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Fort- & Weiterbildung

„Konsolidierung geht immer mit Machtkonzentrierung einher“

Auch im industriellen Maklermarkt schreitet die Konsolidierung voran. Wie wirkt sich dies auf die Versicherer und die Kunden aus? Allianz Commercial setzt in einem sich wandelnden Umfeld auf eine Kombination von persönlicher Nähe und technologischer Integration, um Kundenbeziehungen stabil zu halten.

Interview mit Gordan Stanojevic, Regional Head of Distribution, Allianz Commercial
Herr Stanojevic, die Konsolidierung im Maklermarkt schreitet weiterhin voran. Mit welchem Größensegment von Maklerhäusern arbeitet Allianz Commercial aktuell vorwiegend zusammen und inwiefern hat sich das in den letzten Jahren verändert?

Allianz Commercial arbeitet aktuell vorwiegend mit mittelgroßen bis großen sowie globalen Maklerhäusern zusammen. Während Allianz Commercial im LargeCorp-Bereich immer einen stärkeren Fokus auf die großen nationalen, internationalen und globalen Broker hatte, bewegt sich der MidCorp-Teil mehr im nationalen Rahmen und setzt auch auf den Maklerbetrieb. Bei beiden Gesellschaften sprechen wir jedenfalls von langjährigen und sehr vertrauten Beziehungen in die Maklerschaft.

Die strategische Zusammenarbeit ist dabei unverändert geblieben, da die Konsolidierung noch nicht abgeschlossen ist und die Makler sich weiter damit beschäftigen, die Früchte aus den bereits erfolgten Zusammenschlüssen zu ernten. Wir erwarten jedoch eine verstärkte Zusammenarbeit auf Basis von technologischen Plattformen, um die Synergien der konsolidierten Kundenbestände besser nutzen zu können. Als Allianz Commercial sind wir darauf vorbereitet.

Wo machen sich die Veränderungen im Maklermarkt für Allianz Commercial im Industriegeschäft am meisten bemerkbar?

Dort, wo die Konsolidierung bereits fortgeschritten ist, sehen wir das Bestreben der Makler, sich ihrer neuen Marktstärke entsprechend zu positionieren.

In dieser Entwicklung sehen wir allerdings auch Vorteile: Das effizientere Management größerer Kundenbestände auf Basis digitaler Plattformen ist für uns ein Ansporn, unsere Angebote und technischen Tools kontinuierlich zu verbessern, um wachsende und komplexere Datenmengen strukturiert auszutauschen. Gemeinsames Ziel muss in meinen Augen sein, dass Betreuung und Produkte für unsere gemeinsamen Kunden sich ebenfalls weiterentwickeln.

Gerade bei mittelständischen Industriekunden spielen persönliche Beziehungen und lokale Nähe eine große Rolle. Lässt sich das mit den Strukturen großer Maklergruppen vereinbaren?

Sie fragten nach den Veränderungen im Markt – hier gibt es sicherlich keine: Trotz der Strukturen großer Maklergruppen bleibt die persönliche Beziehung zu unseren Kunden von zentraler Bedeutung. Wir gehen davon aus, dass wir durch maßgeschneiderte Lösungen und individuelle Betreuung auch in einem konsolidierten Markt erfolgreich sein können. Die Herausforderung besteht darin, diese persönliche Nähe aufrechtzuerhalten, während wir gleichzeitig mit den großen Plattformen kooperieren.

Hier sehe ich uns als Allianz Commercial im Vorteil: Wir erleben eine deutlich verbesserte Zusammenarbeit zwischen Firmen- und Industriegeschäft, was etwa die Zahl der Ansprechpartner für Kunden und Makler senkt. Ein Beispiel sind auch vereinte Teams von Key-Account-Managern im Vertrieb, die größere Maklerhäuser gesellschaftsübergreifend betreuen.

Insofern sind wir gut aufgestellt, wenn es um persönliche Beziehungen und lokale Nähe geht.

Inwiefern wirkt sich der Wandel negativ auf die Kundensituation aus?

Der Wandel im Maklermarkt stellt, insbesondere während der Konsolidierung, die Herausforderung an die Maklerschaft selbst, Leistungs- und Betreuungslevel für unsere gemeinsamen Kunden hoch zu halten. Die Anforderungen sind mannigfaltig: Etablierung einheitlicher IT-Plattformen in den Maklerhäusern, Zusammenführung und Neuausrichtung der Kundensegmente sowie die Aufgabe, gute Mitarbeitende zu halten, insbesondere auf Experten- und Kundenbetreuungsebene.

In anderen Märkten, beispielsweise den USA oder Großbritannien, ist die Marktkonzentration im Maklermarkt bereits wesentlich weiter fortgeschritten als hierzulande. Ist das Ihrer Ansicht nach eine Blaupause auch für den deutschen Markt?

Spätestens mit dem Eintreten ausländischer Investoren in den deutschen Maklermarkt werden an­gloamerikanische Konsolidierungsstrategien hierher transferiert. Insoweit verfolgen wir die Entwicklungen im Ausland, um Trends in Deutschland besser antizipieren zu können. Eine Eins-zuEins-Übertragung wird jedoch nicht möglich sein, da die deutsche Maklerschaft stärker mittelständisch und inhabergeprägt ist.

Welche Erkenntnisse zieht Allianz Commercial aus diesen beiden Beispielen für den deutschen Markt? Wo sind die Stellschrauben?

Mit der Konsolidierung entstehen maklerseits stärkere Bemühungen, das Geschäft bis in den Bereich von mittleren und größeren Unternehmen stärker zu standardisieren. Die Bedeutung der technologischen Integration und der Anpassung unserer Dienstleistungen an die Bedürfnisse der Makler steigt damit. Als Versicherer sind wir an der Stelle also ebenfalls gefragt: Wir müssen sicherstellen, dass unsere technischen Tools den Anforderungen der großen Maklergruppen gerecht werden und gleichzeitig unseren gemeinsamen Kunden Mehrwerte bieten.

