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27. Februar 2019
Dürfen Versicherer bei Maklern hineinregieren?

Dürfen Versicherer bei Maklern hineinregieren?

Versicherungsmakler reagieren zu Recht empfindlich, wenn der Anschein einer Bevormundung oder einer Kontrolle vonseiten eines Versicherers entsteht. Beginnend mit dem GDV-Vertriebskodex bis hin zur individuellen Courtagevereinbarung tauchen aber immer wieder Situationen auf, die zu der Frage führen: Dürfen Versicherer beim Makler hineinregieren? Die Antwort gibt Rechtsanwalt Hans-Ludger Sandkühler in einem Beitrag für AssCompact.

In Maklerkreisen wird immer wieder die Frage diskutiert, ob und gegebenenfalls wie weit Versicherer sich in die Belange der Makler einmischen dürfen, sei es durch Vorgabe von Regularien, sei es durch Überprüfung etwaiger Regularien, sei es aus eigenem Antrieb oder sei es in Erfüllung gesetzlicher Vorschriften. Teilweise wird sogar davon gesprochen, dass Versicherer in majestätischer Verblendung in Maklerbüros „hineinregieren“. Die Antwort auf die Frage ist komplex und hat verschiedene Facetten.

Verhaltenskodex für den Vertrieb

Entzündet hat sich die ganze Diskussion vor allem am Vertriebskodex des GDV, den der Verband vor einiger Zeit veröffentlicht hat. Diesbezüglich lässt sich feststellen, dass Befürchtungen in der Maklerschaft, die Versicherungswirtschaft könne beabsichtigen, Maklern Verhaltensrichtlinien zu geben, unbegründet sind. Versicherungsunternehmen und GDV haben keine Rechtsetzungsbefugnisse und können schon deshalb keine verbindlichen Verhaltensrichtlinien für Versicherungsmakler erlassen. Das wissen auch die im GDV organisierten Versicherungsunternehmen. Versicherer haben aber die Freiheit, selbst darüber bestimmen zu können, ob, mit wem und unter welchen Voraussetzungen sie im Vermittlungsbereich zusammenarbeiten wollen. Mehr nicht.

Gesetzliche Vorgaben

Denn grundsätzlich sind Versicherer nicht berechtigt, in ein Maklerbüro „hineinzuregieren“. Etwas anderes kann nur gelten, wenn der Versicherer dazu gesetzlich oder vertraglich berechtigt ist.

Zusammenarbeit nur bei Erlaubnis

Versicherungsunternehmen müssen beim Vertrieb von Versicherungsprodukten gesetzliche Vorgaben beachten. So dürfen Versicherer gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 VAG nur mit Versicherungsmaklern zusammenarbeiten, die im Besitz einer Erlaubnis gemäß § 34d Abs. 1 GewO sind. Deshalb müssen Versicherer vor Beginn einer Zusammenarbeit prüfen, ob der jeweilige Versicherungsmakler im Vermittlerregister verzeichnet ist. Nach Ansicht der BaFin (Rundschreiben 11/2018 zur Zusammenarbeit mit Versicherungsvermittlern) ist es darüber hinaus erforderlich, dass Versicherer regelmäßig prüfen, ob die Voraussetzungen für die Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Versicherungsmakler weiterhin gegeben sind. Dazu müssen Versicherer lediglich die von der IHK zur Verfügung gestellte „Löschliste“ beachten. Die BaFin stellt ausdrücklich klar, dass eine darüber hinausgehende, regelmäßige anlasslose Überprüfung der Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis nach 34d GewO, insbesondere die Überprüfung der Zuverlässigkeit und geordneter Vermögensverhältnisse, nicht (!) erforderlich ist. Damit sind öffentlich gewordene Befürchtungen der Maklerschaft, die BaFin könne die Versicherer als „verlängerten Arm der BaFin“ oder als eine Art weiterer Aufsichtsbehörde instrumentalisieren, im Ergebnis unbegründet. § 48 Abs. 1 Nr. 1 VAG gibt Versicherungsunternehmen keine Handhabe, in die Maklerbüros hineinzuregieren.

AVAD-Auskunft

Unabhängig davon hält die BaFin aber die Einholung von AVAD-Auskünften auch über Versicherungsmakler für erforderlich. Die Auskunft soll vor Beginn der Zusammenarbeit eingeholt werden. Bei Beendigung der Zusammenarbeit sollen der AVAD die erforderlichen Informationen mitgeteilt werden. Das AVAD-Verfahren ist schon bisher üblich und gibt dem Versicherer keine Möglichkeiten, in Maklerbüros hineinzuregieren, soweit die mitgeteilten Informationen zutreffend sind.

Beschwerden über Versicherungsmakler

Gemäß § 51 VAG sind Versicherer verpflichtet, Beschwerden von Kunden über Vermittler sowie Beschwerden von Verbraucherschutzverbänden zu beantworten. Nach Auffassung der BaFin ist eine sachgerechte Beantwortung von Beschwerden ohne vollständige Aufklärung des Sachverhalts nicht möglich. Deshalb dürfte es geboten sein, dass Versicherer die zur Aufklärung des Sachverhaltes erforderlichen Nachforschungen vornehmen, um dem Beschwerdeführer eine abschließende Antwort geben zu können. Darüber hinaus sei es erforderlich, dass Versicherer personelle oder sachliche „Beschwerdeschwerpunkte“ erfassen, weil Versicherer gemäß § 51 VAG verpflichtet seien, bei wiederholten Beschwerden die Aufsichtsbehörden zu informieren, soweit die Beschwerden für die Beurteilung der Zuverlässigkeit von Vermittlern von Bedeutung sein könnten. Auch hier keine Möglichkeit des „Hineinregierens“.

