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6. April 2018
Im Vertrieb werden weiterhin Menschen mit sozialen Kompetenzen gebraucht

Im Vertrieb werden weiterhin Menschen mit sozialen Kompetenzen gebraucht

Die Beschäftigtenzahl in der Versicherungswirtschaft ist rückläufig. Inwiefern dies mit der Digitalisierung zusammenhängt und wie es um die Nachwuchskräfte – speziell den weiblichen Führungskräftenachwuchs – in der Branche bestellt ist, darüber spricht AGV-Geschäftsführer Dr. Michael Gold im AssCompact-Interview.

Herr Dr. Gold, die Beschäftigtenzahl in der Versicherungswirtschaft schrumpft. Ein deutliches Ergebnis der Kosteneinsparungsprogramme der Versicherer?

Tatsächlich ist die Beschäftigtenzahl der Versicherungsunternehmen in den letzten Jahren rückläufig. Das Niedrigzinsniveau und der hohe Wettbewerbsdruck verbunden mit zunehmender Automatisierung und Digitalisierung zwingen die Häuser, alles auf den Prüfstand zu stellen. Die Folge ist, dass häufig einfachere Tätigkeiten wegfallen.

Im Außendienst gibt es einen stärkeren Rückgang. Wie erklärt sich dieser?

Hier kann ich nur für den angestellten Außendienst unserer Mitgliedsunternehmen sprechen. Wir können unterschiedliche Entwicklungen beobachten. Einige Unternehmen richten ihren Vertrieb neu aus. Dabei setzen sie vermehrt auf den selbstständigen Vertrieb. Andere bauen Vertriebswege, wie Direkt- oder Bankvertrieb und den Vertrieb über Makler bzw. eigenständige Vertriebsgesellschaften, aus und um. Mit dem Ergebnis, dass diese Vertriebskollegen nicht mehr in der AGV-Statistik auftauchen.

Zudem macht sich das Thema Demografie und Fachkräftemangel auch im angestellten Außendienst bemerkbar. Die Unternehmen, die über einen großen angestellten Außendienst verfügen, beklagen zunehmend, dass sie nicht genügend geeignete Nachwuchskräfte finden.

Welche Rolle spielt dabei Kollege Roboter, sägt er an den Stühlen? Wird die Digitalisierung weitere Arbeitsplätze kosten?

Wenn Sie mit Roboter Automatisierung, Digitalisierung und am Ende Künstliche Intelligenz meinen, dann werden wir langfristig in vielen Bereichen deutliche Veränderungen sehen. Wie in der Vergangenheit auch, werden verschiedene – oft einfachere – Tätigkeiten durch Veränderungen wegfallen. Bis jedoch Maschinen komplexe Aufgaben komplett übernehmen können, wird es nach meiner Einschätzung noch einige Zeit dauern.

Parallel werden aber auch neue Aufgaben und Tätigkeiten entstehen, die dann häufig in neuen Arbeitsplätzen, wie zum Beispiel in Bereichen der Datenverarbeitung und im Online-Marketing, münden. Zudem werden andere neue Aufgaben und damit Arbeitsplätze entstehen, von denen wir noch gar nicht wissen, dass wir sie brauchen werden. Außerdem gehe ich davon aus, dass im Vertrieb die Menschen mit ihren sozialen Kompetenzen weiterhin eine zentrale Rolle spielen werden.

Sie müssen mit den Gewerkschaften über die digitale Transformation sprechen. Wie darf man sich das vorstellen?

Die Digitalisierung wird starke Veränderungen im Unternehmen und im persönlichen Arbeitsumfeld der Mitarbeiter mit sich bringen. Um diesen Prozess tarifpolitisch zu begleiten, sprechen AGV und Gewerkschaften aktuell über Chancen und Risiken der Digitalisierung. Der AGV wird beispielsweise in der nächsten Runde im Juni ver.di einen Tarifvertragsvorschlag zum Mobilen Arbeiten vorstellen.

Für einige Bereiche suchen Versicherer ja aber auch Mitarbeiter. Welche Profile sind das?

Tatsächlich werden in einigen Bereichen verstärkt Fachkräfte gesucht. Die Versicherer suchen vor allem nach Experten zur Datenaufbereitung, das heißt nach IT-Experten wie Informatikern, Softwareentwicklern, Datenanalysten bzw. -spezialisten. Aber auch Fachkräfte aus den Bereichen Mathematik, Ingenieurwesen sowie Online-Marketing sind begehrt. Und natürlich sucht die Branche ständig gute Vertriebsmitarbeiter.

Ist dabei Diversität noch ein wichtiges Schlagwort? Wie sieht es insbesondere mit dem weiblichen Nachwuchs aus?

Die Förderung des weiblichen Nachwuchses, insbesondere des weiblichen Führungskräftenachwuchses, steht weiterhin im Fokus der Versicherer als Arbeitgeber. Hierfür wurde speziell der AGV-Branchenbeirat „Frauen in Führung“ gegründet, dem rund 30 weibliche und männliche Vorstände und Top-Manager der Branche angehören. Der Beirat setzt durch diverse Maßnahmen und Initiativen immer wieder neue Impulse, um hochqualifizierte weibliche Nachwuchskräfte für Führungspositionen zu gewinnen. Um Frauen dabei zu unterstützen, ihre erste Führungsrolle zu übernehmen, bietet der AGV beispielsweise ein offenes Führungscoaching für weibliche Führungseinsteiger und High Potentials an, das sich an die gesamte Branche richtet (www.agv-vers.de/fuehrungscoaching).

Wir haben den Eindruck, dass die Bewegung „Frauen in Führung“ nachlässt. Wie ist es um die Frauenförderung in den Unternehmen bestellt?

Die öffentliche Diskussion um das Thema „Frauen in Führung“ scheint, auf den ersten Blick, nachgelassen zu haben. Dieser Schein trügt jedoch. Das Thema weiblicher Führungsnachwuchs steht bei den Versicherern nach wie vor weit oben auf der Prioritätenliste. Der AGV organisiert alle zwei Jahre eine Frauen-Führungskräftetagung für das weibliche Top-Management der Branche. Die nächste Tagung wird im November 2018 stattfinden. Parallel zu dieser Netzwerk-Veranstaltung werden sukzessive regionale Frauen-Führungskräftetagungen eingeführt. Diese dienen als Netzwerk für alle weiblichen Führungskräfte aus den Unternehmen der jeweiligen Region.