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Fort & Weiterbildung
26. August 2014
„Mir ist nicht bekannt, dass es nebenberufliche Anwälte, Ärzte oder Piloten gibt“

„Mir ist nicht bekannt, dass es nebenberufliche Anwälte, Ärzte oder Piloten gibt“

Mit Weiterbildungsmaßnahmen will die Branche die Vermittlung und Beratung besser machen. Die Basis dafür beruht auf Freiwilligkeit. Manchem gehen die ersten Schritte noch nicht weit genug. Nachgefragt bei Franz-Josef Rosemeyer, Vorstand der A.S.I. Wirtschaftsberatung AG

Herr Rosemeyer, in einer aktuellen Pressemitteilung sprechen Sie von einem Ausleseprozess in der Branche. Erwarten Sie eine Konsolidierung am Vermittlermarkt?

Der Ausleseprozess in der Branche läuft spätestens seit Einführung des § 34d Gewerbeordnung. Unter den kleineren unabhängigen Vermittlern gibt es kaum noch Unternehmen, die sich nicht einem Pool angeschlossen haben und damit bestimmte Leistungen, die sie vorher nach eigenen Maßstäben erbracht haben, normiert einkaufen. Für kleinere Unternehmen gibt es wahrscheinlich auch gar keine andere Möglichkeit, wenn man sämtlichen gesetzlichen und administrativen Anforderungen gerecht werden will.

Gerade auf der unabhängigen Vermittlerseite wächst der Anspruch der Kunden allerdings weiter. Es wird nicht nur eine Versicherungsberatung, sondern eine komplette Finanz- und Vorsorgeberatung erwartet. Dies setzt voraus, dass die Beratungsthemen auch über die reine Versicherungsberatung hinaus Investmentgeschäft, Finanzierungen etc. einbeziehen. Wer diese Erwartungen der Kunden erfüllen will, muss weitere Qualifikationsnachweise erbringen und zusätzliche administrative Aufgaben bewältigen. Dies wird, meiner Ansicht nach, zu einer Fortsetzung der Konsolidierung auf dem Vermittlermarkt führen.

Eine Konsolidierung, die Sie begrüßen?

Unter dem Gesichtspunkt der Professionalisierung in der Finanzberatung ist diese Entwicklung durchaus zu begrüßen. Nur qualifizierte und ausgebildete Berater sollten zu Finanzthemen und/oder Vorsorgeaspekten beraten. Was in anderen Berufszweigen selbstverständlich ist, sollte für diesen verantwortungsvollen Beruf ebenfalls gelten. Mir jedenfalls ist nicht bekannt, dass es nebenberufliche Anwälte, Ärzte oder Piloten gibt.

A.S.I. ist nun auch Trusted Partner der Bildungsinitiative „gut beraten“. Reicht die Initiative aus oder was meinen Sie, wenn Sie mehr Verbindlichkeit in Sachen Weiterbildung fordern?

Die Initiative „gut beraten“ kann ein Meilenstein in der verbindlichen Weiterbildung von Versicherungsvermittlern sein, den man aber noch ausbauen kann. Bisher war es jedem freigestellt, ob er an Fort- und Weiterbildungen teilnimmt, oder nicht. Für den Kunden gab es kaum Möglichkeiten, den Qualitätsstandard des vor ihm sitzenden Beraters festzustellen. Auch „gut beraten“ setzt auf Freiwilligkeit, schafft aber zumindest einen Standard für den Fortbildungsnachweis.

Die Notwendigkeit einer verbindlichen Weiterbildung lässt sich sehr gut an der Entwicklung bei den Altersvorsorgelösungen erläutern. Hier gibt es seit der Rentenreform eine rasante Entwicklung. 2001 gab es noch keine Riester-Rente und vor Einführung des Alterseinkünftegesetzes auch noch keine Basisrente. Die betriebliche Altersvorsorge hat sich in den letzten Jahren in ihren Grundstrukturen deutlich verändert. Die Erträge von Lebensversicherungen sind nicht mehr steuerfrei und die Altersvorsorge der Deutschen stützt sich heute kaum noch auf kapitalbildende Lebensversicherungen sondern auf Rententarife. Dies betrifft im Übrigen alle drei Schichten der Altersvorsorge. Die Tatsache, dass wesentliche Anteile der Vorsorgeprodukte nicht mehr im Rahmen konventioneller Versicherungen, sondern in fondsbasierten Lösungen abgeschlossen werden, erhöht den Komplexitätsgrad zusätzlich. Der besonders ausgeprägte Wunsch nach Sicherheit bei den Deutschen im Rahmen der Altersvorsorge hat schließlich zur Entwicklung sogenannter Hybrid-Modelle geführt, deren Erklärungsbedürftigkeit ausgesprochen hoch ist. Wie sollte ein Berater diese Entwicklungen ohne entsprechende Fort- und Weiterbildung für sich und seine Kunden erschließen?

