarife der selbstständigen Berufsunfähigkeitsversicherung von 48 Anbietern beleuchtet.

Wie jüngst erst eine Auswertung der KKH Kaufmännische Krankenkasse zeigte, ist die Anzahl berufstätiger Menschen, die an einer psychischen Belastung leiden, im ersten Halbjahr 2023 deutlich gestiegen. Da seelische Erkrankungen die häufigsten Ursachen für eine Berufsunfähigkeit sind, unterstreicht dies einmal mehr, wie wichtig eine passende Berufsunfähigkeitsversicherung ist.

In seinem aktuellen BU-Rating hat das Institut für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP) das Angebot der selbstständigen Berufsunfähigkeitsversicherung unter die Lupe genommen. Laut IVFP sind die Individualisierungsmöglichkeiten in der selbstständigen Berufsunfähigkeitsversicherung (SBU) zum Glück enorm. Zeitgleich würden die Versicherer ihre Bedingungen regelmäßig verbessern. Ein reines Bedingungsrating würde aber nur ein Teilaspekt als Ergebnis liefern. Deshalb berücksichtigt das IVFP unterschiedliche Fallkonstruktionen von Musterfällen, um ein möglichst realistisches Bild zu bekommen.

Vier Teilbereiche

Anhand von über 100 Kriterien wurden im aktuellen Rating die Tarife für die Berufsgruppen Kaufmännische Berufe, Selbstständige, Studenten, Auszubildenden, medizinische Berufe und Handwerk untersucht. „Verschiedene Berufsgruppen unterstreichen die Besonderheiten dieses ganzheitlichen und realitätsnahen Ansatzes unseres Ratings. Nur so kann ein wertvolles Ergebnis geliefert werden“, erklärt Michael Hauer, Geschäftsführer des IVFP.

Wie in den vergangenen Jahren wurden die Tarife in den vier ausgewählten Teilbereichen Preis/Leistung, Unternehmensqualität, Flexibilität und Transparenz geprüft, die in unterschiedlich starker Gewichtung in die Bewertung eingeflossen sind. Insgesamt haben die Experten vom IVFP 57 SBU-Tarife von 48 Anbietern unter die Lupe genommen.

Erneut hat das IVFP darauf verzichtet, Versicherer aufzulisten, die eine schlechtere Note als 2,0 haben. Dadurch will man einer negativen Berichterstattung über Anbietern entgegenwirken, deren Strukturen sich beispielsweise noch im Aufbau befinden. Wie die Anaylsten unterstreichen, sei ein schlechteres Ratingergebnis nicht damit gleichzusetzen, dass der Versicherer ungenügend sei.

57 Tarife von 48 Anbietern auf dem Prüfstand

Insgesamt haben die Experten vom IVFP 57 SBU-Tarife von 48 Anbietern unter die Lupe genommen. Im Bereich der Serviceversicherer schneiden bei den kaufmännischen Berufen insgesamt 25 Tarife mit der Bestbewertung „exzellent“ ab. In der Kategorie der Selbstständigen sind 22 Tarife als „exzellent“ bewertet. Für die Zielgruppe der Studenten hat das IVFP insgesamt 26 Tarifen die Bestnote vergeben. Bei den medizinischen Berufen sind 19 Tarife als exzellent eingestuft. Bei den Auszubildenden wie auch den Handwerkern finden sich jeweils 18 Tarife mit Höchstwertung.

Welche Tarife der Direktversicherer überzeugen konnten, die am Ranking teilgenommen haben, hat das IVFP in separaten Listen zusammengefasst.

Hier geht es zu den Ergebnissen

Die Tarife mit Höchstwertung aufzuführen, würde diesen Rahmen sprengen. Die jeweiligen Einzelratings für die sechs untersuchten Berufsgruppen hat das IVFP auf seiner Webseite veröffentlicht – jeweils unterteilt nach Service- und Direktversicherern.

Bild: © Sutthiphong – stock.adobe.com

 

die Bayerische überarbeitet BU-Versicherung

Die Versicherungsgruppe die Bayerische hat an ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung gefeilt. Im Mittelpunkt der Überarbeitung standen dabei zahlreiche Berufsbezeichnungen. Etliche Berufsgruppen sind nun präziser eingeteilt. Weiteres Augenmerk liegt auf der Gruppe der Schüler.

