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12. November 2018
D&O-Versicherung: „Bei belasteten Risiken kann es weiterhin Erhöhungen geben“

D&O-Versicherung: „Bei belasteten Risiken kann es weiterhin Erhöhungen geben“

In der D&O-Versicherung brodelt es. Hohe Schadenquoten, die Angst vor Sammelklagen und steigende Kosten führen zu Preissteigerungen von bis zu 10%. Was die Ursachen für Veränderungen am Markt sind, wie sich das auf Policen auswirkt und was es für die Beratung bedeutet, erläutert D&O-Experte Marcel Roeder von AON Risk Solutions in einer zweiteiligen Interviewserie.

Herr Roeder, die Schadenquote der D&O-Versicherung bleibt hoch. Einige Versicherer haben Prämienerhöhungen um die 10% angekündigt. Was sind die Hauptursachen, die den Markt derzeit beeinflussen?

Es gab eine langjährige Marktentwicklung mit sinkenden Preisen und großem Wettbewerb. Dies hat aus Sicht vieler Versicherer jetzt zu einem Unterschreiten des technischen Prämienniveaus geführt – auch im Vergleich zu anderen Sparten. Dann verzeichnen die Versicherer seit einigen Jahren hohe Schadenzahlen. Das hat auch etwas mit der geänderten Anspruchsmentalität in deutschen Unternehmen zu tun. Die D&O-Versicherung wird dort zunehmend als „Auffanglösung“ verstanden, um finanzielle Verluste auszugleichen.

Aufgrund der Erfahrungen der vergangenen Jahre nehmen einige Versicherer jetzt auch höhere Schadenreservierungen vor, um Ansprüche aus bereits bekannten Großschäden künftig begleichen zu können. Die Reservierungspolitik der Versicherer ist in der Praxis durchaus unterschiedlich, so dass dieser Punkt sich in einer Grauzone abspielt. In der Begründung von Erhöhungen kann dies jedoch ein Argument sein. Zusätzlich gibt es internationale Risiken, die den D&O-Markt beeinflussen. Hier ist besonders das Risiko von Sammelklagen und hohen Vergleichsabschlüssen aus den USA zu nennen. Das betrifft vor allem Ableger internationaler Versicherer in Deutschland.

Welche Unternehmen oder Branchen müssen auf Grund kritischer Kriterien besonders mit Preiserhöhungen rechnen?

Betroffen sind zum Beispiel bestimmte Branchen wie Biotech, Solar oder die Halbleiterindustrie. Auch Unternehmen mit schlechten Finanzkennzahlen, Schadenbelastung oder Änderungen in der Gesellschafter- oder Finanzstruktur haben ein Risiko, genau wie solche, deren Geschäft einen Bezug zu den USA hat. Darüber hinaus gibt es noch segmentspezifische Herausforderungen: Bei DAX-Unternehmen gibt es häufig das Problem hoher potenzieller Schadenssummen bei geringen Prämien. Im Mittelstand gibt es seit Längerem eine erhöhte Anzahl von Schäden, besonders bei Insolvenzen. Vor allem abhängig von der Zinsentwicklung in der Zukunft kann es hier weitere Bewegung geben.

Wie reagieren die Versicherer abgesehen von Preiserhöhungen? Und was ändert sich bei den Policen?

Im Neugeschäft prüfen die Versicherer die D&O-Risiken heute intensiver als früher. Paradoxerweise fallen gleichwohl die Prämien im Lichte eines Wettbewerbs um Neukunden häufig noch immer gering aus. Im Bestandsgeschäft werden die Portfolien teilweise komplett neu untersucht. Bei „schlechten Risiken“ kündigen einige Versicherer im Extremfall oder nehmen Kundenverluste in Kauf, wenn die Unternehmen von sich aus kündigen.

Spezifische Einschränkungen gibt es zum Beispiel bezüglich der Versicherung von Vorgängen aus der Vergangenheit. Manche Versicherer beschränken auch den Versicherungsschutz nach Ende des D&O Vertrages – man spricht von Nachhaftungsversicherung. Auch die Rückzeichnung von Versicherungslimits, Aufnahme spezifischer Deckungseinschränkungen – zum Beispiel Insolvenzausschlüsse – oder aktuell Sanktionsklauseln sind Maßnahmen, die Versicherer an Policen vornehmen.

Grundsätzlich sind die Versicherungsbedingungen in Deutschland aber nach wie vor gut und decken eine große Bandbreite von Risiken ab – auch im Vergleich zum internationalen Markt.

Wagen Sie einen Ausblick: Was kommt im Bereich D&O auf den Markt zu? Wird es zu weiteren Preissteigerungen kommen?

Im Markt besteht Einigkeit darüber, dass viele Risiken preislich unterbewertet sind. Sicher ist: Bei belasteten Risiken wird es weiterhin Erhöhungen geben können. Je nach Belastungsgrad kann es für Unternehmen sogar schwierig sein, überhaupt Deckung zu erhalten.

Im Übrigen ist der deutsche Markt aber nach wie vor breit aufgestellt. Es kommen sogar weitere Anbieter dazu. Andererseits sorgen große Fusionen unter Versicherern für eine Verschmelzung von Kapazitäten und reduzieren diese dadurch. Die D&O-Versicherung zählt im Vergleich zu den klassischen Versicherungsfeldern zu den kleineren Sparten. Viele Versicherer sind spartenübergreifend tätig. Da kann es immer mal zu Ausstrahlungswirkungen oder Reputationserwägungen bezüglich der D&O-Strategie eines Versicherers kommen.

Ein massiver Anstieg von D&O-Preisen ist in der Breite kurzfristig aber nicht zu erwarten. Auf längere Sicht sind Anpassungen nach oben denkbar. Der Umfang ist abhängig von der weiteren Schadenentwicklung. Eine Rolle wird hierbei spielen, wie Behörden neue gesetzliche Vorgaben in der Praxis leben, zum Beispiel die DSGVO. Auch die Rechtsprechung hinsichtlich der Bußgeldverantwortlichkeit von Organen und die Entwicklung von Massenklagen in Deutschland und der EU dürften Auswirkungen auf die Preisentwicklung haben. (tos)

 
Ein Artikel von
Marcel Roeder