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27. April 2016
Behindern Interessenskonflikte die Digitalisierung der Maklerprozesse?

Behindern Interessenskonflikte die Digitalisierung der Maklerprozesse?

Rund 1.300 Makler haben in der vergangenen Woche die VEMA-Tage in Fulda besucht. Die erneut hohe Besucherdichte spiegelt das starke Wachstum der Maklergenossenschaft wider. In einer Podiumsdiskussion zur Digitalisierung wurden noch einmal die branchenpolitischen Konflikte rund um Standardisierung und Normierungshoheit in den „Maklerprozessen“ aufgerollt.

Wie konnte es anders sein? Das Thema „Digitalisierung“ war auch bei den VEMA-Tagen 2016 vorherrschend und allgegenwärtig. So etwa in der Eröffnungsrede von VEMA-Vorstand Hermann Hübner. Er stellte die Bedeutung der Digitalisierung für die Maklergenossenschaft heraus und betonte, dass die VEMA in Sachen Technik bereits gut aufgestellt sei und über die notwendigen finanziellen Ressourcen verfüge, um auch künftig investieren zu können. So seien im Jahr 2015 mit dem von der VEMA zur Verfügung gestellten Rechner über 130.000 Deckungsanträge generiert worden, wovon 60% von den Versicherern bereits dunkel verarbeitet wurden. Die VEMA sei hier bei der Umsetzung der relevanten BiPRO-Norm 420, die die Prozesse Tarifierung, Angebot und Antrag umfasst, bereits sehr weit. Daneben sei man dabei, weitere BiPRO-Normen einzubinden. Gerne wäre wohl die VEMA als auch andere Vertriebs- und Maklerorganisationen in der digitalen Umsetzung von Beratungsprozessen weiter. Hübner betonte deshalb, dass man eben auch auf die Fähigkeit der Versicherer BiPRO-Normen anzuwenden, angewiesen sei. Er erklärte: „Denn die beste Norm nützt nichts, wenn die notwendigen Informationen dafür nicht zur Verfügung stehen, nicht dafür aufbereitet sind.“

Es geht um Wirtschaftlichkeit

Die Aussage Hübners zeigt ein Kernproblem der Branche: Viele Marktteilnehmer können die technischen Entwicklungen nicht schnell genug umsetzen. Versicherer führen Prioritätenlisten in der IT-Abteilung. Nicht immer stehen dort – aus diversen Gründen – die Prozesse in der Zusammenarbeit mit Maklern ganz oben. Zudem müssen aufgrund vieler Altverträge verschiedene IT-Systeme oft noch parallel nebeneinander laufen. Und dann ist da auch noch die „politische“ Seite der Digitalisierung: Verschiedene Player wie die BiPRO oder der GDV haben lange mehr gegen als miteinander agiert.

BiPRO ist eine Brancheninitiative zur Prozessoptimierung und hat die technischen GDV-Standards und Normierungen mittlerweile überholt. Einheitliche Standards sind für die Maklerbüros deshalb so wichtig, weil sie mit einer Vielzahl von Programmen arbeiten: Maklerverwaltungsprogramm, Extranets der Versicherer, Office-Anwendungen, Vergleichsprogramme etc. Einheitliche Normen und technische Schnittstellen erleichtern da die Verzahnung dieser Programme. Es geht also um die Optimierung von Geschäftsprozessen und eine Weiterentwicklung, um Kundenwünsche wie bspw. Apps und digitale Versicherungsordner zu ermöglichen. Und natürlich geht es auch um Wirtschaftlichkeit, sowohl im Maklerbetrieb als auch beim Versicherer.

Klare Aufgabenverteilung zwischen GDV und BiPRO

Normierung ist somit eine der wichtigsten Voraussetzungen, um die Digitalisierung in der Finanz- und Versicherungsbranche weiter voranzutreiben. Ein Hemmnis war aber lange die Unstimmigkeit zwischen den verschiedenen Beteiligten. Mittlerweile scheint man einen gemeinsamen Weg zu gehen. Dies konnte Alexander Kern, Leiter Business Development der BiPRO, im Rahmen der spannenden VEMA-Podiumsdiskussion erläutern. Es gebe nun eine Kooperationsvereinbarung mit einer klaren Aufgabenteilung: „Ausschließlich wir machen in Deutschland die VU-Vermittlerkommunikation und nicht der GDV“, so Kern. Der GDV erkenne die BiPRO-Normen an. Als Beispiel nennt Kern hier die TGIC (Trusted German Insurance Cloud) des GDV. Die TGIC werde im Bereich der Maklerkommunikation als ein auf BiPRO-Normen gestütztes Authentifizierungsverfahren verwendet, also auch um einen einheitlichen Zugang eines Maklerbüros zu den einzelnen Extranets der Versicherer zu ermöglichen.