Wie die Versicherungsgruppe die Bayerische mitteilt, hat sie ihre BU PROTECT-Tarife angepasst. Bei der Optimierung lag der Fokus auf über 100 Berufsbezeichnungen. Verbesserungen sind speziell in den Bereichen Medizin, Ingenieurwesen und Gerichtswesen erfolgt. Ärzte, Ingenieure und Fachkräfte im Gerichtswesen können nun von deutlich günstigeren Beiträgen profitieren. Dies ergibt sich aus einer präzisen und differenzierten Einteilung der Risikoklassen, die zu reduzierten Versicherungsbeiträgen für neue Kunden führt. „Die präzisere Einteilung der Berufsgruppen ist das Ergebnis einer umfassenden Bewertung und erneuten Analyse unserer Daten“, erklärt Martin Gräfer, Vorstandsmitglied der Bayerischen.

Schüler im Mittelpunkt

Neben der Überarbeitung der Berufsgruppen hat die Bayerische besonderes Augenmerk auf Schüler und junge Erwachsene gelegt. So werden Schüler der gymnasialen Oberstufe besser eingestuft und profitieren von günstigeren Beiträgen. 

18-jährigen Abiturienten mit geplantem Studienbeginn im Oktober bietet die Bayerische die Möglichkeit eines vordatierten technischen Versicherungsbeginns. Eine Vordatierung ist bis zu drei Monate möglich. Der Abiturient kann also bereits im August eine BU als Student mit Versicherungsbeginn Anfang Oktober oder Anfang November abschließen. Das Studium sichert dann eine günstigere BKL-Einstufung im Vergleich zum Schülerstatus. 18-jährige Schüler mit geplantem Freiwilligen Sozialen oder Ökologischen Jahr (FSJ/FÖJ) im September können umgekehrt noch die vorteilhaftere BKL-Einstufung als Schüler nutzen.

16-jährige Schüler nach Abschluss der 10. Klasse, die im Oktober eine Ausbildung starten, werden ebenfalls zur Zielgruppe. Hier rät die Bayerische zum Beispiel für handwerkliche Berufe, wegen der günstigeren Einstufung als Schüler die Versicherung noch vor dem Ausbildungsbeginn abzuschließen.

Die neuen Tarife stehen ab sofort zur Verfügung. (tk)

Bild: © Studio Romantic – stock.adobe.com

 

Spezialisierung: auch für Versicherer interessant

Versicherungsmakler Moritz Heilfort hat mit der Individualisierung und Kundenzentrierung zwei Herausforderungen identifiziert, die den Versicherern schwer zu schaffen machen. Wie sollte die Versicherungswirtschaft darauf reagieren? Und welche Rolle können dabei Versicherer wie Makler einnehmen?

Ein Beitrag von Moritz Heilfort, Geschäftsführer der paladinum GmbH

Als Versicherungsmakler habe ich an der Entwicklung einer speziellen Dienstunfähigkeitsversicherung der Bayerischen für Soldaten mitwirken können, die nun sehr erfolgreich dem gesamten Maklermarkt zur Verfügung steht. Dabei habe ich in den letzten Jahren einen tiefgreifenden Wandel in der Versicherungsbranche beobachtet. Ein Wandel, der getrieben wird von der Suche nach neuen Wegen zur Bewältigung von Herausforderungen wie Digitalisierung, steigenden Kundenerwartungen und zunehmendem Wettbewerb.

Komplexität birgt Chancen

In meiner täglichen Arbeit treffe ich auf ein zentrales Problem: Das traditionelle „One-Size-Fits-All“-Versicherungsmodell reicht oft nicht aus, um den spezifischen Bedürfnissen und Risiken meiner Klientel – die Soldaten der Bundeswehr – gerecht zu werden. Von Auslandseinsätzen bis hin zu erhöhten Risiken für Berufsunfähigkeit: die Anforderungen sind vielfältig und erfordern eine individualisierte Herangehensweise.

Meine Rolle? Eine wichtige Schnittstelle zwischen Soldaten und Versicherungen zu sein. Ich erlebe die Herausforderungen, den Bedarf und die speziellen Risiken hautnah.

Laut einer Studie des Beratungsunternehmens PwC stehen Versicherer vor dem Problem der Individualisierung und Kundenzentrierung (PwC, „Insurance 2020: The digital prize – Taking customer connection to a new level“, 2021). In der Tat erfordert das klassische Versicherungsmodell eine Neujustierung, um der wachsenden Forderung nach maßgeschneiderten Versicherungslösungen nachzukommen.

Ich bin Vermittler und Berater. Einer, der die speziellen Bedürfnisse der Soldaten versteht und diese Erkenntnisse an Versicherungsunternehmen weitergibt, um maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln. Versicherungsmakler wie ich spielen in diesem Prozess eine wichtige Rolle. Wir sind es, die die spezifischen Bedürfnisse der Zielgruppe kennen, die Herausforderungen verstehen und die Versicherungsgesellschaften dabei unterstützen, effektive und zielgruppengerechte Lösungen zu entwickeln.