Mit unserer Plattform myAllianzCommercial.com sind wir für Unternehmen mit internationalen Programmen in dieser Hinsicht bereits sehr gut aufgestellt und konnten in der Region Deutschland-Schweiz den Großteil von ihnen onboarden. Eine Schnittstelle zu Kunden- und Maklerplattformen ist der nächste Schritt.

Wo sehen Sie die Zukunft des Maklermarkts in der Industrieversicherung? Werden sich die Kräfteverhältnisse zwischen Versicherern, Maklerhäusern und Kunden weiter verschieben?

Eine Konsolidierung geht immer mit einer Machtkonzentrierung einher. Ich bin bei der Allianz im Heimatmarkt optimistisch, da wir auf allen Ebenen sehr gute Beziehungen in die Maklerschaft unterhalten und dies auch die Konsolidierungswelle überdauern wird. Wir erwarten jedoch, dass der Wettbewerb unter den Maklern weitergehen wird und wir von einer Art Makler-Oligopol weit entfernt sind.

Noch etwas anderes: Klimawandelrisiken und digitale Bedrohungen nehmen auch in der Absicherung von Industrierisiken eine immer größere Rolle ein. Erwarten Sie, dass es in Zukunft Risiken gibt, die nicht versicherbar sind?

Der Klimawandel ist das zentrale Risiko der nächsten Jahrzehnte. Denken Sie etwa an die Auswirkungen von Naturkatastrophen im Sachbereich, von Schäden an Anlagen bis zur Betriebsunterbrechung. Wir erwarten jedoch deutlich weitergehende Entwicklungen. Die Unbewohnbarkeit von Gebieten wird weiter zunehmen, und das bei einer zunehmend steigenden Weltbevölkerung.

Damit es gar nicht erst zu einem Szenario der Unversicherbarkeit kommt, müssen wir Versicherer unser Underwriting und das Portfolio-Management auf die neue Risikolandschaft einstellen. Zugleich sind Kunden und Broker gefragt: Gute Risikomanagementstrategien bis hin zur genauen Auswahl des Risikoortes beim (Wieder-)Aufbau, präzise Exposure-Informationen und auch die Frage nach einem angemessenen Eigenanteil am Risiko sind gefragt.

Bei der Prävention sollten wir wiederum Hand in Hand arbeiten, um die Risiken weitmöglichst zu minimieren – dafür stehen wir als Allianz Commercial immer bereit.

Lesen Sie auch: Quo vadis, Maklerkonsolidierung?

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 07/2025 und in unserem ePaper.

 
Ein Interview mit
Gordan Stanojevic

Neue IHK-Qualifikation für Makler startet Ende 2025

In Zusammenarbeit mit der IHK Weiterbildung starten die VEMA und die IGVM ab Ende 2025 einen neuen Zertifikatslehrgang für Versicherungsmakler: „VEMA-Versicherungsmakler/-in (IHK)“. Ziel des Lehrgangs ist es u. a., Maklerbetriebe fit für die Herausforderungen der Zukunft zu machen.

Die VEMA und die IGVM e. V. bieten in Zusammenarbeit mit der IHK Weiterbildung einen neuen Zertifikatslehrgang für Versicherungsmaklerinnen und -makler an. Der Kurs nennt sich „VEMA-Versicherungsmakler/-in (IHK)“ und richtet sich gezielt an Mitarbeiter und Geschäftsführer von Versicherungsmaklerbetrieben. Start ist Ende 2025.

Fit für die Zukunft

Der Kurs ist als Zusatzqualifikation für ausgebildete Versicherungskaufleute und Versicherungsfachleute konzipiert. Er soll laut der IGVM ein deutliches Zeichen für Qualität und Professionalisierung setzen. Das modular aufgebaute, hybride Kursformat verknüpft Onlinephasen mit Präsenzphasen in Karlsruhe.

Ziel des Lehrgangs ist es der VEMA zufolge, die Beratungsqualität nachhaltig zu verbessern, die Kundenzufriedenheit zu erhöhen und Maklerbetriebe fit für die Herausforderungen der Zukunft zu machen. Die Teilnehmer erhalten fundiertes Fachwissen und praktische Kompetenzen zur Prozessoptimierung und zur Einhaltung aller relevanten gesetzlichen Vorgaben.

Das sind die Inhalte

Es sollen umfassende Kenntnisse in vier zentralen Kompetenzfeldern erlangt werden: rechtliche Grundlagen, technische Grundlagen, Risikomanagement und kaufmännische Grundlagen. Zu den Schwerpunkten zählen z. B.:

  • Einführung in die Tätigkeit und Rolle des Versicherungsmaklers
  • Rechtliche Grundlagen, Maklerrecht, Haftung und Dokumentationspflichten
  • Risikomanagement, Vermögensschadenhaftpflicht und Anwendung von Normen
  • Angebotserstellung, Vertragsabschluss, Schadenregulierung und Bestandsoptimierung
  • Kaufmännische Grundlagen, Buchführung, Courtageabwicklung und steuerliche Aspekte
  • Marketing, Vertriebsstrategien, Personalmanagement und Ethik
  • Technische Grundlagen: Maklerverwaltungsprogramme, digitale Kommunikation, Datenschutz und IT-Sicherheit
  • Nutzung von KI im Beratungsprozess und in der Büroorganisation

Die Teilnehmenden lernen, wie sie Prozesse standardisieren, digitale Tools und KI-Lösungen im Beratungsalltag einsetzen und ihre Kunden optimal betreuen, heißt es von der VEMA. Praxisübungen zu Gesetzestexten und Bedingungswerken sollen zudem für einen direkten Transfer in den Berufsalltag sorgen.

