Das Landgericht (LG) München hatte sich mit einem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch zu befassen. Im Mittelpunkt stand die Frage, unter welchen Voraussetzungen Verbraucher beim Abschluss eines Versicherungsvertrags wirksam auf eine Beratung verzichten können. Auf das Urteil weist aktuell die Kanzlei Jöhnke & Reichow hin.
Geklagt hatte die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg gegen die ADAC Versicherung. Streitgegenständlich war die Unfallversicherung „Unfallschutz Exklusiv“, die Verbrauchern per Werbeschreiben direkt zum Abschluss angeboten wurde. Problematisch war hierbei, dass keine Beratung stattfand und der Versicherer den Verzicht auf diese Beratung nicht individuell, sondern standardisiert und ohne gesonderte Erklärung einholte.
Der Beratungsverzicht auf dem Werbeschreiben sah so aus: „Beratungsverzicht: im Rahmen dieses Abschlusses verzichte ich auf eine persönliche oder telefonische Beratung. Selbstverständlich können Sie bei Fragen weiterhin auf uns zukommen. Wir weisen Sie aufgrund gesetzlicher Vorgaben darauf hin, dass sich ein Verzicht negativ auf ihre Möglichkeiten auswirken kann, gegen uns als Versicherer einen Schadensersatzanspruch im Hinblick auf eine Verletzung der Beratungs- und Dokumentationspflicht geltend zu machen.“
Keine gesonderte Erklärung, keine Unterschrift
Zwar war der Beratungsverzicht grafisch durch eine Umrahmung hervorgehoben, allerdings lediglich in einen Fließtext eingebettet. Die vom Gesetz verlangte gesonderte Erklärung – etwa durch eine zusätzliche Unterschrift oder ausdrückliche Bestätigung der Verbraucher – ließ der Versicherer hingegen vermissen. Stattdessen konnten die Angeschriebenen den Vertrag unter anderem dadurch abschließen, dass sie das beigefügte, bereits vorausgefüllte Überweisungsformular nutzten und den geforderten Betrag überwiesen.
Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg wurde auf das Werbeschreiben aufmerksam, mahnte den Versicherer ab und forderte ihn zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf. Da der Versicherer dieser Aufforderung nicht nachkam, erhob die Verbraucherzentrale Klage vor dem LG München – mit Erfolg: Die Verbraucherschützer setzten sich dort durch.
„Mit diesem standardisierten Verzicht auf die Beratung entsteht der Eindruck, dass der Beratungsverzicht vom Versicherer anscheinend gewünscht ist. Wie das Urteil nun bestätigt hat, umgeht er damit seine gesetzlich fundierte Beratungspflicht“, so Peter Grieble, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Das LG München bewertete den im Fließtext lediglich grafisch hervorgehobenen Hinweis als unzureichend und untersagte dem Versicherer dieses Vorgehen.
Immer wieder Rechtsstreitigkeiten um Voraussetzungen für Beratungsverzicht
Rechtsanwalt Jens Reichow erklärt, dass es immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten rund um den Beratungsverzicht kommt. Die Erfordernis einer gesonderten Verzichtserklärung gelte grundsätzlich dem Schutze des Verbrauchers. Die Voraussetzungen des Beratungsverzichts müssten dem individuellen Beratungsbedarf des Verbrauchers im konkreten Einzelfall genügen. Um den Anforderungen gerecht zu werden, wäre beispielsweise eine separate Unterschrift, welche sich nur auf den Beratungsverzicht bezieht oder eine separat abgegebene Erklärung nötig gewesen (BGH, Az: VIII ZR 251/01).
Eine solche gesonderte Verzichtserklärung mittels getrennter Unterschrift oder gesondert abgegebener Erklärung wurde von dem Verbraucher vorliegend jedoch nicht abgegeben. Ein gesondertes Dokument hingegen hielt das LG München nicht für notwendig, um den Voraussetzungen des Beratungsverzichts hinreichend zu genügen. Die Annahme, dass ein gesondertes Dokument nötig sei, fände keine gesetzlichen Anhaltspunkte, so das LG München. (bh)
LG München I, Urteil vom 25.04.2025 – Az. 3 HK O 9060/24, noch nicht rechtskräftig
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