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Steuern & Recht
17. April 2015
BGH-Urteil: Makler sollten Altverträge auf ein eventuell bestehendes Widerspruchsrecht überprüfen

BGH-Urteil: Makler sollten Altverträge auf ein eventuell bestehendes Widerspruchsrecht überprüfen

Begehrt ein Versicherungsnehmer Rückzahlung geleisteter Prämien nach einem Widerspruch gemäß VVG a.F. ist für die Frage der Verjährung auf die regelmäßige Verjährungsfrist abzustellen. Diese beginnt für alle Prämienzahlungen mit der Widerspruchserklärung zu laufen.

In dem vom Bundesgerichtshof (BGH) entschiedenen Fall beantragte der Kläger bei der Beklagten den Abschluss eines Rentenversicherungsvertrages mit Vertragsbeginn zum 01.04.1998. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation erhielt er mit dem Versicherungsschein. Von April 1998 bis Mai 2008 zahlte er Versicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 9.356,18 Euro. Mit Schreiben vom 05.06.2008 erklärte er unter anderem den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. und hilfsweise die Kündigung gegenüber der Beklagten. Die Versicherung bestätigte die Kündigung und zahlte dem Kläger einen Rückkaufswert von 9.331,60 Euro. Mit der im April 2011 erhobenen Klage verlangt er Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts, insgesamt 4.580,82 Euro. Die beklagte Versicherung hat die Verfristung des Widerspruchs eingewandt und die Einrede der Verjährung erhoben.

Bereicherungsrechtliche Rückabwicklungsansprüche nicht verjährt

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen, weil der Widerspruch gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. verfristet gewesen sei. Mit der Revision hat der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiterverfolgt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Begründung: Ein Anspruch auf Prämienrückzahlung aus ungerechtfertigter Bereicherung könne dem Kläger mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht versagt werden.

Unter Umständen besteht „ewiges“ Widerspruchsrecht

Es sei davon auszugehen, dass der von dem Kläger erklärte Widerspruch – ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. normierten Jahresfrist – rechtzeitig war und infolgedessen der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen ist. Das folge aus dem BGH-Urteil vom 07.05.2014 (Az.: IV ZR 76/11 – siehe auch Policenmodell verstößt nicht gegen Europarecht), mit dem entschieden wurde, dass in Fällen der vorliegenden Art grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über dieses belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.

Regelverjährung maßgeblich

Der BGH betonte in seiner Entscheidung, dass der Rückgewähranspruch bei Erhebung der Klage im April 2011 nicht verjährt gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt sei die maßgebliche regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist nicht abgelaufen gewesen. Die Regelverjährung habe mit dem Schluss des Jahres 2008 begonnen. Der Bereicherungsanspruch im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB sei entstanden, als der Kläger mit Schreiben vom 05.06.2008 den Widerspruch erklärte und damit dem bis dahin schwebend unwirksamen Versicherungsvertrag endgültig die Wirksamkeit versagte.

Erst durch den Widerspruch sei der Schwebezustand beendet und Klarheit geschaffen worden, dass dem Versicherer die geleisteten Prämien nicht zustanden. Erst nach der Entscheidung des Versicherungsnehmers, den Widerspruch zu erklären, sei festgestanden, dass der Vertrag, den die Parteien bis dahin wie einen wirksamen Vertrag durchgeführt hatten, endgültig unwirksam war.

Das Berufungsgericht wird nun die die Frage der Ordnungsgemäßheit der Widerspruchsbelehrung sowie gegebenenfalls die Höhe des Rückgewähranspruchs klären müssen.

Höhe des Rückzahlungsbetrages noch offen: Risikoanteil der Prämie ist vom Versicherer darzulegen

Kathrin Pagel, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Versicherungsrecht bei der Kanzlei SANDKÜHLER SCHIRMER weist auf einen weiteren Punkt hin: „Interessant ist auch der Hinweis des BGH auf die noch offene Frage zur Höhe des Rückzahlungsbetrages. Zur weiteren Aufklärung und Ermittlung wurde der Rechtsstreit zurückverwiesen. Der auszuzahlende Betrag aus Prämien und Zinsen würde durch das vom Versicherer tatsächlich getragene Risiko reduziert. Der enthaltene Risikoanteil der Rentenversicherungsprämie ist damit vom Versicherer darzulegen. Der Fortgang des Verfahrens dürfte mit Spannung zu erwarten sein.“

Pagel empfiehlt in diesem Zusammenhang, dass Makler die Altverträge ihrer Kunden auf ein eventuell bestehendes Widerspruchsrecht prüfen sollten. (kb)

BGH, Urteil vom 08. 04.2015, Az.: IV ZR 103/15, Pressemitteilung vom 15.04.2015