Zertifikat und Exklusivität

Wer erfolgreich abschließt, erhält schließlich ein anerkanntes IHK-Zertifikat, das die Qualifikation belegt. Zu beachten ist, dass sich der Ausbildungsgang ausschließlich an VEMA-Partner und Mitglieder der IGVM e. V. richtet. Eine Öffnung des Programms für externe Interessenten ist laut den Unternehmen momentan nicht geplant. So soll der exklusive Charakter und die inhaltliche Tiefe der Qualifikation gewährleistet werden. (lg)

 

Der Makler-Summit Süd-West in Bildern

Der Makler-Summit Süd-West lockte am 10.07.2025 die Teilnehmenden auf den W&W-Campus in Kornwestheim. Neben einem breit gefächerten Portfolio an Informations- und Weiterbildungsangeboten konnte in entspannter Atmosphäre auch die Netzwerkbildung stattfinden. Impressionen vom Event.

 
von
 

Makler, Pools, Versicherer: „Ausbildungs-Champions 2025“

ServiceValue hat in Kooperation mit dem F.A.Z Institut die „Ausbildungs-Champions 2025“ veröffentlicht. Welche Finanzvertriebe, Maklerpools, Versicherer und Makler punkten laut der Auswertung bei der Ausbildung am stärksten?

Wer als Arbeitgeber attraktiv ist, zieht auch Auszubildende ins Unternehmen. Unternehmen sollten ihre Anstrengungen zur Gewinnung von Auszubildenden verstärken, meint auch ServiceValue. In Kooperation mit dem F.A.Z Institut hat die Ratingagentur nun die Studie „Ausbildungs-Champions 2025“ veröffentlicht. Dafür wurden Daten eines Social-Media-Monitorings und einer Online-Befragung analysiert. Das Social-Media-Monitoring untersucht hierbei für die Unternehmen die Themenbereiche Ausbildung und Arbeitgeber. Dafür wurden jeweils Punktzahlen vergeben.

Die Auszeichnung „Ausbildungs-Champions 2025“ wird anhand der erreichten Punktzahl im Branchengesamtranking vergeben. Die Punktwerte aus dem Social-Media-Monitoring und des Fragebogens werden zu einem Gesamtpunktwert verrechnet und normiert. Berechnung und Normierung erfolgen branchenspezifisch auf einer Skala von 0 bis 100 Punkte. Der Branchensieger erhält 100 Punkte und setzt damit den Benchmark für alle anderen untersuchten Unternehmen. Eine Auszeichnung erhalten diejenigen Unternehmen, die überdurchschnittliche Punktwerte in der Gesamtwertung in ihrer Branche erreichen.

Wer hat in der Versicherungs- und Finanzwelt die Nase vorn?

Hier sind die Ergebnisse aus der Branche:

Finanzvertriebe

  • RWS Vermögensplanung (Wert: 100,0)
  • tecis (93,8)
  • MLP (91,0)

Maklerpools

  • VEMA Versicherungsmakler Genossenschaft (100,0)
  • WIFO (93,1)
  • vfm-Gruppe (88,9)

Versicherer

  • Allianz (100,0)
  • PROVINZIAL (98,7)
  • ALTE OLDENBURGER (97,6)
  • ADAC Versicherungen (96,1)
  • GVO Versicherung (95,3)
  • uniVersa (94,8)
  • R+V (93,0)
  • Versicherungskammer Bayern (91,3)
  • LVM Versicherung (83,3)
  • VGH Versicherungen (82,0)
  • HanseMerkur (80,4)
  • SV SparkassenVersicherung (80,3)
  • Helvetia (79,1)
  • DEVK (77,5)
  • Swiss Life (77,2)
  • Die Continentale (76,6)
  • WWK (76,3)
  • INTER Versicherungsgruppe (76,1)
  • SIGNAL IDUNA (75,4)

Versicherungsmakler

  • LEUE & NILL (100,0)
  • MRH Trowe (99,6)
  • DOMCURA (91,0)
Über die Studie

Für diese Studie konnten ca. 2,6 Millionen Nennungen zu etwa 15.000 Unternehmen innerhalb des Untersuchungszeitraums vom 01.06.2023 bis 31.05.2025 identifiziert und zugeordnet werden. Zur Berechnung der Punktwerte werden für jedes Unternehmen jeweils die Tonalität und die Reichweite berücksichtigt. Dies erfolgt durch die Ermittlung der Tonalitätssaldi je Eventtyp, die anschließend gewichtet zu einem Gesamttonalitätswert verrechnet werden. Die Reichweite geht ein durch die Berechnung der Differenz von positiven und negativen Fragmenten je Eventtyp. Diese Werte werden gewichtet und zu einem Gesamtreichweitenwert verrechnet. Diese beiden Werte sind die Basis eines ersten Punktwertes im Social-Media-Monitoring. Danach werden diese Punktwerte für alle Unternehmen branchenbezogen normiert. Das beste Unternehmen jeder Branche bildet mit 100 Punkten den Benchmark, die weiteren Wettbewerber werden branchenbezogen normiert. (lg)

 

Branche im Umbruch: Talente gewinnt, wer umdenkt

Wer erwartet, dass junge Menschen sich aus einem inneren Pflichtgefühl heraus auf eine Ausbildung oder ein Vorstellungsgespräch bei einem Versicherer einlassen, der hat das Spiel bereits verloren, bevor es begonnen hat. Die Branche braucht mehr Haltung.