Dieser Prozess ist zweifellos komplex, erfordert ein tiefes Verständnis der Zielgruppe, eine genaue Kenntnis der regulatorischen Rahmenbedingungen und einen klaren Blick auf die wirtschaftlichen Auswirkungen. Doch es ist genau diese Komplexität, die auch die größten Chancen birgt.

Produkt, Marketing und Verkauf integriert betrachten

Wie die Boston Consulting Group in ihrer Studie „Driving Growth Through Targeted Business Models“ (2023) betont, ermöglicht eine zielgruppenorientierte Herangehensweise eine stärkere Kundenbindung und eine effektivere Differenzierung im Wettbewerb.

In der Zusammenarbeit mit Versicherungsunternehmen wird deutlich, dass der Prozess der Produktentwicklung für eine spezifische Zielgruppe von der Kooperation mehrerer Stakeholder abhängig ist. Risikobewerter, Produktentwickler und Regulierungsexperten müssen Hand in Hand arbeiten, um ein Produkt zu schaffen, das den speziellen Bedürfnissen einer Gruppe gerecht wird und gleichzeitig regulatorische und wirtschaftliche Anforderungen erfüllt.

Nehmen wir zum Beispiel die speziellen Risiken, denen Soldaten ausgesetzt sind: Abgesehen von der physischen Gefahr durch ihre spezielle Arbeit, sind sie auch oft in Ländern tätig, in denen politische Unruhen und Naturkatastrophen häufiger vorkommen. Die mehr oder weniger transparenten Versorgungsleistungen durch den Dienstherrn tragen kaum zur Minderung bei. Diese Risiken erfordern spezielle Versicherungsleistungen, die in herkömmlichen Policen oft nicht berücksichtigt werden.

Aber die Komplexität hört nicht bei der Produktentwicklung auf. Auch das Marketing und der Verkauf von zielgruppenspezifischen Versicherungsprodukten stellen eine Herausforderung dar. So müssen die Produkte auf eine Weise vermarktet werden, die für diese Zielgruppe ansprechend ist.

Das bedeutet, dass auch die Kommunikationskanäle an die Zielgruppe angepasst werden müssen. In meinem Fall bedeutet das zum Beispiel, dass ich als Makler häufig auf den Soldaten zugeschnittene Veranstaltungen besuche oder Informationsmaterialien bereitstelle, die speziell auf die Interessen und Bedürfnisse von Soldaten zugeschnitten sind.

Gleichzeitig muss auch das Pricing der Produkte an die Zielgruppe angepasst werden. Wie eine Studie von Deloitte („Pricing in the insurance industry: Challenges and solutions“, 2022) zeigt, sind gerade zielgruppenspezifische Produkte oft mit erhöhten Risiken verbunden, die in das Pricing einfließen müssen. Ein wahrer Drahtseilakt für die Kalkulation, der zu spannenden Gesprächen mit den Rückversicherern führte.

Ausgewogenheit zwischen Individualisierung und Effizienz

Aber trotz aller Herausforderungen überwiegen meiner Meinung nach die Chancen. Zielgruppenspezifische Produkte bieten die Möglichkeit, engere Beziehungen zu den Kunden aufzubauen und so die Kundenbindung zu erhöhen. Die Bedeutung dieser Beziehungen kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Sie ermöglichen nicht nur den Verkauf von Versicherungsprodukten, sondern auch die Gewinnung wertvoller Kundeninformationen, die wiederum in die Produktentwicklung einfließen können.

In der Versicherungslandschaft existieren aktuell verschiedene Strategien zur Deckung der Bedürfnisse bestimmter Zielgruppen. Neben der Entwicklung von gänzlich neuen Versicherungsprodukten besteht die Möglichkeit, auf Rahmenvertragslösungen zurückzugreifen.

Doch warum sich überhaupt die Mühe machen und komplett neu entwickeln?

Ein neu konzipiertes Versicherungsprodukt ist ein maßgeschneiderter Ansatz, der sich auf individuelle Risikofaktoren und spezielle Anforderungen konzentriert. Es berücksichtigt einzigartige Merkmale und Bedürfnisse der Zielgruppe und bietet die Möglichkeit einer genauen Risikoeinstufung und Preisgestaltung.

Rahmenvertragslösungen hingegen, die häufig mit Berufsverbänden oder ähnlichen Organisationen abgeschlossen werden, bieten Versicherungsschutz auf Gruppenebene. Sie sind in der Regel weniger flexibel in Bezug auf individuelle Anpassungen, bieten jedoch den Vorteil der Kosteneffizienz und einfacher Handhabung für die Mitglieder der Gruppe.

