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28. Januar 2019
Kfz-Abwerberunde 2018: Eine verhaltenspsychologische Nachlese

Kfz-Abwerberunde 2018: Eine verhaltenspsychologische Nachlese

Die Kfz-Abwerberunde 2018 ist vorbei. Mit großem Aufwand, teils schrillen Kampagnen und sehr signifikanten Budgets haben deutsche Versicherer erneut um die Gunst der Autofahrer geworben. Aber sind diese Werbe-Millionen auch gut investiert? Dr. Philipp Spreer, Principal Consultant bei der Digital-Beratung elaboratum GmbH analysiert.

Alle Jahre wieder ... Jeden November befällt deutsche Autofahrer kollektiv das Wechselfieber: Die große Mehrheit aller Verträge – in Summe laut Statista (2017) gewaltige 116 Millionen – endet mit dem Kalenderjahr, so dass Millionen Kunden zum 30.11. kündigen können. Das löst eifrige Geschäftigkeit in den Marketing-Abteilungen deutscher Versicherer aus. Vom Branchenprimus Allianz bis zu InsurTechs wie Nexible oder Friday heißt es dann: Portemonnaie auf und volle Kraft voraus! In den acht Wochen von Anfang November bis Ende Dezember entscheidet sich, wer seine Marktposition behaupten kann und wer Vertragsvolumen verliert. Rund 8 bis 10 Millionen Wechselwillige registrierte das Marktforschungsunternehmen YouGov zuletzt.

Dieser extrem komprimierte Wettbewerb führt zu einem gnadenlosen Kampf um die Aufmerksamkeit und Gunst der Kunden, bei der sich die Anbieter an Kreativität und Werbedruck gegenseitig überbieten, aber einen dabei oftmals aus den Augen verlieren – den Kunden. Bereits grundlegende Kenntnisse des Aufbaus und der Arbeitsweise des Gehirns machen deutlich, dass viele Versicherungen ihre Ziele aufgrund einfacher verhaltenspsychologisch-handwerklicher Fehler verpassen, oder unnötig viel Geld ausgeben. Maklern und Vermittlern helfen die Erkenntnisse ebenfalls: Sie können damit effektive Entscheidungssituationen für ihre Kunden zusammenstellen und so die Entscheidungsfähigkeit ihrer Kunden steigern.

Bereits die Grundannahme vieler Kampagnen ist falsch: Menschen sind keine streng rationalen Entscheider, wirklich nicht! Unser Gehirn ist evolutionär bedingt radikal auf Effizienz und Schnelligkeit getrimmt. Für aufwendiges und strukturiertes Abwägen aller Handlungsoptionen werden schlichtweg nicht die erforderlichen Ressourcen bereitgestellt. Ein kurzer Exkurs in die menschliche Entscheidungsfindung: Wir besitzen ein rationales und ein intuitives Entscheidungssystem. Das wird in der Wissenschaft nicht erst seit der Verleihung des Wirtschaftsnobelpreises an Daniel Kahneman (2002) und Herausgabe seines phänomenalen Buchs „Thinking, fast and slow“ als Tatsache akzeptiert. Da intuitive Entscheidungen erheblich ressourcenschonender sind, ist das entsprechende System bei rund 95% aller Entscheidungen tonangebend. In diesen Fällen findet ein rationales Hinterfragen kaum statt und wir sind nicht einmal in der Lage, die Entscheidungen aktiv zu beeinflussen, da sie überwiegend unbewusst ablaufen. Spannend für Makler, Vermittler und Marketing-Experten ist, dass intuitive Entscheidungen immergleichen Mustern folgen – den Behavior Patterns. Von diesem Mustern listen wissenschaftlich fundierte Frameworks wie „PsyConversion®“ mittlerweile über 100 Stück. Daraus folgt: Nur wer diese Muster kennt und versteht, wie unser Gehirn Entscheidungen trifft, ist in der Lage die richtigen Botschaften und Impulse zu setzen. Eine aktuelle Studie der Digital-Beratung elaboratum (Juli 2018) belegt, dass im Versicherungskontext durch die gezielte Aktivierung von Behavior Patterns eine Steigerung der Versicherungssumme um durchschnittlich 23,4% möglich ist.

Möglichst hoher Ankerwert ist entscheidend

Eines der stärksten Behavior Patterns ist „Anchoring“. Der Ankereffekt beschreibt, dass der zuerst wahrgenommene Zahlenwert die Bewertung der Preiswürdigkeit eines Produkts maßgeblich beeinflusst. Daher empfiehlt die Psychologie, den Ankerwert möglichst hoch zu setzen, damit folgende Preise im Vergleich dazu gering wahrgenommen werden. Versicherer ignorieren diese einfache Regel jedoch und unterbieten sich mit immer niedrigeren „Ab-Preisen“.