Ein Artikel von Andreas Wollermann, Berater und Trainer für Versicherer und Finanzdienstleister unter der Wortmarke GENsurance®

Es war einmal eine Zeit, nennen wir sie die „Boomer-Ära“, in der auf einen guten Arbeitsplatz sehr viele Bewerber kamen. In der sich auf dem Schreibtisch des Personalers Bewerbungen in hohe Türme stapelten. In der man sich durch gute Noten, saubere Lebensläufe und seriöse Zertifikate Zugang verschaffen konnte, oder eben nicht. Damals herrschte ein klares Machtverhältnis: „Der Arbeitgeber war oben, die Bewerber unten.“ Dieser Umstand hat unsere Gesellschaft nachhaltig geprägt. Er hat Glaubenssätze erschaffen, die bis heute in vielen Personalabteilungen, Führungsbüros und auch in der Versicherungswirtschaft hartnäckig überlebt haben.

Einer dieser Sätze lautet: Nur wer ein gutes Zeugnis vorweisen kann, ist auch ein guter Mitarbeiter. Ein anderer: Nur mit Studium und Zertifikat wird aus dir etwas. Oder auch: Das war schon immer so – warum sollten wir es ändern? Aber genau hier liegt das Problem. Denn die Welt hat sich verändert. Und mit ihr die Menschen.

Wissen ist nicht mehr Mangelware

Früher war der Zugang zu Informationen und Wissen knapp dosiert und begrenzt. Man musste es sich holen. In der Schule, in der Ausbildung, aus der Zeitung, aus dem Fernseher, aus der Bibliothek. Wer keinen Zugang hatte, hatte das Nachsehen. Wissen war ein knappes Gut, das Wohlstand versprach. „Wissen war Macht!“ Heute leben wir in einer Welt, in der Wissen grenzenlos verfügbar ist. In Echtzeit, im Feed, in 15-Sekunden-Clips oder Podcasts beim Zähneputzen.

Junge Menschen wachsen in einer Welt auf, in der sie ständig alles wissen könnten, wenn sie es wollen würden. Mit dem Kaffee „to go“ in der einen Hand und „Wissen to go“ in der anderen. Per Klick! Das verändert Sozialisierung. Es verändert Haltung. Es verändert Erwartungen. Doch was passiert in der Versicherungswirtschaft?

Wir klammern uns an Bewerbungsformulare von gestern, bestehen auf pdf-Lebensläufe, sortieren nach Abischnitt, melden uns 14 Tage nach Eingang der Bewerbung und wundern uns, warum niemand kommt.

Generation Überfluss: Warum der Zwang wegfällt

Es geht aber noch tiefer. Der demografische Wandel zeigt uns unmissverständlich: Es gibt nicht mehr zu viele Bewerber für zu wenig gute Jobs, es ist genau andersherum. Wer heute jung ist, hat die Auswahl. Denn die Realität der Gen Z (und bald auch der Gen Alpha) ist eine völlig andere. Sie ist in einer Welt aufgewachsen, in der es alles gibt. In der Eltern alles ermöglicht haben, was sie selbst nie hatten. In der Mangel kein täglicher Begleiter mehr ist. In der „Du musst“ durch „Wenn du kannst“ bzw. „Wenn du willst“ ersetzt wurde.

Und genau das ist der Punkt: Müssen folgt dem Wollen. Und nicht mehr andersherum. Wer also erwartet, dass junge Menschen sich aus einem inneren Pflichtgefühl heraus auf eine Ausbildung oder ein Vorstellungsgespräch bei einem Versicherer einlassen, der hat das Spiel bereits verloren, bevor es begonnen hat.

Wir haben ein Attraktivitätsproblem

Was viele in der Branche als „Fachkräftemangel“ bezeichnen, ist in Wirklichkeit ein massives Wahrnehmungsproblem. Die Versicherungswirtschaft ist nicht nur unattraktiv, sie ist unsichtbar oder unverständlich für viele junge Menschen. Denn: Wer nie erklärt bekommt, warum es cool ist, Menschen durch schwere Zeiten zu begleiten, wer keine Idee davon hat, dass man mit Versicherungen Sinn stiften kann, wer keinen TikTok-Content, kein Insta-Reel, kein YouTube-Video oder kein Corporate-Influencer-Marketing findet, das dieses Bild vermittelt, der wird nie auf die Idee kommen, sich ausgerechnet bei einem Versicherer zu bewerben. Und genau hier liegt unser Hebel.

Haltung schlägt Kampagne

Wir brauchen kein Rebranding mit Hochglanz-Videos und glatt gebügelten Broschüren.

Wir brauchen kein weiteres „Employer Branding“-Projekt, das auf dem weißen Brett der Marketingabteilung versandet.

Stattdessen: Wir brauchen Haltung. Und die zeigt sich im Handeln. Wir müssen unsere Prozesse, unser Menschenbild, unsere Gesprächsführung und unser Verständnis von Bewerbung überdenken. Junge Menschen wollen gesehen, nicht bewertet werden. Sie wollen angesprochen und nicht analysiert werden. Sie wollen einsteigen und nicht durch sieben Schleifen springen. Wer heute „rekrutieren“ will, muss verstehen, wie junge Menschen kommunizieren, konsumieren und kooperieren.

Der Schlüssel: Plattformgerecht denken

Versicherungen bieten wie kaum eine andere Branche echte Sinnhaftigkeit. Wir begleiten Menschen in Lebenskrisen, wir helfen bei Schicksalsschlägen, wir bauen finanzielle Brücken. Und trotzdem scheitern wir daran, diese Stärke zu zeigen.

