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13. August 2018
LV-Wiederanlage: „Kunden benötigen Lebensplaner“

LV-Wiederanlage: „Kunden benötigen Lebensplaner“

Das Geld ablaufender Lebensversicherungen landet zu selten beim Lebensversicherer. Das Consulting-Unternehmen 67rockwell glaubt, dass sich Versicherer einen 50-Mrd.-Euro Markt entgehen lassen. Es hat aber auch Vorschläge, wie sich Vermittler hier positionieren können. Nachgefragt beim Geschäftsführer Tim Braasch.

In einer Marktuntersuchung haben Sie aktuell erneut festgestellt, dass die Wiederanlagequote ablaufender Lebensversicherungen bei durchschnittlich nur 15% liegt. Die Quote ist seit Jahren niedrig und ändert sich nicht. Wie erklären Sie sich das?

Versicherer haben bei der Produktentwicklung häufig die interne Brille auf und fokussieren die Erwartungen und Bedürfnisse ihrer Kunden zu wenig. Es fehlt den Versicherern an einer stringenten Steuerung und Ausrichtung auf das Thema Wiederanlage: So werden insbesondere die jeweiligen Lebensumstände und das Alter der Kunden nicht hinreichend beachtet. Eine antizipative Führung des Kunden von einem Lebensabschnitt in den nächsten, das heißt der Phase vor seinem Ruhestand und der Phase nach seinem Ruhestand, findet nicht statt. Der fehlende Fokus der Versicherer, die zu geringe Vertriebs- und Betreuungsintensität sowie Produkte, die nicht am Kunden ausgerichtet sind, führen dazu, dass Kunden das Geld auf den eigenen Konten lagern, bis eine bessere und eine auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Lösung kommt.

Wo geht das Geld dann hin?

Gelder werden häufig auf den Konten der Kunden „geparkt“ oder an diejenigen Institutionen allokiert, die mit geeigneten Produkten auf die individuellen Bedürfnisse des Kunden eingehen. Die Annahme, dass ein Großteil der Gelder in den Konsum gehen, wurde in verschiedenen Studienrunden nicht belegt. Der Kunde akzeptiert bewusst eine suboptimale Lösung bei negativer Verzinsung, weil der Verkauf standardisierter Produkte an dieser Stelle nicht mehr greift.

Was sollten Versicherer anders machen?

Wir sehen vier wesentliche Handlungsfelder:

  • Kunden in den Mittelpunkt aller Maßnahmen stellen und über Clusterungsverfahren Gruppen mit homogenen Bedürfnissen bilden, um individualisierte Produktansätze zu präsentieren und diese individuell auf die Bedürfnisse zuzuschneiden.
  • Kunden begleiten und vor/nach Ablauf individuell führen. Die Aussteuerung des Vertriebs über die persönliche Ansprache ist in diesem Zusammenhang der größte Hebel. Unterstützend wirken weiterführende Informationen an geeigneten Kontaktpunkten.
  • Kontaktpunkte neu ausgestalten, entlang der zuvor identifizierten Kundencluster. Den Kunden vor Ablauf mit zunehmender Frequenz und Intensität an den relevanten Kontaktpunkten informieren, sich gegenseitig austauschen und befähigen, bessere Entscheidungen zu treffen.
  • Interne Prozesse neu aufstellen und Kundengruppen auf Basis relevanter Daten steuern. Hierzu gehört auch eine Abkehr vom klassischen Vertrieb standardisierter Produktlösungen hin zu datenbasierten und kundenorientierten Produktansätzen, die modular zusammengestellt werden können.
Welche Maßnahmen müssten dafür ergriffen werden?

Im ersten Schritt müssen die Bedürfnisse, Motive und Kauftreiber der jeweiligen Kundengruppen der Versicherer tiefgreifend identifiziert und analysiert werden. Auf Basis der jeweiligen Erkenntnisse müssen modulare Produktansätze entwickelt und ausgesteuert werden. Zentrale Ergebnisse müssen sich in Form von Halo-Effekten in den Produktansätzen wiederfinden. In einem weiteren Schritt sollte eine genaue Bestimmung der Kontaktpunkte entlang der Customer Journey erfolgen. Der Versicherer muss im Zuge der Ausgestaltung der Journey wieder relevant werden und an den Kontaktpunkten in einer zunehmenden Intensität Inhalte spielen.

Vertriebe müssen neu ausgestaltet werden, die Frage einer zentralen vs. dezentralen Steuerung ist intern zu klären und Prozesse sind anzupassen. Aufbauend auf den ersten Produktgruppenverkäufen muss ein zentrales Monitoring der Performance entwickelt und kontinuierlich geführt werden. Hierbei werden in einem prozessualen Ablauf Kundenbedürfnisse, Produktperformance und Vertriebsziele kontinuierlich vertieft und verbessert.

Könnten digitale Prozesse die Vorgänge insgesamt verbessern?

