AssCompact suche
Home
Assekuranz
5. November 2015
Kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung bei Streik

Kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung bei Streik

Lokführer, Piloten, Erzieher und ganz aktuell drohen auch die Flugbegleiter: Diese Berufsgruppen haben im Jahr 2015 mit Streiks für Aufmerksamkeit gesorgt. Aber auch andere Berufsgruppen sind betroffen. Versicherungsmakler sehen sich Fragen von Kunden ausgesetzt, die ihr Arbeitsverhältnis aufgrund von Streiks unterbrechen. Nachgefragt bei Detlef Raabe, Bereichsleiter Organisationspolitik in der ver.di Bundesverwaltung.

Was passiert eigentlich mit der Versicherungs- und Beitragspflicht in der Sozialversicherung während eines Streiks, insbesondere wenn die Dauer nicht absehbar ist bzw. der Streik sehr lange dauert?

In Bezug auf die Arbeitslosen- und Rentenversicherung sind kurzfristige Streiks prinzipiell unerheblich. Bei der Arbeitslosenversicherung besteht bei Streik und Aussperrung, also in Zeiten, für die kein Arbeitsentgelt bezahlt wird, das Versicherungspflichtverhältnis längstens einen Monat fort (§ 7 Abs. 3 SGB IV). Streikende und Ausgesperrte haben jedoch während des Arbeitskampfes keinen Anspruch auf Arbeitslosen- oder Kurzarbeitergeld.

Etwas differenzierter ist es bei der Rentenversicherung. Nach der Rechtsprechung ist während eines Arbeitskampfes das rentenversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis suspendiert. Für die Dauer des Streiks sind daher keine Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung zu entrichten (Bundessozialgericht, Urteil vom 11.12.1973, BB 1974, 740).

Jeder Kalendermonat, der aber zumindest teilweise mit Beiträgen aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung belegt ist, wird als Versicherungsmonat bewertet. Dies bedeutet: Sofern für einen einzelnen Kalendertag ein Anspruch auf Arbeitsentgelt besteht, werden diese Monate als volle Versicherungsmonate bewertet. Zur Wahrheit gehört, dass sich aufgrund der entsprechend geringeren Beitragszahlung auch der Wert dieses Beschäftigungsmonats reduziert, dies hat aber bei normalen Auseinandersetzungen nur minimale Auswirkungen.

In einzelnen Fällen kann der Ausfall kompletter Streikmonate problematisch werden, wenn dadurch nicht die notwendigen Wartezeiten erreicht werden. Insoweit kann im Einzelfall bei längeren Auseinandersetzungen, also länger als ein kompletter Kalendermonat, die Errichtung eines freiwilligen Beitrages (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil) notwendig werden und sinnvoll sein.

Was passiert mit der Kranken- und Pflegeversicherung? Gibt es hier einen Unterschied zwischen den gesetzlich und den privat Versicherten?

Für versicherungspflichtig Beschäftigte, die Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung sind, besteht der Versicherungsschutz bei der Teilnahme an einem Arbeitskampf ohne zeitliche Begrenzung fort, ohne dass entsprechende Beiträge geleistet werden müssen. Sie bleiben Mitglied der Krankenkasse und haben weiterhin den vollen Versicherungsschutz für sich und ihre mitversicherten Familienangehörigen (§ 192 SGB V).

Freiwillig Versicherte, die bei einer gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind und deren Arbeitsentgelt über der Versicherungspflichtgrenze liegt oder die Mitglied einer privaten Krankenversicherung sind, bleiben ohne Rücksicht auf Beginn und Dauer eines Arbeitskampfes bei der bisherigen Kasse versichert.

Anders als bei Pflichtversicherten besteht in diesen Fällen jedoch grundsätzlich Beitragspflicht für die Dauer des Arbeitskampfes. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass in diesen Fällen die Krankenkassen teilweise – abhängig von persönlichen Situationen – auch auf Beitragszahlungen verzichten. Gleiches gilt auch bei der Pflegeversicherung.

Wie sieht es mit dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz während der Streikphase aus?

In Bezug auf die gesetzliche Unfallversicherung sind die Regelungen etwas anders. Grundsätzlich besteht bei Teilnahme an einem Arbeitskampf kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung bei der Berufsgenossenschaft des bestreikten Beschäftigungsbetriebes.

Es besteht aber wie oben beschrieben der Krankenversicherungsschutz über die Krankenkasse. Daneben kann im Einzelfall auch ein Anspruch auf Leistungen aus einer Freizeitunfallversicherung oder einer privaten Unfallversicherung bestehen.

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 11/2015, Seite 43.

 
Ein Artikel von
Detlef Raabe