Warum? Weil wir immer noch glauben, dass gute Inhalte gefunden werden, statt sie dort hinzubringen, wo junge Menschen sind: TikTok, YouTube Shorts, Insta, LinkedIn, Spotify. Wir müssen uns dort hinbewegen. Nicht um trendy zu wirken, sondern um überhaupt sichtbar zu sein. Nicht in Form von Hochglanzwerbung, sondern in Form von echten Geschichten, echten Gesprächen, echten Begegnungen.

Wir brauchen keine Bewerber, sondern Begeisterte

Wer morgen Mitarbeitende will, muss heute Haltung zeigen. Wer heute junge Menschen gewinnen will, muss aufhören, sie zu bewerten, und anfangen, sie zu verstehen. Denn es gilt: Müssen folgt dem Wollen. Und wenn wir wollen, dass Menschen bei uns arbeiten, dann müssen wir dafür sorgen, dass sie es wollen. Die Versicherungswirtschaft hat alles, was es braucht: Sinn, Stabilität, Sicherheit, Menschlichkeit. Jetzt braucht sie nur noch den Mut, sich selbst neu zu erfinden.

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Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 07/2025 und in unserem ePaper.

 
Ein Artikel von
Andreas Wollermann

Makler-Business: Wie führe ich mein Team zum Erfolg?

Die Beschäftigten sind die, die ein Unternehmen ausmachen. Wenn Führungskräfte es schaffen, ihr Team angemessen wertzuschätzen und zu fördern, kann das zum Erfolg des Unternehmens maßgeblich beitragen. Stefanie Weidner hat sieben Tipps für Makler, die in die konkrete Umsetzung gehen wollen.

Eine Kolumne von Stefanie Weidner, Leitung Unternehmensentwicklung bei GründerFinanz und Unternehmerin

In der heutigen schnelllebigen und komplexen Arbeitswelt ist eine effektive Führung entscheidend für den Erfolg eines Teams und des Unternehmens. Besonders für Versicherungsmakler, die oft in einem dynamischen Umfeld arbeiten, ist es wichtig, Führungskompetenzen zu entwickeln und die persönliche sowie berufliche Entwicklung der Teammitglieder zu fördern. Hier sind einige wichtige Aspekte, wie du dein Team erfolgreich führen kannst.

1 .Vision und Zielsetzung kommunizieren

Ein erfolgreicher Führungsstil beginnt mit einer klaren Vision und dem Setzen von Zielen. Du solltest deinem Team eine Richtung geben und erklären, wie das Handeln jedes Einzelnen einen Beitrag zur Erreichung der Unternehmensziele leistet. Indem du eine transparente Kommunikation pflegst, schaffst du ein gemeinsames Verständnis und ein Gefühl der Zugehörigkeit.

2. Vertrauen aufbauen

Vertrauen ist die Grundlage jeder erfolgreichen Teamdynamik. Um Vertrauen zu schaffen, ist es wichtig, dass du als Führungskraft authentisch bist und deine Versprechen hältst. Zeige deinem Team, dass du bereit bist, ihre Meinungen und Vorschläge zu hören und ernst zu nehmen. Ein offener Austausch und eine wertschätzende Feedback-Kultur fördern nicht nur das Vertrauen, sondern auch die Motivation im Team.

3. Selbstführung und persönliche Entwicklung

Als Führungskraft solltest du in der Lage sein, dich selbst zu führen. Das bedeutet, dass du bereit bist, an dir selbst zu arbeiten und dich kontinuierlich weiterzuentwickeln. Selbstreflexion ist hierbei entscheidend. Frage dich regelmäßig, welche Stärken und Schwächen du hast und wie du dich in beiden Bereichen verbessern kannst. Indem du dich selbst entwickelst, schaffst du ein Vorbild für dein Team und inspirierst sie, ebenfalls an ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung zu arbeiten.

4. Förderung der individuellen Stärken

Jedes Teammitglied bringt unterschiedliche Fähigkeiten und Talente mit. Eine gute Führungskraft erkennt diese Stärken und fördert sie aktiv. Indem du Aufgaben entsprechend den individuellen Stärken verteilst, steigerst du die Effizienz und Zufriedenheit im Team. Zudem ist es hilfreich, regelmäßige Entwicklungsgespräche zu führen, um die persönlichen Ziele und Wünsche der Mitarbeiter zu erfahren und gemeinsam an ihrer beruflichen Weiterentwicklung zu arbeiten. Spoiler: Einmal im Jahr ein Entwicklungsgespräch zu führen, ist definitiv zu wenig.

5. Konfliktmanagement

In jedem Team können Konflikte auftreten. Eine effektive Führungskraft sollte in der Lage sein, Konflikte frühzeitig zu erkennen und konstruktiv anzugehen. Statt Konflikte zu ignorieren, solltest du ein Umfeld schaffen, in dem offen über Probleme gesprochen werden kann. Fördere den Dialog und ermögliche es den Beteiligten, ihre Perspektiven darzulegen. Oft führt dies zu einer schnelleren Lösung und einem besseren Miteinander im Team.

6. Weiterbildung und Entwicklung

Um dein Team zum Erfolg zu führen, ist kontinuierliche Weiterbildung unerlässlich. Fördere die Teilnahme an Schulungen, Workshops oder Fachkonferenzen. So bleiben du und dein Team nicht nur auf dem neuesten Stand der Branche, sondern ihr entwickelt auch neue Fähigkeiten, die zur Verbesserung der Teamleistung beitragen. Berücksichtige auch Mentoringprogramme, in denen erfahrene Mitarbeiter ihr Wissen und ihr Know-how an jüngere Kollegen weitergeben. Das trägt auch dazu bei, dass wichtiges Wissen im Unternehmen bleibt.