Für Wiederanlage sind soziale Kontaktpunkte entscheidend und weniger das Thema Digital. Mehr Wiederanlage entsteht insbesondere aus dem persönlichen Kontakt und der persönlichen Beziehung der Vermittler und Vertriebsmitarbeiter zu ihren Kunden. Aufbau und Nutzung digitaler Touchpoints bieten sich hingegen nur im Rahmen einer Gesamtstrategie und eines ganzheitlichen Ansatzes an. Genauer ist diese Fragestellung anhand der gebildeten Cluster zu beantworten. Digital kann an dieser Stelle für die Relevanz und Bedienung der Motive und Treiber für ausgewählte Kundengruppen unterstützend wirken. Die Abkehr von persönlicher Betreuung hin zu einer vermeintlichen effizienten digitalen Steuerung kann über alle Kundengruppen nicht empfohlen werden.

Wo liegen die Chancen besser: bei Versicherungsmaklern oder in der AO?

Versicherungsmakler sind häufig näher an ihren Kunden. Doch auch für die AO bieten sich Chancen, den Wiederanlagemarkt als Wachstumsmarkt aus dem eigenen Bestand heraus zu begreifen. Hier gilt es, die internen Prozesse entlang der Kundenbedürfnisse zu strukturieren, die Vertriebsmitarbeiter systematisch zu unterstützen und den Gesamtprozess ganzheitlich zu orchestrieren. Voraussetzung dafür ist, dass das Wiederanlagegeschäft vom Management konsequent aufgesetzt und als klares Ziel formuliert wird und dass ein kontinuierliches Monitoring und Informationsaustausch stattfinden. Alle drei Anforderungen werden bei den Versicherern heute nicht professionell und konsequent verfolgt.

Gibt es konkrete Ratschläge für Makler?

Kunden benötigen „Lebensplaner“, das heißt Begleiter und Berater in deren Übergangsphase in den Ruhestand mit individuell auf deren Lebensumstände zugeschnittenen Lösungen. Wichtig sind hier ein hohes Maß an Empathie und Kundenverständnis. Es geht darum, den Kunden an die Hand zu nehmen, in seiner individuellen Lebensphase zu begleiten, Hürden, Chancen und Risiken für ihn zu antizipieren und ihm unterstützend zur Seite zu stehen. Diese Maßnahmen sollten in einem engen Austausch mit den Versicherern heute anhand der identifizierten Kundengruppen entwickelt und ausgestaltet werden.

 

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Reinhard Hoppenheit am 14. August 2018 - 09:51

Es ist ein Irrglaube, wie hier suggeriert, die Wiederanlagequote wesentlich steigern zu können. Das würde je bedeuten, das die gesamte Versicherungswirtschaft die Ablaufthematik jahrzehntelang konzeptlos verschlafen hat und lediglich auf die Eingebungen dieses Artikels gewartet hat.

Kleinabläufe kommen für eine Wiederanlage kaum in Frage und fließen einfach in den Konsum. Auflaufkunden mit größeren Summen erfüllen sich zunächst oft noch einen Wunsch, z. B. eine Luxusreise, ein neues Auto, altersgerechter Umbau der Wohnung oder lassen Teilsummen Kindern/Enkeln zugute kommen. Diese Investitionen haben eine wesenlich höhere Attraktivität als Versicherungsprodukte jedweder Art, weil Sie direkt mit einem Sach- oder Erlebniswert verbunden sind. Dazu kommt die unterschwellige Befürchtung, Pflegefall zu werden für den in der Regel nicht vorgesorgt wurde. Dafür hält man dann einfach Liquidität vor. Aus meiner Sicht ist der Schlüssel einer erfolgreichen Wiederanlage einzig und allein eine gute Beziehung zum Kunden. Wenn der Vermittler oder Makler Ziele und Wünsche seines Kunden kennt, weiß er auch, wo Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Wiederanlage sind. Alles sndere ist Theorie.

Gespeichert von Wilfried Strassnig am 14. August 2018 - 11:09

Oft werden Kredite abbezahlt. In erster Linie fehlen aber innovative Produkte. Nur über diese sind Kunden zu motivieren sich wieder langfristig zu binden. Ich habe die Lösung, diese interessiert aber in Deutschland die Vorstände nicht. Deswegen sind schon erste Kontakte zu Amazon, Google, Baidu u.a. vorhanden. Der Schmerz es nicht selbst gemacht zu haben dürfte bei einigen Versicherern bei Umsetzung sehr groß sein. Ich hätte es lieber mit der Allianz, Axa, Zurich, VIG gemacht, dort ist man sich sehr sicher sowieso alles im Griff zu haben. Man wird sehen, ich bin da sehr zuversichtlich.Ich würde die meisten am Markt befindlichen Produkte auch nicht gerne empfehlen. Ganz sicher wissen das auch die Entscheider. Allein diese Geisteshaltung finde ich schon sehr bedenklich. Seriös nach allen Kosten, wird der Kunde bei der Auszahlung sehr große Augen machen

Gespeichert von Frank L. Braun am 14. August 2018 - 15:50

Wer sich als LebensFinanzPlaner bei seinen Kunden positioniert hat, kennt alle „LV-Abläufe“ und wird über die Verwendung sicherlich ebenfalls nutzbringend Rat erteilen.
Gedanken hierzu siehe https://www.youtube.com/watch?v=ZpdcWAu341w