Weiter betont Kern, dass man im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen GDV und BiPRO wertvolle Synergieeffekte erzielen könne. In der Praxis habe der GDV auch schon bei Normierungsfragen bei der BiPRO angeklopft. So entstehe beim GDV derzeit eine „Single-Sign-On-Thematik“. Kern: „Wenn man in ein Portal reinkommt kann man im Rahmen der Authentifizierung schon Rechte mitgeben. Es gibt aber keine Standards.“ Hierbei geht es zum Beispiel um den Zugang zu den Extranets der Versicherer. Nun mache man nach Aussagen von Kern ein gemeinschaftliches Normierungsprojekt. Stephan Schinnenburg, Vorstand im ERGO-Konzern, ergänzt, dass man mit dieser Kooperation einen Meilenstein erreicht habe: „Der Kampf zwischen GDV und BiPRO ist nun vorbei. Wir sind uns einig, dass die Normierung von der BiPRO gemacht wird. Und das wir als Versicherer dann mit dieser Normierung weiterarbeiten können.“

Politische Dimension der Digitalisierung

Doch scheinen die Maßnahmen und Möglichkeiten der TGIC, die den Maklerbüros Erleichterungen bringen sollen, gerade dort noch nicht angekommen zu sein. So meldete sich auf Nachfrage von VEMA-Vorstand Andreas Brunner, der die Moderation der Podiumsdiskussion übernommen hat, ob jemand die Aufgaben der TGIC beschreiben könne, kein Zuhörer. Dagegen spielt eine andere Brancheninitiative, die ein einheitliches Authentifizierungsverfahren bereits erfolgreich umgesetzt hat, bei der Maklerschaft wohl eine größere Rolle: Bei der Frage, wer denn das „Single-Sign-On“ von easy Login im Einsatz habe, meldeten sich ein gutes Drittel der Zuhörer. Das lässt die Frage offen, warum nun wieder zwei Initiativen nebeneinander laufen sollen.

Nun muss man anfügen, dass die TGIC nicht allein als Authentifizierungsportal ins Leben gerufen wurde. Für Schinnenburg ist, wie er in der Diskussion erklärte, die TGIC in erster Linie die Weiterentwicklung des bisherigen GDV-Branchennetzes. Es gehe im Allgemeinen um die Datenteilung zum Vorteil des Kunden. Ziel sei eine Plattform, wo jeder mit jedem kommunizieren könne: Eingebunden wären Makler, Gutachter, Rechtsanwälte oder auch Kfz-Werkstätten. Hier sei die Entwicklung allerdings noch nicht sehr weit. In der Praxis werde die TGIC aber bereits bei den Themen Riester-Zulagen und gut-beraten-Punkte genutzt.

TGIC: „eine Geschichte voller Missverständnisse“

In dem Zusammenhang greift Schinnenburg dann aber doch noch einmal die Authentifizierung auf. Es gebe zu diesem Thema aktuell ein Projekt mit mehreren Versicherern. Ziel müsse hierbei eine sichere Authentifizierung sein. Und hierfür werden Normen gebraucht. Schinnenburg: „Wir brauchen eine Norm, die uns in die Lage versetzt, bei einer Authentifizierung – sei es eine VEMA-Authentifizierung oder eine SSO-Authentifizierung von easy Login – über normierte Parameter sicherzustellen, dass auch die Rechte im Zugriff übertragen werden.“ Bei diesem Thema dürfe kein Monopol entstehen. Schinnenburg weiter: „Die Makler, die das Single-Sign-On von easy Login heute schon verwenden wissen, dass man mit nur einer Authentifizierung mehr oder minder in den Systemen der Versicherer arbeiten kann. Ziel ist es: Ich melde mich morgens an und jede Kommunikation, die ich dann über meine Systeme führe, ist mit der einen Authentifizierung, mit einer Rechtevergabe erledigt. Das wird nochmals ein Meilensprung sein, da uns das in die Lage versetzt, anders zu kommunizieren.“

Stefan Sommerer, Mitdiskutant und IT-Vorstand der VEMA, weist schließlich noch darauf hin, dass die Geschichte der TGIC eine Geschichte voller Missverständnisse sei. Hieran sei der GDV selbst nicht ganz unschuldig. Man habe immer von drei verschiedenen Entwicklungsstufen gesprochen. Momentan höre man aber nur etwas von der ersten Stufe, nämlich der einheitlichen Authentifizierung zu den Extranets der Versicherer. Das lässt einerseits offen, ob die anderen Stufen -wie etwa die Kommunikationen mit Werkstätten oder Gutachtern – überhaupt noch kommen werden und die oben schon gestellte Frage, warum hier das TGIC-Authentifizierungsverfahren in Konkurrenz zum bereits existierenden easy Login entstehen muss. (kb)