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28. Juni 2018
Digisurance 18: „Die einen haben Geld und Kunden, die anderen die Idee“

Digisurance 18: „Die einen haben Geld und Kunden, die anderen die Idee“

Um die Zukunft des Versicherungsvertriebs und die Rolle der InsurTechs ging es bei der Digisurance 18 in Berlin. Zu Gast war auch BaFin-Chef Dr. Frank Grund. Er rechnet nicht mit einer Insur-Tech-Revolution, geht aber davon aus, dass die Symbiosen zwischen den jungen Wilden und etablierten Anbietern weiter wachsen werden.

Mitten in Berlin an der Friedrichstraße fand Ende Juni ein weiteres Highlight der deutschen InsurTech Szene statt: Die Digisurance 18. Ausgerichtet vom Berliner Start-up Flexperto rund um Gründer und CEO Felix Anthonj lockte der Kongress in diesem Jahr rund 160 Zuschauer in das DBB Forum in die Hauptstadt. Im Fokus der Veranstaltung: der Versicherungsvertrieb in Zeiten des digitalen Wandels. Dabei galt für die Veranstaltung das Motto „Zahlen und Fakten statt Zukunft und Fiktion“.

„Alexa, ich brauche eine Reiseversicherung!“

Versicherungsvertrieb mittels Sprachassistenten gilt als Zukunftsthema. Hier setzt ein Projekt der ERGO und Future of Voice an: Gemeinsam entwickeln sie Voice-Anwendungen, die Kundenservice, Direktabsatz und Vertriebsunterstützung verbessern sollen. Bei der Vorführung des Alexa Skills zum Abschluss einer Reiseversicherung haperte es dann aber doch noch ein wenig. Den Vertragsabschluss via Alexa App übersprang der Sprachassistent nämlich und beendete die Demo ungewollt.

Eine Grabrede

Dass Kooperationen zwischen Versicherern und Insurtechs nicht immer von Erfolg gekrönt sind, zeigte der „Fuckup Pitch“ der Barmenia und Kasko. Gemeinsam hatte man den „Trainer Schutz“ auf den Markt gebracht. Die Idee zu der Unfallversicherung war im Rahmen des Pokémon Go-Trends entstanden und generierte bei Markteintritt viel mediale Aufmerksamkeit. Die Performance des Produkts sei allerdings „wirtschaftlich nicht so geil“ verlaufen, konstatierte Kasko-CEO Nikolaus Sühr. Deshalb nehme die Barmenia das Produkt jetzt vom Markt.

WhatsApp für Vermittler jetzt ganz legal?

Auch Flexperto-CEO Anthonj präsentierte im Rahmen der Digisurance eine Entwicklung aus dem eigenen Hause. Neuerdings bietet Flexperto seinen Anwendern die Möglichkeit, Kommunikation aus jedem Messenger in die Flexperto Communication Cloud zu integrieren. Mithilfe dieses „Omni-Channel Messagings“ können Kunden und Vermittler beliebig zwischen WhatsApp, dem Facebook Messenger, Telegram & Co. wechseln. Gleichzeitig wird die gesamte Kommunikation dokumentiert – angesichts der Vermittlerpflichten eine enorme Erleichterung. Bezüglich datenschutzrechtlicher Bedenken erklärte Flexperto-CMO Marcel Schmid, dass die Nutzung der Messenger Services grundsätzlich unproblematisch sei. Auch das Privacy Shield zertifizierte WhatsApp. Aber er fügte hinzu, dass die Wahrung des Datenschutzes insbesondere in der Hand der Anwender liege. Gerade wenn es um die Kommunikation hoch sensibler Informationen wie etwa Gesundheitsdaten gehe, müsse in einen sicheren Kanal gewechselt werden.

Schluss mit der Harmonie

Dass zwischen InsurTechs und den Etablierten immer noch Gräben klaffen, zeigte ein Diskussions-Panel zur Digitalisierung des Ausschließlichkeitsvertriebs. Ramin Niroumand, CEO und Mitgründer des Company Builders FinLeap, kritisierte, dass die Innovationsgeschwindigkeit in der Branche zu wünschen übrig lasse. Zu oft versteckten sich Versicherer hinter ihrer IT-Legacy und der angeblich mangelnden Kundenbereitschaft, um großflächige Investitionen zu vermeiden. Paul Stein, Vorstandsmitglied der DEBEKA, widersprach vehement. Mit 8000 Ausschließlichkeitsvermittlern sei man auch bisher gut gefahren. Er möge es nicht, „wenn ein gut funktionierendes Geschäftsmodell von heute auf morgen“ umgeschmissen werde. Trotzdem erklärte er, dass nur Reformbereitschaft die Zukunftsfähigkeit der Versicherer gewährleisten könne. Stein wies aber gleichzeitig daraufhin, dass solche großflächigen Projekte bei Versicherungen immer auch gegenüber den Beitragszahlern verantwortet werden müssten.

Das rote Tuch für Vermittler

Nach der Diskussion aus dem Markt kam auch der Marktwächter zu Wort. Dr. Frank Grund, Exekutivdirektor der Versicherungsaufsicht bei der BaFin, diskutierte mit Dr. Robin Kiera die Themen LV-Provisionsdeckel, Run-offs und die Zukunft der Versicherungswirtschaft. Bei Vermittlern hatte sich Grund mit seinem Vorschlag zu einem LV-Provisionsdeckel in diesem Jahr ziemlich unbeliebt gemacht.

BaFin: Fehlanreize weiterhin nicht ausgeschlossen

Dazu stellte Grund klar, dass die BaFin „kein Wirtschaftsförderer, sondern Verbraucherschützer“ sei. Und überhaupt: „Eigentlich können die Vertriebe froh sein, dass es auch nach der IDD noch ein Provisionssystem gibt. Das war nicht selbstverständlich,“ so Grund. Noch immer sei so das Schaffen von Fehlanreizen möglich. Das verhindere auch ein GDV-Verhaltenskodex nicht. Auf die Frage, wem ein Provisionsdeckel am meisten schade, erklärte er lediglich: „Ich glaube, die Ausschließlichkeit wäre am wenigsten betroffen.“ Ob der Deckel den Makler dann am härtesten träfe, wollte er nicht beantworten.

„Die einen haben das Geld, die anderen die Ideen“

Zukünftig sieht Grund die InsurTechs mit zunehmend mehr Marktanteilen. Trotzdem erwarte er keine Revolution, sondern eine graduelle Evolution der Branche. Gleichzeitig, so Grund, würden die Symbiosen zwischen den jungen Wilden und den Etablierten wachsen. „Die einen haben das Geld und die Kunden. Die anderen haben die Idee.“

Kooperation statt Konkurrenz

Genau das ist das Konzept hinter der Digisurance, und offenbar verinnerlichen die Teilnehmer es immer mehr. Den Eindruck hat auch Felix Anthonj, der sich sehr zufrieden zum Verlauf des Tages äußerte. „Die Speaker sind heute alle sehr nah am Motto geblieben, was mich wirklich freut. Wir haben keine wortgewaltigen Zukunftsvisionen gehört, sondern konkrete Projekte kennengelernt,“ so der CEO von Flexperto. „Wir stellen fest, dass digitale Player in der Branche zunehmend als Unterstützung wahrgenommen werden.“

Text: Konstantin von Essen, Redaktion NewFinance Mediengesellschaft