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09/2014
8. September 2014
Gewinner und Verlierer der Berufsgruppendifferenzierung in der BU

Gewinner und Verlierer der Berufsgruppendifferenzierung in der BU

Die Selektion, wer einen (ausreichenden) BU-Schutz bekommt und dafür vertretbare Prämien bezahlt, führt zu einer Gleichgewichtsverschiebung bei der finanziellen Arbeitskraftabsicherung. Umdenken tut not.

Der BU-Schutz ist ein existenziell wichtiger Versicherungsschutz, denn er sichert vor den finanziellen Folgen des Verlustes der Arbeitskraft, darüber sind sich in ungewöhnlicher Einigkeit alle Marktteilnehmer im Klaren. Dies wird vom Verbraucher honoriert, der Berufsunfähigkeitsversicherungen gegen den Trend in der Lebensversicherung in den vergangenen Jahren verstärkt nachfragt.

Allerdings: Die Entwicklung der Berufsunfähigkeitsversicherung steuert – aus unserer Sicht – an diesem Interesse des Marktes vorbei. Auch wenn die Bereitschaft zum Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung deutlich erkennbar ist, so verwundern Details dazu.

Die durchschnittliche Höhe einer abgeschlossenen selbstständigen Berufsunfähigkeitsversicherung liegt im Branchenschnitt bei 990 Euro Monatsrente, im Bereich der BUZ sogar nur bei 550 Euro. Das ist in der Regel ein ungenügender Versicherungsschutz, der die laufenden Lebenshaltungskosten des Versicherten im Leistungsfall in keiner Weise annähernd deckt. Liegt dies an den teilweise stark differierenden Beiträgen für unterschiedliche Berufsgruppen?

Wir zeigen einige Beispiele auf. Dabei haben wir jeweils 40-jährige gesunde Interessenten mit verschiedenen Berufen und Ausbildungen untersucht:

 

Vergleich von BU-Interessenten (40 Jahre)

Anhand der Zahlen kann man erkennen, dass die Berufsgruppen, welche für die Versicherungswirtschaft ein „geringeres BU-Risiko“ vermuten lassen, zu einem mittlerweile günstigen Beitrag das Risiko der Berufsunfähigkeit absichern können. Diese Berufsgruppen haben es in der Vergangenheit vorgezogen, sich überwiegend nicht zu versichern, da das Risiko, berufsunfähig zu werden, nicht gesehen wurde bzw. im Verhältnis zum Beitragsaufwand als nicht lukrativ erachtet wurde.

Hier stellen wir fest, dass gerade die gut ausgebildeten, kaufmännisch Tätigen (ohne private Risikoerhöhungen wie zum Beispiel gefährliche Hobbys bzw. Vorerkrankungen) durchaus heute mehr geneigt sind, eine entsprechende Absicherung zu wählen. Verlierer dieser stark diversifizierenden Berufsgruppeneinteilung sind die sogenannten Risikoberufe – und die beginnen nicht mit dem Sprengmeister.

Einem Schreiner wird sich die Frage aufdrängen, ob er für einen adäquaten BU-Versicherungsschutz von monatlich 1.750 Euro einen Monatsbeitrag von 253 Euro bezahlt, der sich auf maximal 362 Euro monatlich erhöhen kann. Er wird – je nach Kassenlage und Beratung – entweder ganz auf den BU-Schutz verzichten oder eine nicht ausreichende Absicherung quasi nach Kassenlage wählen. Beides kann nicht im Sinne des Verbrauchers und seines Beraters sein. Benötigt wird also ein sinnvoller und bezahlbarer Versicherungsschutz.

Immer mehr Leistungen verteuern BU-Schutz

Vielleicht muss auch darüber nachgedacht werden, dass der BU-Schutz nicht mehr für alle bezahlbar ist, da der Leistungsumfang in den letzten Jahren erheblich erhöht wurde, und das bei gleichzeitig sinkenden (Netto-)Prämien vor allem bei den Berufsgruppen A und A+ (Akademiker und kaufmännisch Tätige).

Dieser Anteil von rund 25% des Marktes ist hart umkämpft, wohingegen die 75% der handwerklich Tätigen, Arbeiter und Tätigen in „Risikoberufen“ (Handelsvertreter, Kraftfahrer, Krankenschwestern usw.) diesen Versicherungsschutz schlichtweg nicht mehr bezahlen können.

