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28. Februar 2019
Aus Schaden klug werden: Schnelle Schadenbearbeitung dank KI

Aus Schaden klug werden: Schnelle Schadenbearbeitung dank KI

Kfz-Versicherer sehen sich im Schadenmanagement einer Flut komplexer Dokumente gegenüber. Wie sich künstliche Intelligenz (KI) in der Bearbeitung von Kfz-Schäden einsetzen lässt und die Arbeit erleichtert, erklärt Martin Micko in einem Gastbeitrag. Er ist COO und Gründer des Technologieanbieters omni:us.

Die EU ist traditionell eine Hochburg der Automobilhersteller. Allein in Deutschland gab es 2018 rund 46,5 Mio. zugelassene PKW. Auch die Zahl der auf dem Versicherungsmarkt in Europa gemeldeten Kfz-Schäden steigt stetig. Für Kfz-Versicherer bedeutet das, dass es immer wichtiger wird, ein effizientes und skalierbares internes System zur Abwicklung der Schäden zu implementieren, von dem Versicherungsnehmer und Mitarbeiter gleichermaßen profitieren. Im florierenden europäischen Technologiesektor werden von IoT-Sensor-Hardware bis hin zu intelligenten Blockchain-Strategien zahlreiche technische Innovationen erprobt, die das Zusammenspiel von Versicherungen und Autofahrern einfacher und effizienter gestalten können. Doch wie kann künstliche Intelligenz zur Verbesserung der Schadenbearbeitung beitragen?

Vereinfachter Workflow

Der erste Schritt bei Schadenmeldungen besteht darin, die Meldung so schnell wie möglich an die richtige Abteilung weiterzuleiten, denn zunächst kommt sie in der Regel in einem unspezifischen Ordner oder Posteingang bei der Versicherung an. Neben Schadenmeldungen landen dort auch allgemeine Anfragen zu Verträgen oder Tarifen. KI kann den Triage-Prozess beschleunigen, da sie hilft, einen Fall schnell zu indizieren und einzusortieren, zu priorisieren sowie der zuständigen Abteilung zuzuordnen. Sie erkennt selbstständig, welche Art von Dokumenten sie vor sich hat und leitet sie entsprechend weiter. Für die Versicherungsnehmer ist eine schnelle Reaktion besonders wichtig. Erhalten sie das Gefühl, in einem bürokratischen Sumpf unterzugehen, entsteht schnell Unzufriedenheit. Dies zu vermeiden, ist der erste Schritt zur Kundenbindung.

Der Informationsflut Herr werden

Wenn es um Kfz-Schäden geht, die bei Versicherungen insgesamt die größte Zahl an Schadenmeldungen ausmachen, ist ein häufiges Problem der Versicherer ein grundlegend Menschliches: der Umgang mit zu vielen Informationen. Angesichts der typischerweise stark regulierten Strukturen von Versicherung, sind Schadendokumente oftmals mit Erklärungen, Definitionen und für den Laien schwer verständlicher Terminologie überladen. Selbst für das erfahrene Auge des Sachverständigen ist das Durchsuchen dieser Flut an Informationen eine mühsame und zeitaufwendige Arbeit.

Dank selbstlernender Algorithmen kann dieser Hürde entgegengewirkt werden. KI erkennt und extrahiert die relevanten Informationen auf Formularen sekundenschnell und überträgt sie in ein strukturiertes Format, das für den Versicherungsfachmann leicht zu verarbeiten und zu nutzen ist. Die KI kann dabei sogar praktisch unleserliche Handschriften viel schneller und genauer auslesen als das menschliche Auge.

Zur Dokumentation eines Unfalls nutzen viele Autofahrer das europäische Unfallprotokoll. Meist füllen sie es noch am Unfallort aus, oftmals unter Schock. Das Ergebnis: Schwer leserliche Handschrift und oftmals widersprüchliche Aussagen zum Unfallhergang. So hilfreich das standardisierte Protokoll für die Sachverständigen ist, so aufwendig ist die manuelle Auswertung. Geschieht sie automatisiert, kann der Mitarbeiter seine Zeit in seine eigentliche Aufgabe investieren – die Beurteilung eines Schadenfalls. Auch in den folgenden Schritten ist das Potenzial groß. Wenn eine KI nicht nur einen handgeschriebenen Unfallbericht versteht, sondern auch gleich mit einem Kostenvoranschlag und aktuellen Preislisten, zum Beispiel für eine Windschutzscheibe abgleicht, erleichtert sie dem Sachbearbeiter die Arbeit enorm.