Inkasso

Prämieninkasso durch Versicherungsmakler ist gemäß § 48 Abs. 1 Nr.2 VAG nur zulässig, wenn sie vom Versicherer bevollmächtigt sind, Vermögenswerte des Versicherungsnehmers oder für diesen bestimmte Vermögenswerte entgegenzunehmen oder eine Sicherheitsleistung nach Maßgabe des § 20 VersVermV nachweisen. Vollmachten zum Prämieninkasso begründen operationelle Risiken. Versicherer müssen diesen Umstand nach Ansicht der BaFin angemessen berücksichtigen und gegebenenfalls geeignete Maßnahmen treffen, zum Beispiel eine besondere Ausgestaltung des Vermittlerkontos.

Zwischenfazit: Es gibt für Versicherer zwar zahlreiche gesetzliche Pflichten für den Umgang mit Vermittlern, aber keine gesetzliche Rechtsgrundlage, in Maklerbüros „hineinzuregieren“.

Vertragliche Vereinbarungen

Die wesentlichen zivilrechtlichen Grundlagen der Zusammenarbeit zwischen Maklern und Versicherern werden in Courtagezusagen oder Courtagevereinbarungen festgelegt. In Courtagezusagen erklärt der Versicherer einseitig dem Makler, unter welchen Voraussetzungen er bereit ist, dem Makler für einen vermittelten Versicherungsvertrag Courtage zu zahlen. Rechtspflichten des Maklers gegenüber dem Versicherer werden dadurch grundsätzlich nicht begründet. Sofern für den Makler besondere Rechtspflichten (zum Beispiel Sicherheitsleistungen für Stornorisiken) begründet werden sollen, wird dies in einer gegenseitig verpflichtenden Courtagevereinbarung festgelegt. In der Praxis kommt es gelegentlich vor, dass Makler in der Courtagevereinbarung Pflichten (Vertriebspflichten!) für den Versicherer übernehmen, die mit den Pflichten des Maklers gegenüber dem Kunden kollidieren können. Natürlich können auch Rechte des Versicherers vereinbart werden, die es dem Versicherer ermöglichen, in das Maklerbüro hineinzuregieren. Hier ist jeder Makler gut beraten, Pflichten gegenüber dem Versicherer – soweit möglich – zu vermeiden. Die BaFin weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass insbesondere die Vorgaben des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) zu beachten seien, wenn der Versicherer den Makler als Dienstleister (Schadenbearbeitung) beauftrage. Versicherern vertraglich die Möglichkeit des „Hineinregierens“ zu ermöglichen, ist vermeidbar.

Anreize und Interessenkonflikte

Gemäß § 48a Abs. 1 VASG darf die Vertriebsvergütung für alle Versicherungsprodukte von Versicherungsunternehmen nicht mit ihrer Pflicht kollidieren, im bestmöglichen Interesse der Kunden zu handeln. Insbesondere dürfen Versicherungsunternehmen keine Vorkehrungen durch die Vertriebsvergütung, Verkaufsziele oder in anderer Weise treffen, durch die Anreize für Versicherungsvermittler geschaffen werden könnten, einem Kunden ein bestimmtes Versicherungsprodukt zu empfehlen, obwohl sie ein anderes, den Bedürfnissen des Kunden besser entsprechendes Produkt, anbieten könnten. Fehlanreize können sich allein aus der Höhe der Provision oder durch ihre Verknüpfung mit dem Erreichen von Absatzzielen ergeben. Für Versicherungsanlageprodukte gelten darüber hinaus noch verschärfte Regeln gemäß § 48a Abs. 2 bis 6. VAG. Hierbei sind auch die Vorschriften der Delegierten Verordnung zu Versicherungsanlageprodukten zu beachten.

Soweit bestehende Courtagezusagen gegen diese Vorgaben verstoßen, sind sie möglicherweise gemäß § 134 BGB unwirksam. Versicherer trifft nach Ansicht der BaFin eine dauerhafte Hinwirkungspflicht zur Anpassung bestehender Courtageregelungen, insbesondere für neue Produkte. Wenn Versicherer insoweit auf Makler zukommen, ist dies grundsätzlich nicht als „Hineinregieren“ anzusehen, weil die Versicherer einer eigenen Verpflichtung nachkommen.

Den Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 02/2019 und in unserem ePaper.

In AssCompact 01/2019 beleuchtet Rechtsanwalt Hans-Ludger Sandkühler unter derselben Überschrift die Fragestellungen des „GDV-Vertriebskodex“ und des „Basiskodex für Versicherungsvermittler“. Den Artikel lesen Sie hier.

 
Ein Artikel von
Hans-Ludger Sandkühler