7. Anerkennung und Wertschätzung

Ein oft unterschätzter, aber entscheidender Faktor für die Teamentwicklung ist die Anerkennung der Leistungen der Teammitglieder. Regelmäßiges Feedback und Wertschätzung für die geleistete Arbeit motivieren und fördern die Bindung an das Unternehmen. Sei es durch ein einfaches Dankeschön, öffentliche Anerkennung im Team-Meeting oder kleine Belohnungen – zeige deinen Mitarbeitern, dass ihre Arbeit geschätzt wird. Empfehlenswert ist eine Quote von 1:5. Also für jeden Kritikpunkt fünfmal Wertschätzung äußern.

Fazit: Erfolg des Unternehmens und Entwicklung des Teams gehören zusammen

Führung und Teamentwicklung sind Schlüsselkompetenzen, die jeder Versicherungsmakler entwickeln sollte, um sein Team und damit auch sein Unternehmen zum Erfolg zu führen. Indem du eine klare Vision kommunizierst, Vertrauen aufbaust, individuelle Stärken förderst und ein offenes Konfliktmanagement pflegst, schaffst du ein positives Arbeitsumfeld. Kontinuierliche Weiterbildung und die Wertschätzung der Mitarbeiter tragen ebenfalls dazu bei, dein Team auf die nächste Stufe zu heben. Denke daran: Der Erfolg deines Unternehmens ist untrennbar mit der Entwicklung deines Teams verbunden. Investiere in die Führungskompetenzen deiner Führungskräfte und die persönliche Entwicklung deiner Mitarbeiter, um langfristig erfolgreich zu sein.

Über Stefanie Weidner

Stefanie Weidner leitet beim hybriden Kölner Versicherungsmakler GründerFinanz die Abteilung Unternehmensentwicklung. Mit ihrem eigenen Unternehmen Raketenberater unterstützt sie Unternehmerinnen und Unternehmer, die mit ihrem Betrieb „ohne Wachstumsschmerzen wachsen wollen“, wie sie sagt. Zudem wurde sie ausgezeichnet als eine der Top-50-Frauen für eine digitale Zukunft.

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Bild: © Stefanie Weidner

 
Ein Artikel von
Stefanie Weidner

Heute: Digitalkongress „Rechtsschutz“

Heute ab 9:00 Uhr startet der Digitalkongress „Rechtsschutz“ auf der Plattform DKM365. In zwei Fachvorträgen können sich die Teilnehmenden über die neuesten Entwicklungen zum Thema informieren.

Speziell beim Thema Rechtsschutz ist es für Makler wichtig, immer auf dem neuesten Stand zu bleiben. Was müssen Makler aktuell rund um das Thema wissen und beachten? Und was bieten die Versicherer Neues? Der Digitalkongress „Rechtsschutz“ heute, am Donnerstag, den 03.07.2025, bringt den Teilnehmenden zwei Fachvorträge mit aktuellen Themen. Das Online-Event startet ab 9:00 Uhr auf der Plattform DKM365.

Das ist das Programm auf dem Digitalkongress „Rechtsschutz“
  • 9:00 – 9:30 Uhr: Vorsorgevollmacht & Patientenverfügung – wer schützt Ihre Kunden, wenn Sie es nicht tun?; Referent: Fabian Lampe, Leiter Vertrieb bei Neue Rechtsschutz- Versicherungsgesellschaft AG
  • 10:00 – 10:30 Uhr: Rechtsschutz 4.0 – Digitalisierung trifft auf Persönlichkeit; Referenten: Milan Jarosch, Head of Sales bei DMB Rechtsschutz, und Candy Huster, Manager Digitaler Vertrieb bei DMB Rechtsschutz

Moderator des Online-Events ist Oliver Dahmen, Head of Sales bei der bbg Betriebsberatungs GmbH.

Ab in den Breakout-Room

Nach den Vorträgen, die rund 30 Minuten dauern, können die Teilnehmenden den Breakout-Room, Videotelefonie und den Chat für Fragen und zur Diskussion der Themen nutzen. Zudem können sie dort mit Kolleginnen und Kollegen sowie Referentinnen und Referenten in den Austausch gehen.

Log-in und Weiterbildung

Der Digitalkongress „Rechtsschutz“ ist ein Live-Event auf dkm365.de. Teilnehmende benötigen einen Zugang zur Plattform – extra vorher anmelden müssen sie sich jedoch nicht. So ist eine spontane Teilnahme am Event möglich. Mit der Teilnahme an der Online-Veranstaltung können Vermittlerinnen und Vermittler bis zu 30 Minuten Weiterbildungszeit sammeln.

Aktuelle Informationen zu diesem und zahlreichen weiteren Digitalkongressen gibt es unter asscompact.de/digitalkongresse.

 

Warum klare Begriffe für Makler und Kunden so wichtig sind

Eine aktuelle Studie der Fachhochschule Dortmund sorgt für Diskussion – nicht nur wegen ihres Ergebnisses, sondern auch wegen der gewählten Begrifflichkeiten. Warum Sprache im Versicherungsvertrieb mehr ist als reine Formulierungssache, erläutert AssCompact Kolumnist Hans-Ludger Sandkühler.

Unlängst nahm eine Studie der Fachhochschule Dortmund mit dem Titel „Wert unabhängiger Versicherungsberatung“ die Aufmerksamkeit der Medien in Anspruch. Das Fazit der Studie im besten Genderdeutsch: „Kund:innen verschmähen Honorarberatung in der Rentenversicherung“. Die Journaille formulierte prompt tönende Headlines: „Studie: Verbraucher pfeifen auf Lebenspolicen ohne Provisionen“. Aber die Kritik war nicht weniger laut: „Schein statt Wissenschaft: Wie eine Studie unabhängige Beratung verfälscht“. Was nun?