Beide Ansätze haben ihren eigenen Wert und können je nach spezifischen Bedingungen und Risiken der Zielgruppe, in diesem Fall der Soldaten, eingesetzt werden. Als Makler liegt es in meiner Verantwortung, die Vorteile beider Ansätze zu verstehen und sie bei der Gestaltung der optimalen Versicherungslösungen zu berücksichtigen. Diese Ausgewogenheit zwischen Individualisierung und Effizienz ist ein zentraler Bestandteil der zielgruppenspezifischen Produktentwicklung im Versicherungsbereich.

Fazit: zielgruppenspezifische Produktentwicklung

Die zielgruppenspezifische Produktentwicklung ist in der Versicherungsbranche trotz ihrer Herausforderungen ein effektives Mittel, um Wachstum zu erzielen und sich vom Wettbewerb abzuheben. Anhand des Beispiels der Soldaten wird deutlich, dass die Entwicklung maßgeschneiderter Versicherungslösungen nicht nur den Versicherten zugutekommt, sondern auch den Versicherungsunternehmen ermöglicht, neue Märkte zu erschließen. Gleichzeitig kann die Zusammenarbeit mit spezialisierten Versicherungsmaklern oder Assekuradeuren dazu beitragen, diese Produkte erfolgreich auf den Markt zu bringen und den Versicherungsnehmern den bestmöglichen Service zu bieten.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 08/2023 und in unserem ePaper.

Bild: © Worawut – stock.adobe.com

 
Ein Beitrag von
Moritz Heilfort

Muss der Versicherte auch ungefragte Angaben im BU-Antrag machen?

Rechtsstreitigkeiten mit BU-Versicherern kommen häufig vor. Ein Grund dafür kann die Verletzung einer spontanen Anzeigenobliegenheit durch den Versicherten sein. Rechtsexperte Björn Jöhnke erklärt in seiner regelmäßig erscheinenden BU-Kolumne, was die Konsequenzen für Versicherungsnehmer sein können.

Ein Artikel von Björn Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Versicherte müssen die vom Versicherer bei Antragstellung gestellten Gesundheitsfragen wahrheitsgemäß und vollständig beantworten, ansonsten kann der Versicherer den Versicherungsvertrag gegebenenfalls anfechten, den Rücktritt vom Vertrag erklären oder diesen kündigen bzw. ggf. anpassen. Doch was ist, wenn der Versicherte Umstände verschweigt, nach denen in den Gesundheitsfragen – beispielsweise im BU-Antrag – gerade nicht gefragt wurde? Trifft den Versicherten eine sogenannte „spontane Anzeigeobliegenheit“? Ob es eine solche überhaupt geben kann und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen, ist Gegenstand dieses Beitrags.

Die Problematik der spontanen Anzeigeobliegenheit

Rechtsprechung und Literatur sind sich nicht ganz einig in der Frage, ob es für die Figur der spontanen Anzeigeobliegenheit im Versicherungsrecht überhaupt Raum gibt. Denn grundsätzlich ordnet § 19 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) an, dass der Versicherte ausschließlich diejenigen Fragen des Versicherers wahrheitsgemäß beantworten muss, welche dieser in Textform gestellt hat. Dafür spricht auch, dass der Gesetzgeber die § 16 ff. VVG alte Form abschaffte, welche dem Versicherten eine Anzeigepflicht jedweder gefahrerheblichen Umstände aufbürdete.

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ergebe sich aus der Offenbarungspflicht aus § 22 VVG i.V.m. §§ 123, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) im „Anfechtungsrecht“. Einige Meinungen lehnen eine derartige Anzeigepflicht abseits des Anfechtungsrechtes ab. Jedoch wollen einige Meinungen eine spontane Anzeigeobliegenheit unter engen Voraussetzungen auch darüber hinaus anerkennen.

Danach bestehe grundsätzlich erstmal keine Pflicht des Versicherten dazu, Erklärungen an den Versicherer auch unaufgefordert abzugeben. Ausnahmsweise könne den Versicherten dennoch in besonders gelagerten und sparsam anzuwendenden Ausnahmefällen eine spontane Anzeigeobliegenheit gegenüber dem Versicherer treffen.

Vorliegen außergewöhnlicher Umstände

Da es sich bei der spontanen Anzeigeobliegenheit um eine Ausnahme der ausdrücklich angeordneten gesetzlichen Wertung handelt, müssen besondere Umstände vorliegen. Ein solcher liege nach dem LG Münster dann vor, wenn es sich um die Mitteilung außergewöhnlicher und besonders grundlegender Informationen handelt, die das Aufklärungsinteresse des Versicherers so grundlegend berühren, dass sich dem Versicherungsnehmer ihre Mitteilungsbedürftigkeit aufdrängen müsste. Sehe der Versicherte dabei den vom Versicherer gestellten Fragenkatalog berechtigterweise als abschließend an, könne dem Versicherten eine Verletzung dieser Obliegenheit jedoch nicht angelastet werden. Denn abgesehen von Umständen, die so fernliegend und für den Versicherer bei jeglicher Anstrengung nicht vorhersehbar seien, könne der Versicherte davon ausgehen, dass der Versicherer für ihn gefahrerhebliche Umstände erfrage.

