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9. Januar 2019
„Cyber ist die wichtigste neue Sparte im deutschen Markt“

„Cyber ist die wichtigste neue Sparte im deutschen Markt“

Die Absicherung gegen Cyberattacken wird auch für KMU immer wichtiger. Die ERGO setzt beim Cyberschutz auf Prävention und Schadenbegrenzung. Für die Beratung sollten sich Makler mit IT-Risiken vertraut machen, erklärt Dr. Markus Hofmann, Vorstandsmitglied der ERGO Versicherung AG und verantwortlich für den Maklervertrieb Schaden/Unfall.

Herr Dr. Hofmann, die Cyberversicherung gehört sicherlich zu den Wachstumsfeldern. Aber was überwiegt denn aktuell am Markt: Vorsicht oder Zuversicht?

Wir sehen im Cybergeschäft großes Potenzial. Die zunehmende Digitalisierung und Technologisierung verändern unsere Wirtschaftswelt. Dieser Veränderungsprozess bietet Unternehmen viele Chancen. Auf der anderen Seite werden wir fast täglich mit den Risiken der Digitalisierung konfrontiert: Cyberrisiken sind die Kehrseite der Digitalisierung. Für uns bedeutet dies, Chancen und Risiken sehr genau abzuwägen. Schadenszenarien im Cyberbereich sind sehr vielfältig und nur schwer vorhersehbar. Wie bei anderen Risiken zählt beim Schutz gegen Cyberrisiken die individuell richtige Mischung aus Prävention und Schadenbegrenzung. Wir als Versicherer bringen hier unsere Kernkompetenz ein: den Umgang mit Risiken.

Allgemein wird aber schon davon ausgegangen, dass manch ein Versicherer künftig doch weniger Risiken zeichnen und allgemein zurückhaltender werden wird. Sehen Sie das auch so?

Neue Geschäftsfelder zeichnen sich im Allgemeinen dadurch aus, dass Erfahrungen und Know-how aufgebaut werden müssen, um die Chancen und Risiken solide bewerten zu können. Cyber ist die wichtigste neue Sparte im deutschen Markt. Angesichts der aktuell niedrigen Marktdurchdringung schlummert hier noch ein enormes Wachstumspotenzial. Da die Kumulthematik ein großes Risiko darstellt, wird diese sicherlich auf die verfügbaren Kapazitäten Einfluss nehmen.

Gleichermaßen steigen die Befürchtungen, dass Schadenfälle nicht nur die Cybersparte hart treffen könnten, sondern auch die Sach- sowie die Haftpflichtsparte. Bereiten Ihnen diese Silent-Cyberrisiken Kopfzerbrechen?

Wir begleiten unsere Kunden entlang der gesamten unternehmerischen Wertschöpfungskette. Dabei können wir auf ein umfassendes Produktportfolio aus den Gewerbe- und Industrieversicherungen zugreifen, um Kunden einen passgenauen Deckungsschutz zu bieten. Auf Sicht wird sich zeigen, dass Silent Cyber Auswirkungen auf die Profitabilität der klassischen Deckungen haben wird. Die durch Silent Cyber erfassten Deckungen in den klassischen Produkten müssen zukünftig bei der Preisfindung berücksichtigt werden. Daneben könnten auch Anpassungen von Deckungsinhalten zur Diskussion stehen. Unabhängig von der Entscheidung, welchen Weg Versicherer wählen, wird es sicherlich unabdingbar, Verflechtungen bzw. Kumulrisiken durch Silent Cyber umfassend zu analysieren und zu identifizieren.

Welche Erfahrungen haben Sie seit Einführung Ihrer Cyberkonzepte vor rund zwei Jahren gemacht?

Wir haben ein signifikantes Portfolio aufgebaut und wachsen in der Cyberversicherung stark. Aber wir agieren sehr umsichtig und versichern nur das, was wir für versicherbar halten.

Erreichen Sie denn mittlerweile auch kleine und mittelständische Unternehmen? Oder ist und bleibt Cyber eher ein Thema für Großkonzerne und Industrie 4.0?

Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung unseres Cybergeschäfts, vor allem im KMU-Segment. Kleine und mittelständische Unternehmen stehen häufig im Fadenkreuz von Cyberkriminellen, da sie das Risiko, Opfer einer Cyberattacke zu werden, unterschätzen. Schadsoftware wie beispielsweise ein Trojaner sucht sich die Unternehmen nicht nach Größe, Branche oder Gründungsdatum aus, sondern nach bestehenden Schwachstellen. Mit dieser Kenntnis wird klar, dass der Handwerker mit einem veralteten IT-System anfälliger für Cyberattacken ist als ein Großkonzern mit einer modernen Serverlandschaft. Auf der anderen Seite findet ein Virus seinen Weg in die IT-Systeme eines Dax-Konzerns mit unzureichenden Sicherheitsvorkehrungen deutlich schneller und einfacher als in einen Friseur­salon mit gut geschütztem Netzwerk. Gleichwohl wächst die potenzielle Schadenhöhe mit der Unternehmensgröße.