Was auf den ersten Blick nur als ein Thema vor allem für die ca. 300 Versicherungsberater in Deutschland und damit wenig relevant für die ca. 47.000 Versicherungsmakler in Deutschland daherkommt, entpuppt sich auf den zweiten Blick tatsächlich als eine sprachliche Mogelpackung. Denn in Wahrheit geht es in der Studie um den Vergleich zweier Vertriebsmodelle: Vermittlung von Fondspolicen „brutto“ mit eingepreisten und vom Versicherer zu zahlenden Vermittlungsprovisionen einerseits und Vermittlung von Fondspolicen „netto“ mit offengelegten und vom Versicherungsnehmer (VN) zu zahlenden Vermittlungsprovisionen. Dass die vom VN zu zahlenden Vermittlungsprovisionen in der Studie vornehm als Honorar bezeichnet werden: geschenkt. Eine Katze bleibt eine Katze, auch wenn man ihr ein Schild mit der Aufschrift „Hund“ umhängt. Die Wahl der Worte nimmt (manchmal bewusst) Einfluss auf die Inhalte. Sind die Begriffe jedoch unklar, beginnen die Probleme in der Kommunikation (Wenn die Begriffe nicht richtig sind, so stimmen die Worte nicht, Konfuzius).

Sprache als Mittel der Kommunikation

Sprache dient der Kommunikation. Sprache transportiert Gedanken und Informationen von einem Menschen zum anderen. Bildlich kann man sich das so vorstellen, dass von einem Sender über ein Medium Nachrichten an einen Empfänger übermittelt werden. Die Nachricht wird vom Sender kodiert und als Signal an den Empfänger übertragen. Der Empfänger muss das Signal decodieren, um die Nachricht zu verstehen. Die Kommunikation ist erfolgreich, wenn das Signal ohne Störungen übermittelt wird und Sender und Empfänger denselben Code verwenden. Ist das nicht der Fall, kommt es in der Kommunikation zu Störungen.

Digitale Kommunikation

In der digitalen Welt ist das Matchen von Informationen vergleichsweise einfach, weil die Informationen aufgrund der Verwendung von Binärcodes lediglich aus einer Anreihung von nur zwei Grundinformationen (+/– bzw. wahr/falsch) bestehen, die elektronische Prozesse anstoßen.

Sprachliche Kommunikation

Die Kommunikation der Menschen untereinander ist ungleich komplexer. Sprache besteht aus verschiedenen Zeichen und Regelsystemen (Laute, Buchstaben, Wörter, Sätze, Syntax). Sender und Empfänger müssen deshalb über einen möglichst großen Übereinstimmungsgrad ihrer Zeichen und Regelsysteme verfügen. Das ist in der Praxis nicht immer der Fall. Das liegt zum einen an der unterschiedlichen Sprachkompetenz der Beteiligten und zum anderen an der mangelnden Eindeutigkeit der Zeichen und Regelsysteme.

Gesprochene und geschriebene Sprache kennt viele bedeutungsähnliche oder bedeutungsverwandte Wörter. Während das Verb „sterben“ lediglich die Grundinformation liefert, können bedeutungsähnliche Wörter wie „verdursten“ oder „ertrinken“ die Grundinformation um weitere Informationen erweitern. Hinzu kommt, dass Wörter oder Sätze auch über Nebenbedeutungen (Konnotationen) verfügen, die bei der Verwendung des Wortes/Satzes als zusätzlicher wertender Begriffsinhalt mit transportiert werden können. So meinen die Wörter „Hund“ oder „Kläffer“ dasselbe Tier. Doch die übermittelte Information ist je nach verwendetem Wort unterschiedlich (Kläffer ist eine abschätzige Bezeichnung für einen Hund und ist so ein Beispiel für eine negative Konnotation). Sprachkommunikation ist also nur erfolgreich, wenn Codierung und Decodierung auch die semantischen Unterschiede der verwendeten Zeichen berücksichtigen.

Kommunikation in der Rechtssprache

Was bei Geschäften des täglichen Lebens noch unproblematisch erscheint, erweist sich bei der Auslegung von Gesetz und Recht als ungleich bedeutungsvoller. Mit den Gesetzen werden auf abstrakter Ebene ordnende Regelsysteme zur Verfügung gestellt, deren Rechtsfolgenanordnung dann auf die Praxis angewendet werden kann, wenn ein tatsächlicher Lebenssachverhalt der abstrakten Beschreibung des gesetzlichen Tatbestandes entspricht. Auch hier geht es darum, die im Gesetz formulierten Gedanken und Informationen zu decodieren und in ihrem wahren Sinngehalt zu erfassen. Nicht von ungefähr beschäftigen sich Juristen seit Jahrhunderten damit, geeignete Methoden zur Auslegung von Gesetzen zu entwickeln (am Anfang war das Wort).

Vermittlung und/oder Beratung

Es ist unverkennbar, dass es in der Versicherungs- und Finanzbranche einen Trend gibt, den Vertrieb von Versicherungs- und Finanzprodukten mit positiv klingenden Bezeichnungen zu unterstützen. Versicherungsvertreter labeln sich als Wirtschaftsberater, Vermögensberater oder (seltener) Versicherungsberater oder einfach Berater. Die im Begriff „Berater“ enthaltene positive Konnotation transportiert positive Werte wie Neutralität, Objektivität und Seriösität und überstrahlt die profane Verkaufstätigkeit. Problem ist nur, dass der Verbraucher – anders als bei Geschäften des täglichen Lebens – die rechtlich relevanten Unterschiede zwischen Vermittlern und Beratern in der Regel nicht erkennt.

