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14. Oktober 2016
„Ziel ist ein einheitlicher ERGO-Vertrieb, eine einheitliche Kultur, ein Wir-Gefühl“

„Ziel ist ein einheitlicher ERGO-Vertrieb, eine einheitliche Kultur, ein Wir-Gefühl“

Der ERGO Konzern baut seine Vertriebsstrukturen um. Innerhalb der ERGO Beratung und Vertrieb AG (EBV) finden sich künftig die Ausschließlichkeitsorganisation, der Strukturvertrieb von ERGO Pro und der Bankenvertrieb. Der Maklervertrieb rückt an die jeweiligen Sparten heran. Der Umbau basiert auf einem 1 Mrd. Euro schweren Strategieprogramm – das Investitionen wie Kosteneinsparungen gleichermaßen beinhaltet.

Interview mit Harald Christ, Vorstandsvorsitzender der ERGO Beratung und Vertrieb AG

Eine Zusammenlegung des ERGO-Vertriebs hat schon einmal stattgefunden. Was bedeuten nun die neuen Umbaumaßnahmen?

Zunächst die Anmerkung, dass es den „einen“ ERGO-Vertrieb nicht gab. Es gab verschiedene Vertriebseinheiten. Den Vertrieb der Victoria, der Hamburg-Mannheimer, der D.A.S. und der DKV unter dem Dach von ERGO. Sie wurden vor zwei Jahren in der EBV zusammengefasst. Damit waren die Voraussetzungen für die vertriebliche Integration geschaffen. Allerdings wurden die Vertriebswege zu dem Zeitpunkt nicht komplett zusammengelegt und operierten noch in eigenen Silos. Sie wurden zum Beispiel weiterhin eigenständig verwaltet, hatten eigene Systeme und Begrifflichkeiten. Das machte Prozesse aufwendig. Wir haben uns vorgenommen, das jetzt zu ändern und konsequent eine starke Ausschließlichkeitsorganisation ohne Doppelstrukturen aufzubauen. Ich bin davon überzeugt, dass wir so den Vertrieb wieder schlagkräftig machen.

Ist der Aufbau der neuen Struktur also eher eine Kultur- als eine Verwaltungs- bzw. IT-Aufgabe?

Es ist beides. Wir müssen schlanker in der Verwaltung und schneller in der IT werden. Unsere Größe garantiert keinen Erfolg, unsere Produktivität liegt unter dem Benchmark. Mein Ziel ist ein einheitlicher ERGO-Vertrieb, eine einheitliche Kultur und ein Wir-Gefühl. Ich habe in den letzten Wochen viele Agenturen besucht. Mir ist es wichtig, den Kulturwandel nicht nur anzukündigen, sondern ihn auch selbst zu leben. Deswegen haben wir Mut gezeigt und gesagt: Wir machen keine stufenweise Änderung, sondern wir machen es einmal richtig und konsequent. Wir konzentrieren uns in den kommenden fünf Jahren auf die Umsetzung der neuen Strategie.

Und beim Maklervertrieb bleibt, außer der Anbindung an die Sparten, alles beim Alten?

Nein. Der Maklervertrieb wird auch verschlankt. Er wird von den drei Eckpfeilern unseres Strategieprogramms „Fit. Digital. Erfolgreich.“ profitieren. Munich Re nimmt 1 Mrd. Euro für dieses Programm in die Hand. Das ist das größte Investitionsprogramm, das ich in der deutschen Assekuranz kenne. So bringen wir auch den Maklervertrieb, was Themen wie Digitalisierung, Prozess- und Produktoptimierung oder Omnikanal-­Vertrieb angeht, voran. Nur eben nicht mehr aus der EBV, sondern aus den Sparten heraus. Damit richten wir uns stärker an den Bedürfnissen der Makler aus, denn so sind sie künftig näher an den Underwriting-Entscheidern.

Werden alle Vertriebe im Konzern gleich behandelt?

Ja, wir wollen in allen Produkt- und Vertriebsbereichen zulegen: eine starke Ausschließlichkeitsorganisation, ein starker Maklervertrieb, ein starker Direktvertrieb und ein starker Bankenkooperationsvertrieb. Wir brauchen Wachstum auf allen Seiten. Wenn die einen wachsen und die anderen nicht, hätten wir nichts gewonnen. Es ist auch eine Frage der Vertriebskultur, eben in den anderen Vertriebswegen keine Gegner zu sehen. Wir wollen ERGO in einem herausfordernden Markt voranbringen – das gilt für alle Vertriebswege. Denn am Ende gewinnt derjenige, der besser, schneller, kundennäher und konsequenter ist als die Wettbewerber. Und der wollen wir sein.

Was sind nun die konkreten Ziele des Umbaus?

Wir werden alle Vertriebswege optimieren, denn wir wollen wieder wachsen. Für Kunden und Vermittler werden wir ein umfassendes, kanalübergreifendes Angebot bereitstellen. Und wir werden unsere Kunden durch attraktive Produkte und Services überzeugen. Ich kann heute zu konkreten Wachstumszahlen nichts sagen. Aber oft sind vergleichbare Strategieprogramme mit einem Umsatzeinbruch verbunden. Das ist bei uns derzeit nicht der Fall. Wir verzeichnen ein moderates Wachstum im Vertrieb. Und das ist in der jetzigen Marktlage nicht selbstverständlich.