Wirbt ein Versicherer beispielsweise für eine Autoversicherung „ab 79 Euro im Jahr“, wird der Anker bei einem Preis von 79 Euro gesetzt. Ein durchschnittlicher Kfz-Tarif kostet allerdings rund 230 Euro, die sich für einen Kunden im Vergleich zum Ankerwert extrem teuer anfühlen („fast 3x so viel!“). Würde man einen dagegen einen hohen Zahlenwert als Anker setzen (z. B. „Sparen Sie bis zu 600 Euro“) wäre die Preiswahrnehmung signifikant positiver, die Kaufwahrscheinlichkeit also höher. Auch Makler können diese Methode in ihren Verkaufsgesprächen nutzen.

Aufzeigen, warum Kunden Produkte kaufen wollen

Ein weiterer Branchenstandard sind ausführliche Listen von USPs („Unique Selling Propositions“). Bereits in dem Hauptwort „Selling“ drückt sich aus, dass diese Merkmale dafür gedacht sind, Produkte zu VERkaufen. Das ist ein klarer Widerspruch zu echter Kundenzentrierung: Unternehmen sollen auf ihrer Website nicht schreiben, warum sie Produkte VERKAUFEN wollen, sondern warum Besucher sie KAUFEN wollen. Dieser scheinbar kleinkarierte Perspektivwechsel ist nötig, um zu verstehen, was mehrheitlich intuitiv handelnde Nutzer wirklich motiviert, einen Kauf zu tätigen. Statt USPs sollte man 2019 daher auf UVPs setzen („Unique Value Propositions“), die deutlich machen, welchen „Wert“ ein funktionales Nutzenmerkmal für Kunden wirklich hat. Der Satz „eVB-Nummer direkt nach Antragsstellung“ könnte so zum Beispiel lauten: „Sofort losfahren: Sie können Ihr Fahrzeug mit eVB-Nummer noch heute zulassen“.

Kognitive Überlastung des Kunden verhindern

Eng mit der Nutzung langer Listen von vermeintlichen funktionalen Vorteilen ist die kognitive Überlastung von Kunden verbunden. Das Behavior Pattern „Focusing“ beschreibt, dass wir uns nur auf eine begrenzte Anzahl von Dingen konzentrieren können. Daher misst das menschliche Gehirn einigen wenigen Aspekten ein überproportional hohes Gewicht bei der Entscheidung bei. Je mehr Informationseinheiten einem Kunden aber präsentiert werden, umso schwieriger fällt es dem Gehirn, einen klaren Fokus des individuellen Vorteils für den Kunden zu identifizieren. Kognitiver Aufwand bedeutet einen hohen Ressourcenverbrauch, den das Gehirn mit allen Mitteln zu vermeiden versucht. Die Folge ist ein Abbruch des Kaufprozesses, den ein potenzieller Kunde intuitiv vollzieht, ohne sich über die Gründe bewusst zu werden. Wer dem Besucher beispielsweise gleich zu Beginn der Website eine Box mit zwölf Informationseinheiten präsentiert, macht es dem Gehirn damit nahezu unmöglich, einen schnellen und gleichermaßen überzeugenden Eindruck seiner Kfz-Versicherung zu gewinnen. Hier spielen Makler und Vermittler eine ganz besondere Rolle. Sie können die Informationen für ihre Kunden vorselektieren und im persönlichen Verkaufsgespräch eine kognitive Überlastung der Kunden verhindern.

Die Liste von verhaltenspsychologischen Schnitzern könnte nahezu beliebig fortgesetzt werden. Fest steht: Mit einer intensiven Auseinandersetzung mit intuitiven Entscheidungsmustern könnten Versicherungen deutlich mehr Kunden mit deutlich weniger Marketing-Budget gewinnen. Auch Makler und Vermittler profitieren in ihren Verkaufsgesprächen, wenn sie sich der Wirkungsweise von Behavioral Patterns bewusst machen und diese nutzen. Ein strukturiertes Rahmenwerk wie PsyConversion® ist dafür die Grundvoraussetzung und der Umsetzungsleitfaden. Die verhaltenspsychologische Optimierung von Vertriebsaktivitäten ist zudem auch im Sinne der Versicherungskunden, da Komplexität reduziert und Prozesse intuitiver gestaltet werden können.