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Zukunftssichere Beratung
14. März 2018
IDD-Umsetzung: Weiterbildung ist Pflicht!

IDD-Umsetzung: Weiterbildung ist Pflicht!

Seit der Umsetzung der IDD am 23.02.2018 müssen sich die Versicherungsvermittler und ihre Mitarbeiter regelmäßig weiterbilden. Die Versicherungsvermittlungsverordnung, die die Details der Weiterbildungspflicht regelt, steht aber noch aus. Was heute schon feststeht und was noch offenbleibt, erläutert Prof. Dr. Matthias Beenken von der Fachhochschule Dortmund.

Deutschland ist ausnahmsweise einmal Musterknabe bei der Umsetzung der Europäischen Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD), anders als beim abgelösten Vorgänger, der EU-Vermittlerrichtlinie (IMD). Deshalb hat sich Deutschland auch nicht an der Eingabe über den Europarat beteiligt, die Anwendbarkeit der Richtlinie zu verschieben.

So ganz perfekt ist die Umsetzung aber dennoch nicht gelungen, denn in der langen Hängepartie um die Regierungsbildung in Berlin sind auch die beiden überarbeiteten Rechtsverordnungen steckengeblieben und nicht rechtzeitig in Kraft getreten: die VVG-Informationspflichtenverordnung und – für Vermittler bedeutsamer – die Versicherungsvertriebsverordnung, die einen Nachfolger der Versicherungsvermittlungsverordnung (VersVermV) enthält.

Qualifikation der Mitarbeiter muss sichergestellt sein

Aber das ändert nichts daran, dass seit 23.02.2018 der neue § 34d Abs. 9 GewO gilt. Danach dürfen Vermittler – wie bisher – Angestellte, die unmittelbar an der Vermittlung und Beratung mitwirken, nur beschäftigen, wenn sie diese auf Zuverlässigkeit geprüft haben und sicherstellen, dass sie über eine sachgerechte Qualifikation für die Vermittlung der jeweiligen Versicherung verfügen. Das bedeutet bei Angestellten also nicht, dass sie eine Sachkundeprüfung abgelegt haben müssen, anders als Makler und Vertreter, die eine Gewerbeerlaubnis beantragen. Aber sie müssen nachweislich für die Produkte, die sie unmittelbar Kunden anbieten und dazu beraten dürfen, ausgebildet worden sein. Darüber hinaus haben sich Vermittler selbst und ihre Mitarbeiter jährlich im Umfang von mindestens 15 Stunden weiterzubilden.

Vermittler, die Angestellte beschäftigen, sollten daher unbedingt Personalakten anlegen, wenn es diese noch nicht gibt, und darin folgende Unterlagen ablegen:

  • Führungszeugnis und Auszug aus dem Gewerbezentralregister, die der Mitarbeiter für private Bewerbungszwecke zu bestellen und dem Arbeitgeber vorzulegen hat
  • Stellenbeschreibung, aus der mindestens Folgendes hervorgeht: Bezeichnung der Stelle, Hierarchische Einordnung (z. B. berichtet an/arbeitet mit ...), Vollmachten (z. B. eigenständige Bearbeitung der zugewiesenen Aufgaben; Weiterleitung von Kundenanliegen), Aufgaben der Stelle (z. B. unmittelbares Mitwirken an der Vermittlung und Beratung von privaten Haftpflicht-, Hausratversicherungen usw. sowie Aufnahme von Schadenmeldungen hierzu), Anforderungen der Stelle (z. B. Anforderungen an Bildung, Arbeitsverhalten, Kundenumgang)
  • Weiterbildungsnachweise

Stellenbeschreibung als zentrales Führungsinstrument

Die Stellenbeschreibung ist ein zentrales Führungsinstrument. Vermittler sollten damit klar und nachvollziehbar regeln, wer in ihrem Betrieb wofür zuständig ist – und wofür nicht. Anhand der Stellenbeschreibung sollten mindestens jährliche, bei neu eingestellten Mitarbeitern auch in kürzeren Abständen, Beurteilungsgespräche geführt werden. Ein regelmäßiger Bestandteil der Beurteilung ist der Weiterbildungsbedarf, damit die Mitarbeiter „ihre berufliche Handlungsfähigkeit erhalten, anpassen oder erweitern“, wie es im Entwurf des § 7 der neuen VersVermV heißt.