Eine Selbstverpflichtung geht Ihnen nicht weit genug?

Mit der Initiative „gut beraten“ bekommt die Fortbildung für Versicherungsvermittler ein Gerüst. Welche Schwerpunkte der Vermittler bei der Fortbildung setzt, bleibt ihm allerdings selbst überlassen. Man darf aber wohl davon ausgehen, dass er seine Fortbildung auch in den ihm nahestehenden Themenfeldern durchführen wird.

Im Rahmen unserer hauseigenen Akademie bei A.S.I. gehen wir noch einen Schritt weiter. Es gibt für jeden Berater ein individuelles Aus- und Fortbildungsprogramm. Seit nunmehr ca. 20 Jahren ist so auch nachvollziehbar, welcher Berater an welchen Maßnahmen teilgenommen hat und für welche Beratungsbausteine er qualifiziert ist. Themen, zu denen er die notwendige Qualifikation nicht nachgewiesen hat, darf er nicht beraten.

Regelmäßige Weiterbildung für mehr Beratungsqualität lautet das Credo der Branche. Alleine die Weiterbildung macht aber auch noch keinen guten Berater. Verlässt man sich aktuell zu sehr auf die formellen Anforderungen?

Selbstverständlich macht die Weiterbildung alleine noch keinen guten Berater. Allerdings wurde der Branche in der Vergangenheit vorgeworfen, sich fast ausschließlich auf die Stärkung der verkäuferischen Fähigkeiten ihres Vertriebspersonals zu konzentrieren und den fachlichen Aspekt zu kurz kommen zu lassen. Mit dem deutlichen Bekenntnis zu mehr Weiterbildung greift die Versicherungsbranche ihren am schärfsten kritisierten Schwachpunkt auf, mit dem Ziel, eine flächendeckende Erhöhung der Qualität in der Beratung zu erreichen. Dieser Ansatz ist aus meiner Sicht begrüßenswert.

Sie holen Ihren Nachwuchs direkt an den Universitäten ab. Versicherungsvermittlung zählt nicht gerade zu den Traumberufen der jungen Menschen. Wie schwer ist es aktuell, junge Menschen für den Beruf zu gewinnen und welche Argumente ziehen?

Bei uns geht es nicht ausschließlich um die Versicherungsvermittlung, sondern um die ganzheitliche Wirtschafts- und Finanzberatung. Dazu gehören neben den Versicherungsthemen auch Finanzierungsfragen, Anlageberatung und in spezifischen Zielgruppen auch die betriebswirtschaftliche Beratung, zum Beispiel bei Ärzten und Zahnärzten. Der Komplexitätsgrad der Beratung ist damit weitaus höher, als in der reinen Versicherungsvermittlung und wir stellen an unsere Berater, insbesondere in analytischer Hinsicht, besondere Anforderungen. Deswegen rekrutieren wir unseren Nachwuchs an den Hochschulen, vornehmlich aus den betriebswirtschaftlichen Fachrichtungen.

Die umfassende Beratungsdienstleistung macht den Reiz für unsere Berater und den Nachwuchs aus. Gleichwohl stellen wir fest, dass die Gewinnung von Nachwuchskräften nicht einfacher geworden ist. Das hindert uns allerdings nicht daran, den Expansionskurs, den wir 2001 eingeleitet haben, auch weiterhin fortzusetzen. Seit dem genannten Zeitpunkt hat sich unsere Berateranzahl, ohne Zukäufe von anderen Beratungseinheiten, mehr als verdoppelt.

Welche Rolle spielt der finanzielle Aspekt? Für Einsteiger wird es durch Provisionsbegrenzungen immer schwieriger, ein auskömmliches Einkommen zu erzielen.

Der finanzielle Aspekt spielt natürlich eine wichtige Rolle. Dabei geht es allerdings nicht um die Einstiegsvergütung, sondern um die Perspektive. An erfolgreiche Berater werden auch besondere Anforderungen gestellt. Insofern ist es nur folgerichtig, dass auch die Einkommenspotenziale überdurchschnittlich hoch sind.

Die Provisionsbegrenzungen sind bei größeren Beratungsunternehmen nicht das Problem für die Berufseinsteiger, sondern vor allem für die Unternehmen selbst. Sie müssen die Ausbildung des Nachwuchses finanzieren und durch Provisionsbegrenzungen wird dieser Finanzierungszeitraum unter Umständen länger. Für kleinere Unternehmen wird die Ausbildung von Nachwuchs zukünftig unter Umständen nicht mehr möglich sein. Dieser Sachverhalt wird das Nachwuchsproblem, vor dem die Branche bekanntermaßen steht, noch erheblich verschärfen.