Gegenüber regelbasierten Systemen zur Dokumenterkennung hat KI den Vorteil, dass sie mit jedem verarbeiteten Dokument stetig dazulernt und sich verbessert, während die alten Systeme für jeden neuen Dokumententyp eine neue Regel brauchen. Bei Versicherungen kommen so schnell 50.000 bis 80.000 unterschiedliche Regeln zusammen, zwischen denen Konflikte programmiert sind. Die Systeme geraten so längst an ihre Grenzen und der Aufwand für die Aufstellung neuer Regeln und die Nachbearbeitung von nicht oder falsch erkannten Dokumenten ist immens.

Teilen und Gewinnen

Ein weiteres typisches Problem besteht darin, dass unterschiedliche Dokumente gemeinsam als eine einzelne Datei oder als einzelne Meldung eingereicht werden. Die manuelle Aufteilung von so unterschiedlichen Elementen wie Schadenfotos, Ausweisdokumenten und Reparaturrechnungen ist für einen Menschen eine mühsame Angelegenheit. Auch hier kann KI helfen. Sie kann die verschiedenen Dokumente, die in jedem Schadenfall vorkommen, effizient klassifizieren und in relevante Stapel sortieren. Sie ist auch in der Lage, frühzeitig zu erkennen, welche Dokumente in dem gemeldeten Schadenfall fehlen.

Mustererkennung

Umso mehr Daten die KI-Engine im Laufe der Zeit verarbeitet, desto besser kann sie Muster im spezifischen Kundenverhalten identifizieren. Zukünftig wird das beispielsweise eine bessere Betrugserkennung ermöglichen, indem Kunden, die in der Vergangenheit betrügerische oder verdächtige Ansprüche angemeldet haben, vom System automatisch gekennzeichnet werden. Durch die Erfassung der Umstände können darüber hinaus ähnlich geartete Meldungen in der Zukunft direkt als verdächtig markiert und gezielt einer weiteren Validierung unterzogen werden. So kann beispielsweise die Kostenstruktur von Ersatzteilen analysiert und mit aktuellen Marktdaten und Preisentwicklungen verglichen werden, was eine schnellere Beurteilung und Bewertung von Rechnungen und Kostenvoranschlägen ermöglicht.

In Zukunft wird KI auch verstärkt bei der Angebotssteuerung helfen. Auf Basis der dank KI gewonnen Daten werden Versicherer viel genauer prognostizieren können, welche Services für den jeweiligen Kunden attraktiv und möglich sind. So lässt sich zum Beispiel vorhersagen, ob es bei einem Unfall für den Betroffenen nicht attraktiver ist, einen Fahrer gestellt zu bekommen, der ihn im eigenen Auto nach Hause bringt, anstatt nach einem Standardprozedere das Fahrzeug abzuschleppen und eine Übernachtung im Hotel zu bezahlen.

Die Versicherer werden so letztlich einen Punkt erreichen, an dem sie ihre Schadenbewertung auf die Basis einer großen Zahl verlässlicher Erfahrungsdaten stellen können. KI wird so zu einer Enabler Technologie für Versicherungen, um ihre Prozesse in Zukunft datengetrieben aufzustellen.

KI sorgt für mehr Effizienz und eine stärkere Kundenbindung

KI ermöglicht es den Schadensachbearbeitern, durch die Digitalisierung der notwendigen Informationen, eine höhere Effizienz und ein genaueres Verständnis jedes Schadenfalls zu erlangen. Schadenfälle können so mit größerer Genauigkeit und Leichtigkeit bewertet werden.

Aufwendige manuelle Prozesse in Kfz-Versicherungen, die bei der Entscheidung über einen Schadenfall erforderlich sind, können digitalisiert und automatisiert werden. Da die KI die Abwicklungszeiten verkürzt, steigt die Kundenzufriedenheit, was letztendlich auch zu einer höheren Kundenbindung führt. Die datengestützte Arbeit auf Basis von KI erlaubt Versicherungsanbietern so eine bisher ungekannte Reaktionsfähigkeit durch schnellere und effizientere Prozesse.