Auch die Gruppe der Berufsgruppen A bzw. A+ kämpfen um die Bezahlbarkeit ihres Versicherungsschutzes, sofern sie Vorerkrankungen (Allergien, Erkrankungen des Bewegungsapparates wie etwa einen Kreuzbandriss) anzugeben haben bzw. so risikoreiche Hobbys pflegen wie Segeln (nicht auf dem See, sondern auf dem Meer) oder Tauchen (nicht Schnorcheln, sondern ab 20 bzw. 40 m Tauchtiefe) oder Motorradfahrer sind. Hier werden zum Teil erhebliche Beitragszuschläge erhoben, die nicht immer so ohne Weiteres nachvollzogen werden können.

Umdenken ist angesagt

Die Versicherungswirtschaft sollte sich ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung als Gefahrträger wieder mehr bewusst werden. 75% der Bevölkerung mit schwerlich bezahlbaren Produkten zu vernachlässigen, kann nicht im Sinne der Marktteilnehmer sein.

Wenn Grundfähigkeitsversicherungen, Erwerbsunfähigkeitsversicherungen und Körperschutzpolicen sich aber im Wesentlichen darauf beschränken, die statistisch am wahrscheinlichsten auftretenden Erkrankungen auszuschließen, ist das – aus unserer Sicht – zu kurz gesprungen. Warum sollte ein Schreiner oder Berufskraftfahrer keine „Burn-out“-Erkrankung erleiden? Burn-out bzw. die psychischen Erkrankungen sind kein Privileg der Besserverdiener bzw. der Akademiker.

Ein Schritt in die richtige Richtung dürfte die Mischkalkulation im Bereich der betrieblich veranlassten BU sein. Hier wird in ein oder zwei Gruppen unterschieden und somit ein bezahlbarer Versicherungsschutz für alle dargestellt.

Gefahr der Falschangaben

Ein Trend, der in der Beratung immer mehr zu Besorgnis Anlass gibt, ist nicht nur die Tatsache, dass Versicherer unterschiedliche Bedingungen anbieten, sondern, dass auch bei der Beantragung eines BU-Schutzes Falschangaben fast unvermeidbar sind. Wie bestimmt man zum Beispiel den Anteil einer körperlichen Tätigkeit? Wie soll der Verbraucher, der diese Produkte auch über Internet kaufen kann, hier eine vernünftige Aussage treffen, wenn nicht einmal der Begriff „körperlich tätig“ von allen Versicherern einheitlich gesehen wird? Hier werden unseres Erachtens Falschangaben provoziert, die sich im Leistungsfall bitter rächen bzw. rächen können.

Aber wie kann man dem Interessenten klarmachen, dass die Beitragssprünge innerhalb der gleichen Tätigkeit so erheblich sind wie in der nachfolgenden Grafik von Franke und Bornberg?

 

Beitragssprünge provozieren Falschangaben

Der Laie sagt sich doch: Wenn ich den Anteil der körperlichen Tätigkeit nur „ein wenig“ zu meinen Gunsten verändere, spare ich mir mehr als die Hälfte des Beitrages. Wie soll ein Versicherungsmakler dem Verbraucher nun erklären, warum es für ihn zwingend notwendig ist, 100 Euro monatlich mehr zu bezahlen wegen 6%-Punkten weniger angegebener Bürotätigkeit? Schon heute ist deutlich festzustellen, dass gerade bei den günstigen Versicherern, die eine weniger harte Antragsbearbeitung favorisieren, im Leistungsfall umso härter geprüft wird. Diese Risiken trägt natürlich nicht nur der Endverbraucher, der über Internet seinen Vertrag abschließt.

Der Makler, der einen BU-Vertrag eindecken möchte, muss diese Punkte haargenau erfassen und gegebenenfalls mehrmals hinterfragen, damit sein Kunde nicht in Gefahr einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung gerät und einen Rücktritt bzw. rückwirkend erhöhte Beiträge riskiert. Im Hinblick auch auf dieMaklerhaftung erübrigt sich der Hinweis auf die lückenlose Dokumentation des Beratungsprozesses.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 09/2014 Seite 30f.