In einem weiteren durch das LG Münster zu entscheidenden Fall, ging es um die Leistungen aus einer Pflegetagegeldversicherung bei Nichtangabe eines pränatal diagnostizierten hypoplastischen Linksherzsyndroms. Doch selbst in diesem Verfahren wurden derart außergewöhnliche Umstände durch das Gericht nicht angenommen. Der Versicherer habe ausdrücklich die Möglichkeit einer Nachversicherung von neugeborenen Kindern ohne Risikozuschlag vorgesehen. Auch Geburtsschäden sowie angeborene Krankheiten seien vom Versicherungsschutz mitumfasst. Weder beim Vertragsabschluss noch beim Antrag auf Nachversicherung habe der Versicherer Fragen zum Gesundheitszustand des Kindes gestellt. Diese Umstände dürfe der durchschnittliche Versicherungsnehmer dahingehend werten, dass für den Versicherten ein etwaiges pränatal diagnostiziertes hypoplastisches Linksherzsyndrom nicht von Bedeutung sei und somit keinen außergewöhnlichen Umstand darstelle.

Mitteilungspflicht bei bekannten Diagnosen

Auch wenn eine Diagnose bei Antragstellung bekannt sei, begründe dies nicht zwingend eine Mitteilungspflicht, so das OLG Hamm. Auch wenn vor Antragstellung eine Erkrankung diagnostiziert wurde, müsse diese nicht zwingend mitgeteilt werden, wenn der Versicherer diesbezüglich keine Gesundheitsfragen stellt. Denn der Versicherer trete dem Versicherten gegenüber normalerweise als geschäftserfahren gegenüber.

Der Versicherte könne aufgrund dieser Geschäftserfahrenheit grundsätzlich davon ausgehen, dass der Versicherer weiß, welche Umstände er erfahren möchte und welche für diesen obsolet sind. Somit könne auch verlangt werden, dass nicht nur explizit nach Diagnosen gefragt werde, sondern auch nach Beschwerden oder Symptomen. Stellt der Versicherer keine Fragen, geht dies nicht zu Lasten des Versicherten. Etwas anderes könne nur in evidenten und „krassen“ Fällen gelten, bei denen der durchschnittliche Versicherte einzig und allein den Schluss der Erheblichkeit für den Versicherer ziehen könne. Die durch die Krankenversicherung eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH gegen die Entscheidung des OLG Hamm wurde zurückgewiesen. Der BGH sah sich demnach nicht veranlasst, die Entscheidung des OLG Hamm abzuändern.

Fazit und Hinweise für die Praxis

Bejaht man die Anwendbarkeit der Figur der spontanen Anzeigeobliegenheit, so ist eine zurückhaltende Anwendung geboten. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände und besonders grundlegender Informationen kann hiervon Gebrauch gemacht werden. Stellt der Versicherer keine entsprechenden Fragen im Versicherungsantrag, kann der durchschnittliche Versicherte davon ausgehen, dass der geschäftserfahrene Versicherer diese Umstände auch nicht für erheblich hält. Nichtsdestotrotz muss stets im Einzelfall geprüft werden, ob im konkreten Fall eine spontane Anzeigeobliegenheit besteht oder nicht. Diese Problematik gilt natürlich nicht nur bei biometrischen Versicherungsanträgen, sondern spartenübergreifend.

Ein weiterführender Beitrag zum Bereich der „spontanen Anzeigeobliegenheit“ ist nachstehend zu finden: „Die spontane Anzeigeobliegenheit – ein Mythos oder gelebte Pflicht?“

Bild: © Studio_East – stock.adobe.com; © Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

 

Björn Jöhnke im Podcast: Wie gut ist die BU-Leistungspraxis?

Im Podcast-Format #AufgepASSt unterhält sich das Fachmagazin AssCompact mit Branchenexperten über Themen, die den Maklermarkt bewegen. Dieses Mal zu Gast: Björn Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht. Im Fokus: die BU-Leistungspraxis der Versicherer.

Die Leistungspraxis der Versicherer ist ein wichtiges Gütekriterium bei der Wahl einer Berufsunfähigkeitsversicherung (BU). Denn sie gibt Auskunft darüber, wie zuverlässig und schnell die Versicherung im BU-Fall leistet. Und lange Zeit war es um die BU-Leistungspraxis durch die Versicherungswirtschaft nicht zum Besten bestellt.