Kann dann aus einem der größten Vertriebe auch ein kleinerer werden?

Es geht ganz klar um Profitabilität und Produktivität. Wir brauchen leistungsstarke Agenturen, die produktiv sind und langfristig mit uns ihren geschäftlichen Erfolg begründen wollen. Es ist kein Ziel, in der Kopfzahl der größte Versicherungsvertrieb in Deutschland zu sein. Das bedeutet leider auch harte Botschaften.

Welche sind das?

Das Strategieprogramm bringt auch Personalabbau mit sich. Die Hauptlast liegt dabei auf den Schultern des Vertriebes. Eine meiner ersten Aufgaben als Vertriebschef war es, das Abbauprogramm anzuschieben. Das fällt mir nicht leicht. Allerdings haben wir in kurzer Zeit einen Interessenausgleich verhandelt. Dabei waren sich alle – Gewerkschaften, Arbeitnehmervertreter, Betriebsräte und Management – ihrer großen Verantwortung bewusst. Es ist in unser aller Sinne, ERGO wettbewerbsfähiger aufzustellen und wieder nach vorne zu bringen. Sehr zuversichtlich stimmt mich, dass es eben kein reines Sparprogramm ist, sondern wir auch Investitionen tätigen: Wir haben in Munich Re eine starke Mutter und deshalb können wir zugleich neu strukturieren und investieren.

Investieren Sie die 1 Mrd. Euro in Menschen oder in die Technik?

Ein Großteil geht in die Digitalisierung, um die Grundlagen für den Wandel des Geschäftsmodells zu schaffen. Daneben investieren wir in schlankere und effizientere Strukturen, das heißt, wir lösen Doppelstrukturen auf und arbeiten effizienter in der Verwaltung. Zudem fließt auch viel Geld in die Agenturwelt. Wir wollen etwa ein übergreifendes Customer-Relationship-Management-­System schaffen. Viele der Investitionen kommen direkt denjenigen zugute, die unsere Produkte verkaufen. In den kommenden 24 Monaten werden wir unser Produktportfolio überarbeiten: Wir bekommen in jeder Sparte neue, leistungsstärkere Produkte.

Gibt es hierzu Konkreteres?

Im Herbst gehen wir zum Beispiel mit einer neuen Kfz-Versicherung an den Markt. Außerdem bringt ERGO eine neue Haftpflichtversicherung und eine Cyberversicherung heraus. Nächstes Jahr folgen Hausrat, Wohn­gebäude und Rechtsschutz.

Was passiert, wenn die Ziele nicht erreicht werden?

Diese Frage stellt sich mir nicht. Würde ich nur eine Sekunde darüber nachdenken, dass es nicht funktionieren könnte, dann wäre ich der Falsche für diesen Job. Ich sage deshalb: Wir sind ambitioniert, aber ich bin überzeugt, dass es uns gelingen wird, die Strategie von ERGO erfolgreich umzusetzen. Das Haus ist gebaut, jetzt müssen wir einziehen und es mit Leben füllen.

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 10/2016, Seite 34 f.

 

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von ADler ADler (578740) am 17. Oktober 2016 - 09:24

Herr Christ sollte sich für dieses Ziele und dieser Kulturaufgabe schnellstmöglich auch um die verbleibenden Angestellten kümmern, da die Leistungsträger darunter gerade alle den Absprung nehmen. Kein Wunder- werden diese seit Jahren als minderwertig und als letztes Glied am Wagen betrachtet und so in allen Belangen behandelt.

Auch in diesem Interview erlebt man wieder die Investition in "Agenturen". Angestellten wird eher am laufenden Band etwas weggenommen und es ist ganz selbstverständlich, dass Sie doppelte und dreifache Mehrbelastung für das selbe Einkommen hinnehmen möchten...... was man dort hört und sieht ist nicht mehr "feierlich".
Wir benötigen die dezentralen Vertriebsmitarbeiter dringend. Ohne diese wird das Schiff schneller als gedacht sinken.
Tipp: Stoppen Sie endlich diese durch Herrn Dr. W. verpasste Strukimentalität in den Hierarchien, schauen Sie genauer hin und lösen Sie pragmatisch diese Anliegen.. diese sitzen tief!!!

Gespeichert von Nicola Strätz am 19. Oktober 2016 - 14:06

Alle Vertriebskanäle -Ausschließlichkeit, Maklerschaft und Direktvertrieb- gleich zu behandeln, verlangt nach einem mehrkanalfähigen Vertriebssystem. Moderne IT schafft das, das ist Tagesgeschäft bei FABIS.

Kritisch ist das „Wir Gefühl“

Sobald die „einheitliche Kultur“ gleichmacht, was nicht gleich ist und sein will, wird das Einsparpotential zentral gesteuerter Systeme wieder „platt gemacht“. – das zeigt der bereits eingegangene Kommentar.
Warum fällt es so schwer vom Strukturvertrieb die Vorteile zu übernehmen bei Motivation und im Recruiting und zugleich die Nachteile zu kompensieren?

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