Immerhin hat sich der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung der EU-Vermittlerrichtlinie dazu entschlossen, klar zwischen Versicherungsvermittlern und Versicherungsberatern zu unterscheiden, und Vermittler verpflichtet, ihren Status klar zu kommunizieren. Das war es dann aber auch. Die Auslegung von Gesetzen wird aber umso schwieriger, je laxer der Gesetzgeber im Umgang mit der Rechtssprache ist.

Nach den Vorschriften der Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) und des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) besteht die Vermittlung aus den Modulen Beratung, Vorbereitungsarbeiten, Abschluss von Versicherungsverträgen und Mitwirkung bei der Verwaltung von Versicherungsverträgen. Die Gewerbeordnung stellt dagegen Vermittlung und Abschluss nebeneinander.

Ein Blick in die Rechtsvorschriften der Anlageberatung offenbart weitere Mängel in der Gesetzessprache, die schon Fachleuten und erst recht Verbrauchern das Verständnis erschweren. Ein Anlageberater, der dem Anleger Finanzprodukte verkauft und vom Anbieter des Finanzproduktes dafür eine erfolgsabhängige Vergütung erhält, ist zwar Vermittler, heißt aber Anlageberater. Es sei denn, er verkauft nur Finanzanlagen. Dann heißt er Finanzanlagenvermittler. Berät der Anlageberater den Anleger gegen eine Gebühr, heißt der Anlageberater „HonorarAnlageberater“. Berät der Finanzanlagenvermittler den Anleger gegen Gebühr über Finanzanlagen, heißt er „Honorar-Finanzanlagenberater“. Alles klar? Wenn ein Anlageberater Finanzprodukte und Versicherungen gegen Provision verkauft (kommt in der Praxis der Banken relativ häufig vor), ist er gleichzeitig Anlageberater und Versicherungsvermittler, also eine Chimäre. Wer soll das als Kunde verstehen? Gnade also für die Verfasser der Studie im Hinblick auf den vermurksten Titel. Zum Design der Studie und ihrem Ergebnis vielleicht demnächst.

Über Hans-Ludger Sandkühler

Hans-Ludger Sandkühler ist Vertriebs- und Versicherungsjurist und verfügt über praktische Erfahrungen aus seinen langjährigen Tätigkeiten als Versicherungsmakler und Rechtsanwalt. Er ist ausgewiesener Experte in Maklerfragen, gefragter Referent und Autor zahlreicher Veröffentlichungen.

Lesen Sie auch: Unabhängigkeit ist eine Voraussetzung für das Berufsbild

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 06/2025 und in unserem ePaper.

 

Impressionen vom Vorsorge Forum 2025

Das Vorsorge Forum konnte in diesem Jahr nicht nur mit einer neuen Location aufwarten, sondern auch mit einem erweiterten Konzept. Im Fokus standen neben fachlicher Information der Austausch mit Produktanbietern sowie Kolleginnen und Kollegen. AssCompact hat einige Eindrücke aus Köln gesammelt.

 
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Digitalkongress Rechtsschutz am 03.07.2025

Wer beim Thema Rechtsschutz informiert bleiben will, muss sich stets mit den aktuellen Entwicklungen auseinandersetzen. Dazu bietet der Digitalkongress „Rechtsschutz“ am 03.07.2025 eine gute Gelegenheit. Was gibt es Neues im Bereich Rechtsschutz?

Die Kunden schützt sie vor teils existenzbedrohenden Risiken, da die Kosten immens hoch werden können. Und für viele Prozesse in der Bearbeitung spielt Digitalisierung eine immer größere Rolle: Die Rechtsschutzversicherung. Speziell beim Thema Rechtsschutz ist es für Makler wichtig, sich auf dem Laufenden zu halten und die neuesten Entwicklungen auf dem Markt zu kennen. Doch was genau müssen Makler aktuell rund um den Rechtsschutz wissen und beachten? Und was bieten die Versicherer Neues?

Auf dem Digitalkongress „Rechtsschutz“, der am Donnerstag, den 03.07.2025, auf der Plattform DKM365 stattfindet, können Interessierte sich zwei Fachvorträge dazu ansehen bzw. anhören.

Darüber wird gesprochen auf dem Digitalkongress „Rechtsschutz“

Das Programm am 03.07.2025 ab 9:00 Uhr:

  • 9:00 – 9:30 Uhr: Vorsorgevollmacht & Patientenverfügung – wer schützt Ihre Kunden, wenn Sie es nicht tun?; Referent: Fabian Lampe, Leiter Vertrieb bei Neue Rechtsschutz- Versicherungsgesellschaft AG
  • 10:00 – 10:30 Uhr: Rechtsschutz 4.0 – Digitalisierung trifft auf Persönlichkeit; Referent: Milan Jarosch, Head of Sales bei DMB Rechtsschutz

Die Moderation des Online-Events übernimmt Oliver Dahmen, Head of Sales bei der bbg Betriebsberatungs GmbH.

Danach in den Breakout-Room

Zwischen den 30-minütigen Vorträgen können die Teilnehmenden den Breakout-Room, Videotelefonie und den Chat für Fragen und zur Diskussion der Themen nutzen. Des Weiteren besteht dort die Gelegenheit, mit Kolleginnen und Kollegen sowie Referentinnen und Referenten in den Austausch zu gehen.

Einloggen und weiterbilden

Der Digitalkongress „Rechtsschutz“ ist ein Live-Event auf dkm365.de. Teilnehmende benötigen einen Zugang zur Plattform – extra vorher anmelden müssen sie sich aber nicht. So ist auch eine spontane Teilnahme am Event möglich. Mit der Teilnahme an der Online-Veranstaltung können Vermittlerinnen und Vermittler bis zu 30 Minuten Weiterbildungszeit sammeln.

Aktuelle Informationen zu diesem und zahlreichen weiteren Digitalkongressen gibt es unter asscompact.de/digitalkongresse.