Doch wie sieht es gegenwärtig mit der Leistungspraxis durch die BU-Versicherer aus? Wie hat sie sich innerhalb der letzten Jahre verändert? Und welche Rolle nimmt dabei der Versicherungsmakler ein? Darüber hat sich in dieser Podcast-Episode Dr. Alexander Ströhl, stellvertretender Chefredakteur AssCompact, mit Björn Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte, unterhalten.

Die Leistungspraxis der BU-Versicherer im Fokus

Zu Beginn der Podcast-Episode schildert Björn Jöhnke zunächst, dass er in früheren Jahren selbst als Versicherungsmakler mit Spezialisierung auf biometrische Risiken tätig war. Der Rechtsexperte kennt also mit Beratung und Versicherungsrecht zwei Perspektiven auf das Thema „BU“. Gefragt nach den Veränderungen über die Jahre hinweg bewertet der Anwalt die Entwicklung in der Leistungspraxis der BU-Versicherer positiv: „Ich merke eine deutliche Verbesserung in der BU-Leistungsfallpraxis in den letzten vier bis fünf Jahren.“

Außerdem spricht der AssCompact Podcast-Gast über die positiven Veränderungen aufseiten der BU-Versicherer, häufige Ablehnungsgründe und gibt Tipps, wie Versicherungsmakler ihre Kunden dabei unterstützen können.

So können Sie unseren Podcast abonnieren

#AufgepASSt ist der Podcast des Fachmagazins AssCompact für unabhängige Finanz- und Versicherungsvermittler. Im Podcast spricht die AssCompact Redaktion über die Themen, die den Maklermarkt bewegen.

Verpassen Sie daher keine Folge und abonnieren Sie unser Audio-Angebot bei bekannten Anbietern wie Apple Podcasts, Spotify oder Deezer. Eine Übersicht über alle #AufgepASSt-Episoden: #AufgepASSt - Der Podcast von AssCompact

Sie haben Fragen oder Anregungen rund um #AufgepASSt? Dann schreiben Sie uns: podcast@asscompact.de. (as)

Bild: © AssCompact

 

Berufsunfähigkeit: Produktentwicklung der Versicherer stagniert

Die Produktentwicklung der Versicherer in der BU tritt auf der Stelle. Das ist das Ergebnis der aktuellen Analyse „Marktstandards in der BU“ des Analysehauses infinma. Dennoch bleibt die Qualität in der Breite der untersuchten Tarifwelt hoch. Unterschiede sind vor allem in den Details einzelner Kriterien zu finden, zum Beispiel bei den Regelungen für befristete Anerkenntnisse.

„Inzwischen scheint die BU in vielen Häusern in den Winterschlaf gegangen zu sein“, kommentierte Dr. Jörg Schulz, Geschäftsführer beim Institut für Finanz-Markt-Analyse GmbH (infinma), die aktuellen Ergebnisse der Untersuchung „Marktstandards in der BU“. Denn gegenwärtig würden sich laut infinma-Analyse die Anstrengungen der Versicherer bei der Produktentwicklung in der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) lediglich auf vermeintlich immer neue Prämiensenkungen und dem „Erfinden“ neuer Berufsbilder beschränken. Die Analysten führen diese Stagnation in der BU vor allem auf den Konkurrenzdruck durch die Grundfähigkeitsversicherung zurück.

Meldepflicht über Wiederaufnahme einer Tätigkeit birgt Unsicherheiten

„Das ist insofern schade, da es immer noch einige Themen gibt, bei denen auf der Bedingungsseite Luft nach oben wäre. Nach wie vor ist es bspw. bei drei von vier Tarifen im Leistungsfall erforderlich, dass die versicherte Person von sich aus die Wiederaufnahme einer beruflichen Tätigkeit anzeigen muss. Das ist durchaus nicht so trivial, wie es sich anhört“, ergänzte Marc Glissmann, ebenfalls infinma-Geschäftsführer. Denn eine Minderung des BU-Grades könne die versicherte Person häufig gar nicht erkennen, da ihr der medizinische Sachverstand dafür fehle.

Außerdem bestehe bei der Änderung bzw. Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit Uneinigkeit darüber, welche Ausprägung und welchen Umfang eine solche Tätigkeit annehmen muss. So sei unklar, ob bspw. bei einem berufsunfähigen Rechtsanwalt das Schreiben eines Buches oder das vereinzelte Halten von Vorträgen bereits unter die Vorschriften falle. Für die versicherte Person ist es daher vorteilhafter, wenn der Versicherer selbst in regelmäßigen Abständen nachfragen würde.

