Die 1971 in Portugal geborene Klägerin aus Gelsenkirchen unterhielt bei der beklagten Versicherungsgesellschaft aus Berlin eine sogenannte „Langfristige Auslandskrankenversicherung“. Nach den Versicherungsbedingungen erstattet die Versicherung dem Versicherten die durch einen medizinisch notwendigen Rücktransport aus dem Ausland in die Bundesrepublik Deutschland entstandenen, den üblichen Fahrpreis übersteigenden Kosten.
Akute Lebensgefahr
Als die Klägerin im August 2008 in einem Hotel in Portugal arbeitete, traten gesundheitliche Beeinträchtigungen auf. Die behandelnden Ärzte diagnostizierten aufgrund erhöhter Werte von CRP (C-reaktive Proteinen) im Blut eine Infektion, die mit Antibiotika behandelt wurde. Auf eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin reagierten sie mit ihrer Verlegung in ein Krankenhaus in Lissabon. Dort durchgeführte Untersuchungen ergaben einen weiter erhöhten CRP-Wert, Flüssigkeitsansammlungen im Becken und Anzeichen einer Sepsis. Die Klägerin wurde stationär aufgenommen, ein dringend erforderlicher operativer Eingriff unterblieb. Am nächsten Morgen ließ sich die Klägerin nach Düsseldorf fliegen und von dort in eine Krefelder Klinik verbringen. In dieser wurde sie noch am Nachmittag desselben Tages notfallmäßig operiert. Sie schwebte in akuter Lebensgefahr.
Versicherer bestreitet medizinische Notwendigkeit des Rücktransports
Für den außergewöhnlichen Transport aus Lissabon zur Klinik nach Krefeld wandte die Klägerin – abzüglich üblicher Rücktransportkosten – ca. 21.500 Euro auf, deren Erstattung die Beklagte verweigerte. Die Beklagte hielt den Rücktransport für medizinisch nicht notwendig, die Klägerin habe sich in Lissabon weiter medizinisch behandeln lassen können. Sofern in Lissabon eine medizinisch notwendige Behandlung aufgrund eines Behandlungsfehlers unterblieben wäre, sei sie, die Beklagte, hierfür nicht eintrittspflichtig.
Möglicher ärztlicher Behandlungsfehler stellt die Leistungspflicht nicht in Frage
Die von der Klägerin gegen die Beklagte auf Erstattung der Transportkosten gerichtete Klage war erfolgreich. Ihr Rücktransport nach Deutschland sei, so das Oberlandesgericht Hamm, medizinisch notwendig gewesen. Nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen sei es vertretbar gewesen, den Rücktransport am Morgen nach ihrer stationären Einlieferung in das Lissabonner Krankenhaus zu veranlassen. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, dass die gebotene operative Behandlung der Klägerin im Krankenhaus in Lissabon nicht gewährleistet gewesen sei. Ein dem zugrunde liegender möglicher Behandlungsfehler der dortigen Ärzte stelle die Leistungspflicht der Beklagten nicht in Frage. Weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck der Versicherungsbedingungen geböten ein anderes Verständnis. Aus Sicht des Versicherungsnehmers mache es keinen Unterschied, ob eine gebotene Behandlung im Ausland unterbleibe, weil sie dort nicht durchgeführt werden könne oder weil die dortigen Ärzte nicht willens seien, sie durchzuführen. (kb)
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 30.10.2015, Az.: 20 U 190/13
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