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29. Oktober 2015
„Das Privatgeschäft wird im digitalen Feuer stehen“

„Das Privatgeschäft wird im digitalen Feuer stehen“

Dem Ruf der DKM folgten auch 2015 wieder die Vorstandsvorsitzenden der großen deutschen Versicherer. In der „Elefantenrunde“ diskutierten diesmal Dr. Thomas Buberl (AXA Konzern AG), Dr. Manfred Knof (Allianz Deutschland AG), Rainer M. Jacobus (IDEAL Versicherungsgruppe) sowie Dr. Armin Zitzmann (NÜRNBERGER Versicherungsgruppe). Im Fokus standen dabei vor allem die vielen Herausforderungen, vor denen die Branche steht – allen voran die Digitalisierung.

Gibt es eine Zukunft für Vermittler und das klassische Geschäftsmodell der Versicherer? Dieser Frage von Dr. Marc Surminski, Chefredakteur Zeitschrift für Versicherungswesen, musste sich die Runde der Versicherungsvorstände gestern stellen. Der Moderator der Elefantenrunde der DKM 2015 verwies auf die immensen Herausforderungen durch Regulierung, Digitalisierung und Demografie. „Dass Digitalisierung den Tod der Branche bedeutet, finde ich persönlich absoluten Quatsch“ – mit diesem klaren Statement startete Dr. Thomas Buberl die Antwortenrunde. Vielmehr schaffe sie die Möglichkeit, zu relativ geringen Kosten Kundenkontakte herzustellen.

„Nicht das Ende der Vermittler“

In der Digitalisierung sah auch Dr. Armin Zitzmann nicht das Ende der Vermittler, sondern vielmehr Werkzeug: „Wer in der Beratungsqualität mehr anbieten wird als das Internet, wird überleben. Wer das nicht kann, wird vom Markt verschwinden.“ Die Versicherer seien gefordert, die Prozesse für die Vermittler zu optimieren. Rainer M. Jacobus wollte lieber von der Industrialisierung als von der Digitalisierung sprechen. Die Branche habe darin jedenfalls an allen Ecken und Enden Nachholbedarf. „Die Trennung zwischen mobilem Geschäft und Direktgeschäft wird in Zeiten einer Volldigitalisierung komplett aufgehoben“. Gerade für den Vertrieb sieht Jacobus aber durch die Digitalisierung deutlich mehr Chancen als Risiken.

Marktbereinigung ohne Zweifel

Trotz all der Chancen herrschte in der Elefantenrunden relative Einigkeit darüber, dass die Zahl der Vermittler weiter sinken wird. Nicht alle Vermittler werden es nach Ansicht des Panels schaffen, die neuen Ansprüche aufgrund von Digitalisierung und Regulierung zu erfüllen. Rainer M. Jacobus verwies zudem darauf, dass die Vermittlerdichte in Deutschland mit 6,8 pro 1.000 Einwohner in etwa doppelt so hoch wie im internationalen Durchschnitt ist. „Dass es eine Marktbereinigung geben wird, ist ohne Zweifel“, so Jakobus.

Klassische Produkte nicht mehr attraktiv

Für die klassische Lebensversicherung sahen die Vorstandsvorsitzenden schwarz. Das anhaltende Niedrigzinsumfeld mache diese Produkte unattraktiv, weil die Garantien zu teuer geworden sind. „Der Bedarf an Altersvorsorge und Sparprodukten wird aber nicht abnehmen. Im Gegenteil. Die Menschen werden immer älter und müssen sogar noch mehr auf die Seite legen – und durch die Niedrigzinsphase noch einmal mehr“, stellte Dr. Manfred Knof aber auch klar. Zwar könne der Kunde weiter klassische Produkte kaufen, eine Empfehlung gab aber keiner der Vorstandsvorsitzenden dafür noch ab. „Kunden wären angesichts der hohen Kosten für Garantien und des geringen Upsides blöd, die klassische Lebensversicherung zu wählen“, stellte auch Dr. Thomas Buberl ganz klar heraus.

Nichts, das begeistert

Dr. Armin Zitzmann stellte zudem heraus, dass die Branche das Grundproblem habe, dass man nichts anbiete, was begeistert könne. „Niemand steht auf und schreit: Hurra, ich möchte eine Lebensversicherung“, stellte Dr. Armin Zitzmann heraus. Gerade darin liege aber auch die Chance eines aktiven Vertriebs. Jacobus verwies auf das veränderte Verhalten der Generation Google, auf das sich die Branche einstellen müsse. Mehr Sorge bereite ihm aber, dass einige Fintechs in ihren AGBs die Haftung für Fehlberatung ausschließen. Dr. Thomas Buberl verwies darauf, dass man sich Fintechs frühzeitig öffnen müsse. Die AXA selbst habe diesbezüglich bereits früh erste Samen gepflanzt, die aber noch wachsen müssten.

Keine Angst vor Amazon und Google

Eine größere Gefahr als durch Fintechs wird oft ohnehin durch den Angriff von Onlinegrößen wie Google oder Amazon heraufbeschworen. Dr. Manfred Knof steht auch dem relativ gelassen gegenüber: „Es wird ja alle sechs Monate neu angekündigt, dass sie uns übernehmen oder unser Geschäftsmodell zerlegen. Wenn wir die Möglichkeiten von Big Data nutzen, mache ich mir gar keine Sorgen vor den Googles und Amazons.“ Google und Amazon hätten zwar eine enorme Stärke darin, große Daten zu verwerten. Dass Google aber mehr über die Krankenakten der Kunden wisse, als die Versicherer selbst, stellte Dr. Thomas Buberl aber infrage. Die Versicherer müssten die Daten besser nutzen, um eine proaktive Beziehung zum Kunden zu erreichen.

Privatgeschäft im digitalen Feuer

Zitzmann sieht Probleme beim Nachwuchs: „Man muss nach wie vor nur eines mitbringen: den Willen, auf Menschen zuzugehen und etwas verkaufen zu wollen.“ Diese Lust fehlt dem NÜRNBERGER-Vorstand bei der jungen Generation oft. Sie würden zwar die digitale Klaviatur beherrschen, hätten aber oft nicht den Willen, etwas verkaufen zu wollen. In Bezug auf die junge Generation merkte Rainer M. Jacobus an, dass bei dieser das digitale Einkaufen zur Regel statt zur Ausnahme geworden sei. Sie werden daher vermutlich auch Versicherungsverträge online abschließen. „Komplexe Produkte wie Altersvorsorge werden aber weiterhin Beratung brauchen“, stellte der IDEAL-Vorstandsvorsitzende zwar klar. 80% seien allerdings Privatgeschäft. „Und das wird im digitalen Feuer stehen.“ (mh)