Befristete Anerkenntnisse sind für den Versicherten nicht immer vorteilhaft

Ein weiterer Kritikpunkt der infinma-Analyse bezieht sich auf die Möglichkeit seitens der Versicherer, BU-Leistungen befristet anzuerkennen. Ein solches befristetes Anerkenntnis sei deswegen erforderlich, da die Prüfung einer BU wegen der komplexer werdenden Berufsbilder oft erhebliche Zeit in Anspruch nehme. Die Berufsunfähigkeitsrente muss dann nur für den Zeitraum der Befristung – häufig zwölf oder 18 Monate – geleistet werden. Allerdings begründe ein befristetes Anerkenntnis keine rechtlich bindende Leistungspflicht. Zudem könne währenddessen die Frage nach einer eventuellen Verweisbarkeit zurückgestellt werden.

Ein befristetes Anerkenntnis kann daher laut infinma für die Versicherten durchaus problematisch werden. „In mehr als der Hälfte aller Tarife ist [dennoch] ein befristetes Anerkenntnis vorgesehen. Das ist aus Kundensicht nicht zwingend vorteilhaft; vor allem dann nicht, wenn der Kunde im Anschluss an die Befristung einen komplett neuen Leistungsantrag stellen muss“, erklärt Glissmann weiter.

In der Breite ist die Qualität unverändert hoch

Trotz dieser Schwachstellen kommt das Analysehaus zu dem Ergebnis, dass die Qualität der Bedingungen in der Breite relativ hoch ist und Unterschiede in den Produkten vor allem in den Detailregelungen zu einzelnen Kriterien zu finden sind – zum Beispiel bei der Frage, wie lange Leistungen wegen Arbeitsunfähigkeit (AU) erbracht werden. Als Marktstandard gilt nach wie vor, dass bei einer AU keine BU-Rente von den Versicherern geleistet wird. In knapp 41% der untersuchten BU-Tarife ist das nämlich der Fall. Bei immerhin 20% der BU-Tarife wird bei einer AU allerdings auch eine BU-Rente für maximal 24 Monate gezahlt.

Mehr als die Hälfte der BU-Tarife erfüllt Marktstandards

Wie üblich vergibt infinma kostenlose Zertifikate für die Produkte, die in allen 18 Kriterien gleichzeitig den Marktstandard mindestens erreichen oder diesen übertreffen. Konkret konnten von den 72 in der aktuellen Studie untersuchten Gesellschaften 42 zertifiziert werden, von den 439 untersuchten Tarifen erhielten 244 ein infinma-Zertifikat. Damit haben knapp 55% aller auf dem deutschen Markt verfügbaren verkaufsoffenen BU-Tarife ein Zertifikat erhalten.

„Für das nächste Update der Marktstandards werden wir erneut prüfen, ob es nicht an der Zeit und sinnvoll ist, das eine oder andere Kriterium auszutauschen. Teilzeitregelung, Verlängerungsoption oder Krebshilfen u. ä. könnten sich dabei anbieten. Möglicherweise kommt dann auch wieder ein wenig Bewegung in die Marktstandards“, gab Schulz einen Ausblick auf die Zukunft.

Über die BU-Marktstandards

Bereits seit 2011 veröffentlicht infinma regelmäßig die sogenannten Marktstandards in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Damit will das Institut sowohl Vermittlern als auch Versicherern wichtige Informationen über die am Markt üblichen und verbreiteten Regelungen in den BU-Bedingungen geben.

Im Rahmen der BU-Marktstandards analysiert infinma die Qualitätsmerkmale in den Versicherungsbedingungen der gegenwärtig im Markt befindlichen BU-Tarife. Dabei werten die infinma-Analysten insgesamt 18 Kriterien darüber aus, welche konkreten Ausprägungen es in den Bedingungen dazu tatsächlich gibt. Das Vorkommen dieser Ausprägungen wird dann gezählt, und diejenige Ausprägung, die am häufigsten vorkommt, definiert den Marktstandard im Sinne einer „marktüblichen Durchschnittsregelung“. Ausdrücklich nicht Gegenstand der infinma BU-Marktstandards ist die Entwicklung eigener Mindestanforderungen oder aus Kunden- oder Beratersicht wünschenswerter Produkteigenschaften. (as)

Die aktuellen Marktstandards können demnächst hier auf der infinma-Website abgerufen werden.

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IVFP blickt bei BU-Policen „hinter die Kulissen“

Bei der Berufsunfähigkeitsversicherung geht es aus Kundensicht oft um den Preis – zu Unrecht, wie das IVFP findet. Im aktuellen BU-Kompetenz-Rating blickt das Analysehaus auf nichtöffentliche sensible Daten der BU-Produkte der Versicherer, um die Top-Tarife zu küren. Sieben Unternehmen konnten die Höchstnote erzielen.