Ihre Kompaktversion will auch das kleine Handwerk ansprechen. Reicht denn eine abgespeckte Version oder muss eine Cyberversicherung nicht doch mehr umfassen mit Blick auf Eigen- und Drittschäden?

Uns ist es sehr wichtig, unseren Kunden einen passgenauen Versicherungsschutz zu bieten. Die Risiken eines Rechtsanwalts sind bei einem Cyberangriff hinsichtlich der Datenschutzverletzungen immens. Auf der anderen Seite können die Folgen einer Betriebsunterbrechung durch ein Schadprogramm für einen Produktionsbetrieb existenzielle Auswirkungen haben. Unabhängig davon sind umfassende und hochprofessionelle Serviceleistungen im Schadenfall von großer Bedeutung für die Kunden.

In der Regel ist eine Cyberversicherung nicht allein eine finanzielle Absicherung, sondern sie wird von bestimmten Serviceleistungen begleitet. Sind diese inzwischen fast schon wichtiger?

Serviceleistungen sind integraler Bestandteil eines soliden Deckungskonzepts und unerlässlich für die Kunden. Wichtig war uns, dass wir Serviceleistungen anbieten, die unsere Kunden im Schadenfall rund um die Uhr abrufen können.

Was setzen Sie denn bei Kunden an technischen oder auch sonstigen Sicherheitsmaßnahmen voraus?

Wir berücksichtigen das kundenspezifische Exposure, also etwa die Art der Datenvorhaltung, die IT-Sicherheit, die Prozesse und Organisation. Eine umfangreiche Prüfung mithilfe eines Risikofragebogens bei der Antragstellung und ggf. ein Risikosurvey vor Ort sind essenziell.

Gibt es auch Ausschlüsse? Zudem ist Cyberkriminalität ja ein sehr bewegliches Terrain und man weiß heute nicht, welche Gefahren morgen drohen werden.

Ja, beispielsweise Schäden und Ansprüche in Zusammenhang mit Glücksspielen oder illegal erworbenen Programmen. Moderne Cyberkriminelle zeigen sich äußerst innovativ und damit den Gegenmaßnahmen der Softwareindustrie oft einen Schritt voraus. Der Einfallsreichtum von Cyberverbrechern liegt im Wettstreit mit IT-Sicherheitskonzepten und der Leistungsfähigkeit des Versicherungsmarktes.

Lassen Sie uns einen Blick auf die Beratung werfen: Kann ein Makler das Thema Cyberversicherung einfach so abdecken oder ist hier schon eine Spezialisierung notwendig?

Ein Informatikstudium ist keine Zugangsvoraussetzung für den Verkauf von Cyberversicherungen. Wichtig ist vielmehr die Bereitschaft, sich dem Thema professionell zu nähern und sich weiterzubilden. Hilfreich ist es dabei sicherlich auch, sich mit der Terminologie und den IT-Risiken vertraut zu machen.

Welche Risiken sollten denn im Beratungsgespräch vonseiten des Maklers angesprochen werden?

Eine gute Cyberversicherung beinhaltet eine umfassende Drittschadendeckung wie zum Beispiel Datenschutzverletzungen und Datenvertraulichkeitsverletzungen. Eigenschäden durch Betriebsunterbrechungen, Daten- und Programmwiederherstellungen oder Computerbetrug sind für fast jedes vernetzte Unternehmen denkbar und sollten angesprochen werden. Darüber hinaus sind Serviceleistungen, insbesondere Cyberrechtsschutz, Krisen- und Reputationsmanagement sowie IT-Dienst- und Forensikleistungen im Schadenfall von großer Bedeutung.

Was würden Sie Maklern noch gerne mit auf den Weg geben?

Wir werden 2019 unsere Cyberproduktpalette digitalisieren und online anbieten. Unser neuer Cyber-Online-Rechner bildet mit über 3.000 Betriebsarten umfassende Abschlussmöglichkeiten ab. Damit ist ein einfacher, schneller und voll digitaler Vertrieb möglich. Zudem werden wir unsere neuen Bedingungswerke in der dritten Tarifgeneration einführen. Selbstverständlich werden wir an Alleinstellungsmerkmalen wie beispielsweise der Mitversicherung von Sach- und Personenschäden durch Cyberattacken oder der Absicherung von Schadensersatzansprüchen aus der Verletzung von Vertragspflichten festhalten.

Dieses Interview lesen Sie auch in der AssCompact 01/2019 auf S. 36 f.

 
Ein Artikel von
Dr. Markus Hofmann