Weiterbildung ist teuer. Sie kostet Arbeitszeit sowie Teilnahmegebühren, jedenfalls wenn gerade Makler und Mehrfachvertreter Wert auf ihre Unabhängigkeit und damit auch auf unabhängige Schulungsanbieter legen, anstatt sich ausschließlich über kostenfreie, aber auch interessengeleitete Produktgeberveranstaltungen weiterzubilden. Der Aufwand soll sich lohnen. Deshalb sollte die Weiterbildung jährlich geplant und in die unternehmerischen Pläne eingebunden werden. Das gilt selbstverständlich auch für die eigene Weiterbildung des Vermittlers.

Noch offen: Art des Nachweises

Was noch offenbleibt, bis die neue Verordnung in Kraft tritt, ist vor allem die Frage des Nachweises der erbrachten Weiterbildung. Der Vorschlag sieht vor, dass Vermittler bis zum 31. Januar für das Vorjahr eine Selbsterklärung an ihre IHK abgeben sollen. Dies ist noch umstritten, die Kammern selbst plädieren für eine reine Missbrauchsaufsicht. Das würde bedeuten, dass die Kammern bzw. die von ihnen beauftragten Ordnungsbehörden vor Ort die Nachweise über Weiterbildung überprüfen, falls es einen Anlass dazu gibt. Das können beispielsweise Kundenbeschwerden, Hinweise von Versicherern oder auch von Konkurrenten sein, die zu einer solchen Außenprüfung führen.

Für das erste Jahr der Anwendung, 2018, sieht der Vorschlag eine zeitanteilige Weiterbildung von 12,5 Stunden vor. Hier wird noch zu klären sein, ob die Verzögerung der Verordnung nicht zu einer geringeren zeitanteiligen Pflicht führen muss.

Verschiedene Formen der Weiterbildung zulässig

Weiterbildung kann in verschiedener Form erbracht werden. Neben der klassischen Präsenzschulung sind Selbststudium, betriebsinterne Maßnahmen und andere geeignete Formen zulässig. Uneins ist man sich über die Anforderung an Weiterbildungsmaßnahmen, dass sie stets mit einer nachweisbaren Lernerfolgskontrolle verbunden sein müssen. Das folgt aus der IDD selbst, die „Mechanismen zur wirksamen Kontrolle und Bewertung der Kenntnisse und Fähigkeiten“ verlangt. Verschiedene Branchenverbände halten das für überzogen, beispielsweise wenn die Weiterbildung aus einem Fachvortrag besteht, der nicht mit einem Test abgeschlossen werden könne. Allerdings ist bisher jedenfalls nicht geklärt, was unter einer Lern­erfolgskontrolle zu verstehen ist und ob Flexibilität besteht, selbst für Fachvorträge geeignete und in der Praxis verbreitete Formen der Lernerfolgssicherung einzusetzen.

Der Verordnungsentwurf sieht zudem Anforderungen an die Bildungsanbieter vor. Die sind allerdings gar nicht über­prüfbar, weil es keine Erlaubnispflicht für Bildungsanbieter und dementsprechende Kontrollrechte einer Aufsichtsbehörde gibt. Letztlich werden Vermittler selbst die Verantwortung übernehmen müssen, sich geeignete Angebote auszusuchen und die formalen Nachweise bereitzuhalten.

Veränderte Mindestanforderungen durch die IDD

Vermittler sollten schließlich wissen, dass die IDD deutlich veränderte „Mindestanforderungen an berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten“ in ihrer Anlage 1 vorsieht. Darin sind neue, der bisherigen BWV-/IHK-Sachkundeausbildung fremde Inhalte enthalten wie unter anderem Schadenbearbeitung, Umgang mit Beschwerden, ethische Standards im Geschäftsleben, Mindestfinanzkompetenz oder auch die Unterscheidung der Lebensversicherung in Versicherungsanlageprodukte mit spezifischen Lerninhalten und sonstige Lebensversicherungen.

Zusammenfassend gibt es keinen Grund für Vermittler, die in Kraft getretene Gewerbeordnung nicht zu beachten. Sie sollten ab sofort dafür sorgen, dass sie jederzeit nachweisen können, nur mit angemessen qualifizierten Mitarbeitern im Vertrieb tätig zu sein sowie die Weiterbildungspflicht ernst zu nehmen. Unternehmerisch eingesetzt, führt die Weiterbildung zu erheblichen Vorteilen: Die Beratungskompetenz steigt und Vermittler aus Fleisch und Blut können im Wettbewerb mit digitalen Vertriebsformen weiter ein Alleinstellungsmerkmal vorweisen.  

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 03/2018, Seite 102 f.
 
Ein Artikel von
Prof. Dr. Matthias Beenken