Laut einer Online-Umfrage der aktuellen Ausgabe des Magazins Finanztest geben 96% der Befragten an, dass ihnen das Risiko einer Berufsunfähigkeit bekannt ist – lediglich 37% der Befragten haben dieses Risiko aber auch abgesichert. Während 49% angeben, sich noch nicht intensiv damit beschäftigt zu haben, sagen 29%, dass eine BU ihnen zu teuer ist, während 19% den Abschluss für zu kompliziert halten.

IVFP-Rating will für Transparenz über den Preis hinaus sorgen

Transparenz rund um Vorsorgelösungen bei einer Berufsunfähigkeit kann sich für Versicherer also durchaus lohnen – denn Potenzial gibt es auf dem Markt noch einiges. Passend dazu hat das Institut für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP) die Ergebnisse seines aktuellen BU-Kompetenz-Ratings veröffentlicht. Im Rahmen der Analyse richten die Experten ihren Blick „hinter die Kulissen“ der Berufsunfähigkeitsprodukte der Versicherer, abseits vom Preis. Dieser ist im hart umkämpften Geschäftsfeld der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) das Hauptkriterium. Laut dem IVFP jedoch reicht die „Abkürzung“ über den reinen Preisvergleich nicht aus, um die komplexe Versicherungslage in der BU-Landschaft zu vergleichen. Und auch bei den Bedingungen nähern sich viele Gesellschaften immer mehr einander an.

Aufgrund dessen unterstreicht das IVFP die Bedeutung, Verbrauchern aufzuzeigen, wie Anbieter ihre Prozesse und Serviceleistungen gestalten, damit diese sich vor der Entscheidung für ein Produkt ein vollständiges Bild über den Versicherer und das Produkt machen können.

Vier Teilbereiche mit über 80 Einzelkriterien

Im Rahmen der interaktiven Analyse, die dem BU-Kompetenz-Rating zugrunde liegt, erhält das IVFP nichtöffentliche, sensible Daten von den Anbietern. Diese werden analysiert und anhand von vier Teilbereichen mit insgesamt über 80 Einzelkriterien bewertet. Dabei sind die Teilbereiche Geschäft und Leistungsprüfung jeweils mit 30% gewichtet, die Bereiche Antragsprüfung und Service jeweils mit 20%.

Im Teilbereich Geschäft werden Kriterien wie Bestandsgröße, Beitragsstabilität und Höhe der BU-Rente bewertet. Der Teilbereich Leistungsprüfung – ein besonderer Bereich, der laut den Analysten immer wieder für Zündstoff sorgt – untersucht beispielsweise, wie genau ein Unternehmen die BU-Leistungsprüfung durchführt, wie der Außenregulierungsprozess („Vor-Ort-Prüfung“) abläuft, die durchschnittliche Dauer zwischen BU-Meldung und positivem Leistungsentscheid sowie die Höhe der Rücktrittsquote.

Für die Bewertung im Bereich Antragsprüfung wird der gesamte Antragsprozess beleuchtet, etwa wie mit Gesundheitsfragen umgegangen wird und ob der Versicherer Kunden ausführlich über Rechte und Pflichten aufklärt. Wie serviceorientiert und kundenfreundlich auf die individuellen Bedürfnisse eingegangen wird, wird im Teilbereich Service analysiert.

Sieben Unternehmen erreichen Höchstnote

Die Höchstnote von fünf Sternen konnten insgesamt sieben Unternehmen erreichen (in alphabetischer Reihenfolge): AXA, Bayern-Versicherung, HDI, Nürnberger, R+V Versicherung, Swiss Life und Zurich Deutscher Herold.

Weitere drei Gesellschaften haben die zweithöchste Bewertung von vier Sternen erhalten (in alphabetischer Reihenfolge): Condor, Stuttgarter und VOLKSWOHL BUND.

Dabei erzielten AXA, HDI, Nürnberger, Swiss Life und Zurich Deutscher Herold ebenfalls die Höchstbewertung in allen vier Teilbereichen. Drei Mal gelang dies der Bayern-Versicherung (außer im Bereich Geschäft) sowie der R+V (außer im Bereich Service).

Ob und welche Unternehmen ein niedrigeres Ergebnis eingefahren haben, geht aus den Informationen des IVFP nicht hervor. Auch die Gesamtnote der Unternehmen und die Noten in den geprüften Teilbereichen wurden nicht in den Ratingergebnissen kommuniziert. (js)

Die Ergebnisse des Ratings können hier eingesehen werden.

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